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Ein Mensch des Alltags

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Man denkt an Rot-weiß-rot, an die Farben und die Flagge der Republik Österreich, an Bundeshymne und Bundeswappen, an das Bundesverfassungsgesetz.

Der Bundespräsident gehört zu den politischen Symbolen. Er repräsentiert eine demokratische Republik, deren Recht vom Volk ausgeht und die wie jeder freiheitliche Rechtsstaat ein bewußt kompliziertes Regierungssystem errichtet hat.

Unsere Verfassung ist daher weniger auf Raschheit als auf Sicherheit und Kontrolle ausgerichtet. Viele Fäden, welche dieses feine und komplizierte Verfassungsgewebe bilden, laufen über den Bundespräsidenten oder bei ihm zusammen.

Er wirkt im Bereich aller drei klassischen Staatsgewalten. Ihm kommt nicht nur im Normalfall, sondern besonders auch im Notfall eine Schlüsselstellung im System der Trennung und der Verbindung der Staatsgewalten zu. Man hat ihn immer mitzudenken.

Die vielen „tagespolitischen" Kompetenzen, wie ernennen, Titel verleihen, beurkunden, begnadigen, legitimieren, ratifizieren usw., werden vorwiegend unter Ausschluß der Öffentlichkeit ausgeübt, die Wahrnehmung der wenigen „staatspolitischen" Kompetenzen, wie z. B. die Regierungsbestellung, nimmt der Bürger von Zeit zu Zeit zur Kenntnis, die eigentlichen „Krisenkompetenzen", wie Parlamentsauflösung oder Regierungsentlassung, mußten in der Zweiten Republik noch nicht wahrgenommen werden.

Daher sehen die Bürger den Bundespräsidenten vor allem als Repräsentanten, wenn er kommt oder über Rundfunk zu hören und zu sehen ist. Journalisten haben das mit „ErÖffner", „Händeschüttler" u. ä. abgetan.

Aber das verkennt, wie gerade durch Reden und Repräsentieren des Bundespräsidenten Republik wird — die gemeinsame und öffentliche Sache, die jeden und alle angeht.

Für Rudolf Kirchschläger ist das Amt des Bundespräsidenten im Laufe der Jahre gleichsam zum maßgeschneiderten Anzug geworden. Er hat das Amt in einer Parteien-, Verbände- und Mediengesellschaft unabhängig und republikanisch geprägt.

Die Partei des Präsidenten ist seine Persönlichkeit. Sie ist durch seine Hingabe an die Aufgabe geformt und verbindet das Sachliche mit dem Sittlichen. Deshalb ist Kirchschläger glaubwürdiger als andere, wenn es um die res publica, um die res populi geht. Heute spricht niemand mehr vom „Ersatzkaiser", vom letzten

Denkmal konstitutioneller Monarchie, vom „Monarchen in der Republik".

Kirchschlägers Ruhe und Gelassenheit, Rechtlichkeit und Redlichkeit, sein Humor und seine gelegentliche Selbstironie nehmen jeden Gesprächspartner für ihn ein. Er hat eine „menschliche Verwaltung" des Amtes eingeführt. Es wird wenige Amtsträger in Österreich geben, die sich als Mensch für die Menschen, die zu ihnen kommen oder ihnen schreiben, so viel Zeit nehmen.

Der Bundespräsident ist auch im politischen Betrieb und in der politischen Erscheinungen Flucht ruhender Pol geworden, wie es Kirchschläger nach seiner Wahl am 23. Juni 1974 versprochen hat.

Das Bild des Bundespräsidenten hängt nicht nur in Schulen und Ämtern, sondern auch in den Menschen, als Vorbild: Hier ist einer, der täglich seine Pflicht erfüllt, ohne Meinungsbefragung und Massenmedien. Dieses Bewußtsein ist für die Mehrheit der Stillen genau so wichtig wie für die lauten Minderheiten.

Kirchschläger ist kein „Staatsschauspieler", „Staatswortspieler" oder „Journalistenpräsident", aber auch kein „Protokollpräsident". Sein Mut zum offenen Wort hat mehr als politische Bildung gebracht.

Bei Antritt seines Amtes leistete er das Gelöbnis mit der Beifügung: „So wahr mir Gott helfe!". Er hat vieles beim Namen genannt. Ob es die politische Moral betraf, den Umgang mit der direkten Demokratie, den Schutz der Minderheit und der Ungeborenen" — immer war es Wesentliches. Das Amt des Bundespräsidenten ist ein Wächter- und Mahneramt geworden.

Seine Parteinahme für die Anständigen ermutigt immer wieder, das zu tun, was heute so schwer fällt: In den Ordnungen des Lebens den Forderungen des Tages nachzukommen.

Kirchschläger wurde 1982 von einer Zeitschrift zum „Mann des Jahres" gewählt, „weil er als erster Bundespräsident die Befugnis seines Amtes nützte, Wirtschaft und Politik kritisch zu kommentieren".

Wer sein Leben und seine Lebensführung durch viele Bereiche und Berufe verfolgt, wird ihn als „Menschen des Alltags" schätzen lernen. Sein Buch „Der Friede beginnt im eigenen Haus ..." ist ein Österreich-Buch. Sein Bekenntnis zu Österreich verbindet ihn mit uns allen.

Der Autor ist Professor für Rechtslehre an der Universität für Bodenkultur und Wiener OVP-Gemeinderat.

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