6817261-1973_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Ein Medientrauma?

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man auch sicher Bundeskanzler Kreisky nicht als Zauberlehrling bezeichnen kann, so trifft doch das Zitat „die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los“, auf ihn zu. Zumindest, was die Massenmedien betrifft.

Hatte man immer wieder hören können, gerade der ORF und die unabhängigen Tageszeitungen seien es gewesen, die Kreisky „aufgebaut“ hätten, so war man zumindest seit längerer Zeit an scharfe bis schärfste Auseinandersetzungen zwischen dem Regierungschef und Generalintendant Bacher gewöhnt. Sie gehörten schon zur innenpolitischen Szene.

Neuerdings hat der Kanzler aber seine Kampagne gegen regierungsunabhängige Medien vom ORF auch auf Zeitungen ausgedehnt. Am Landesparteitag der Burgenländischen SPÖ in Eisenstadt begann es, daß der Bundeskanzler den Herausgebern der unabhängigen Zeitungen vorwarf, es sei ihr Bestreben, die Regierung zu stürzen. Und er setzte diese Beschuldigung bei seinen oberösterreichischen Genossen auf deren Parteitag in Wels fort, um bei seiner Pressekonferenz am Donnerstag der Vorwoche die vorläufig letzte Attacke zu reiten.

Manche meinen nun, die Gegnerschaft Kreiskys zu den Zeitungen habe Querverbindungen zu seinen ORF-Plänen. Hatte sich doch der Kanzler bei eben diesen Zeitungen eine Absage geholt, als er seine Rundfunkkommission mit Spitzenvertretern der Blätter besetzen wollte, die seinerzeit das Volksbegehren zur Rundfunkreform eingeleitet hatten. In seiner eigenen Villa in Wien-Heiligenstadt legte der Bundeskanzler vor einigen Monaten bei einem Abendessen den Vertretern der unabhängigen Presse das Offert vor, in seine Kommission einzusteigen — und fand nur ein negatives Echo.

Schon damals war Kreiskys Gesprächspartnern offensichtlich klar geworden, daß ein fertiger Novellie-rungsentwurf für das Rundfunkgesetz im Schreibtisch des Kanzlerbüros liegt und sie nur die Kulisse für eine „Reform auf breiter Basis“ abgeben sollten.

Daß innerhalb der SPÖ eine Linie gefunden wurde, wie die ORF-Novelle aussehen soll, zeigt die Stellungnahme, die Klubobmann Gratz vor kurzem im „Sender Freies Berlin“ abgegeben hat. Gratz sagte dort sinngemäß unter anderem, an Stelle des Generalintendanten — der laut Gratz nach der heutigen Konstruktion des ORF stellvertretend für alle Journalisten im ORF denkt — sollten zwei oder drei jeweils für ein Programm ausschließlich verantwortliche Männer eingesetzt werden; und an anderer Stelle: Es könne nicht gut sein, wenn der unkontrollierte Absolutismus unter dem Deckmantel einer von jedermann unabhängigen Institution im Rundfunk und Fernsehen fröhliche Urständ' feiert.

Soweit der SPÖ-Klubobmann. Die sogenannte „Richtlinienkompetenz“ des Generalintendanten ist der Regierungspartei ein besonderer Dorn im Auge. Und wenn man nun die Aussagen von Gratz und das Ergebnis der Sitzung der Kreisky-Kom-mission vom vergangenen Freitag betrachtet, ist der Unterschied eher gering. Dort wurde nämlich beschlossen, sich für die Einsetzung von zwei voneinander unabhängigen Intendanten auszusprechen. Es erhebt sich jetzt allerdings die Frage, aus welchem Personenkreis diese Programmverantwortlichen ausgewählt werden. Können, dürfen und sollen sie parteiunabhängig sein?

Änderung des Journalistengesetzes?

Was nun die Zeitungen und deren von Kreisky behauptete Gegnerschaft zur SPÖ-Regierung betrifft, so glaubt der Kanzler ganz offensichtlich, ein Druckmittel gegen sie in der Hand zu haben. Schon vor einem Jahr nämlich begannen Verhandlungen zwischen dem Herausgeberverband und Kreisky über

mögliche Förderungsmaßnahmen der Regierung für wirtschaftlich schwache Blätter. Es ging damals vor allem um die Auswirkungen der Mehrwertsteuer auf die Verlagsunternehmungen. Es wurde dann in den Verhandlungen die Möglichkeit erwogen, den Zeitungen das Rotationspapier zu tragbaren Preisen zur Verfügung zu stellen, was die Regierung gleichzeitig in die für sie angenehme Lage versetzt hatte, sagen zu können, mit dieser Maßnahme werde die notleidende österreichische Papierindustrie unterstützt. Viel hörte man damals vom Bundeskanzler über die Wichtigkeit der Erhaltung der Meinungsvielfalt in Österreich als eine Säule der Demokratie.

Es ist nun also möglich, daß sich der Kanzler zu einer Absage an die Verleger entschließt. Nachdem aber gerade die Herausgeber Unternehmer sind, denen letztlich niemand vorschreiben kann, wie das Produkt auszusehen hat, versucht es der Bundeskanzler damit, daß er die Journalisten und Angestellten der unabhängigen Zeitungsverlage über den grünen Klee lobt und ihnen bescheinigt, wie gut sie ihre Arbeit — auch bei einem schwierigen Stand mit den Verlegern — leisten. Man müsse also, sagt Kreisky, die Rechtsstellung dieser aufrechten Menschen verbessern, ihnen mehr Unabhängigkeit gegen-

über ihren Verlegern zusichern. Dies freilich würde eine Änderung des Journalistengesetzes bedingen.

Wenn auch sicher Abhängigkeiten zwischen Verlegern und Journalisten auf dem Gebiete der Berichterstattung bestehen, so scheint die Idee des Kanzlers doch relativ wenig dazu geeignet, die Dankbarkeit und damit, eine entsprechend rosarote Berichterstattung durch die Redakteure zu sichern.

In Kreisen innenpolitischer Journalisten erzählt man heute nämlich noch Geschichten, wie aufbrausend der frühere Bundeskanzler Klaus reagiert hat, wenn die Berichterstattung der Zeitungen und des damals schon unabhängigen ORF nicht sei-

nen Erwartungen entsprochen hatte. Aber niemand kann sich erinnern, daß daraus weitreichende Konsequenzen entstanden wären.

Ob die Auffassung Kreiskys von der Meinungsvielfalt als Grundpfeiler der Demokratie, die vor nicht allzu langer Zeit von ihm zumindest im Zusammenhang mit den unabhängigen Zeitungen noch gebraucht wurde, nicht auch jetzt noch gelten sollte? Besonders für einen Regierungschef, der seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der SPÖ, also lang vor seinem Amtsantritt als Kanzler, sehr wohl die — für ihn günstige — Macht der Presse zu beurteilen wußte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung