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Ein Mensch, ein Gen-Code

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Experimente mit Embryonen sind Menschenversuche. Das Menschsein beginnt mit Vorliegen eines neuen Gen-Codes. Daher ist ein gesetzlicher Schutz (FURCHE 36/ 1989) überfällig.

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Experimente mit Embryonen sind Menschenversuche. Das Menschsein beginnt mit Vorliegen eines neuen Gen-Codes. Daher ist ein gesetzlicher Schutz (FURCHE 36/ 1989) überfällig.

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1. Als konsensfähige Ausgangsbasis kann auch in unserer pluralistischen Gesellschaft die Annahme der allgemeinen Menschenrechte gelten, die auf der unveräußerlichen Würde aller, unabhängig von Rasse, Alter, Leistungsfähigkeit oder Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe oder Religion, gründen

2. Daraus folgt, daß der Mensch niemals bloß als Mittel zum Zweck behandelt werden darf, mögen diese Zwecke noch so wertvoll sein wie etwa die Heilung von schweren Erbkrankheiten oder Gesundheitsvorsorge, sondern immer auch um seiner selbst willen zu achten ist. /

3. Da Menschsein an naturale Voraussetzungen geknüpft ist, umfaßt die Achtung vor der Würde des Menschen auch seine leibliche Integrität, solange und insoferne diese im Dienst personalen Lebens steht.

4. Dieser Anspruch auf Achtung der Menschenwürde umfaßt den gesamten Lebenszyklus eines Menschen.

5. Das Menschsein eines jeden einzelnen beginnt empirisch nachweisbar mit dem Vorliegen eines neuen Gen-Codes. Von da ab beginnt eine Entwicklung, in der wohl Diskontinuitäten beobachtet und interpretiert werden können. Dennoch überwiegen die Momente der Kontinuität derart, daß die Verantwortung für den Menschen, die im Respekt vor seiner unveräußerlichen Würde gründet, bereits der Zygote zu gelten hat.

6. Deshalb sind grundsätzlich alle Experimente mit Embryonen wie überhaupt alle Arten von Menschenversuchen sittlich nicht gerechtfertigt, die einen Eingriff in seine Integrität bedeuten.

7. Sittlich gerechtfertigt können unter den üblichen Bedingungen nur Experimente an der Zygote oder am Embryo werden, sof erne diese Experimente auch im Dienste der Therapie oder Prophylaxe des Embryos selbst stehen.

8. Im Konflikt zwischen dem Recht auf Forschungsfreiheit, hochrangigen Forschungszwecken, Ansprüchen Dritter auf Heilung und des Grundrechtes auf Leben hat eindeutig das Grundrecht auf Leben wegen der inneren Bedingungslogik Vorrang. Alle anderen Güter und Rechte setzen nämlich die Achtung vor der Würde des Menschen, die seine leibliche Integrität miteinschließt, voraus.

9. Diese grundrechtlichen Ober-legungen können auch durch rechtspragmatische Definitionen des Lebensbeginnes mit der Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutter (vergleiche WHO-Definition) und der Entpönalisierung der Abtreibung nicht außer Kraft gesetzt werden. Was für die Organspende als Voraussetzung zu gelten hat, gilt auch für die Grundlagenforschung: keine tötenden oder unverhältnismäßig schädigenden Humanexperimente, weder im Interesse hochrangiger Forschungsziele, noch im Interesse zukünftiger Dritter, noch in einem volksgesundheitlichen Allgemeininteresse oder gar in der Vision einer positiven Eugenik.

10. Gesellschaftspolitisch ist es als Zynismus zu betrachten, wenn in einer Zeit, in der durch die Sensibilisierung des Bewußtseins Tierexperimente und Tierverbrauch eingeschränkt werden, vernichtende Embryonenforschung zugelassen würde.

Der Autor ist Professor für Moraltheologie in Wien und Mitglied der Ethikkomirriaaion da Familienmiiusterium. Zum Thema siehe auch Seite 6.

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