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Ein Meisterwerk

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Vor vielen Jahren hat Gregor von Rezzori in seinem Roman „Ein Hermelin in Tschernopol" das schwierige und schöne, von gegenseitiger Achtung erfüllte Zusammenleben von Deutschen und Polen, Russen und Juden dargestellt; nun schrieb Valentin Polcuch ein köstliches Buch der Erinnerung, das Rezzoris Thema erklingen läßt und auch die tragikomische Größe des Romans erreicht.

Die Geschichte des in Rostow am Don als Abkömmling deutscher Bauern geborenen Mannes, der in jungen Jahren mit seiner Familie nach Lodz, dann nach New York und endlich nach Posen zieht, um all die Irrfahrten als Soldat der deutschen Wehrmacht fortzusetzen, diese von Sehnsucht erfüllte, bittere und humorvolle Chronik ist ein Zeitdokument besonderer Art und zugleich ein beispielhaftes Stück deutscher Prosa.

Im Dahinströmen der Sprache leuchten immer wieder die wärmenden Lichter der Kindheit auf; mit Eindringlichkeit gezeichnete Figuren erscheinen und verschwinden; politische Leidenschaften werden in ihren menschlichen Ursachen begreifbar; Haß steht neben Liebe, Redlichkeit neben Selbstsucht — und im Labyrinth all der Verblendungen und Schwärmereien geht ein Mensch einsam und lächelnd seines Weges.

Wie selbstverständlich wäre gute Nachbarschaft zwischen den Angehörigen von so vielerlei Völkern! Wieso mußte das Vielfältige und Festgefügte zerstört werden?! Grausamkeit und Dummheit eines angeblich aufgeklärten Jahrhunderts wird uns in diesem Buch der farbigen Bildhaftigkeit schmerzhaft bewußt. Hohe Sprachkunst ermöglicht es, die blutige Groteske als etwas Überwundenes und also nicht ohne Hoffnung zu betrachten.

NACH DEM VERLASSEN DER STEPPE. Von Valentin Polcuch. Albrecht Knaus Verlag, Hamburg 1984. 270 Seiten. Ln., öS 249.60.

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