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Ein Meteor, der Wien erhellte

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„Der größte Träumer seiner Zeit ist tot“. „Die Farbe Wiens ist gestorben“. „Kernen Schüler hinterließ er->- aber ganz Wien war bei einem einzigen in die Schule gegangen“. „Alle Welt fragt sich: Wer wird Makart ersetzen? Die Antwort lautet: Mäftart ist unersetzlich“. „Wien ist um ein schönes Wahrzeichen ärmer geworden“. So klagte es Anfang Oktober 1884 im Zeitungswald Wiens, der österreichisch-ungarischen Monarchie, und vieler der führenden Zeitungen Europas: Hans Makart, der Abgott einer Epoche, der Ringstraßenzeit, war, knapp 44jährig, gestorben, der „Meteor am Kunsthimmel“ war erloschen... Nach Jahrzehnten der Verdammung!Makarts und seines Werks, nach der Aburteilung seiner Monstergemälde als Kitsch, Schwulst und Monsterschinken, ist dem Star aus Salzbürg jetzt endlich ein Comeback beschieden. Werden die Wiener wieder, wie einst im Künstlerhaus,, vor seinen Gemälden und besessenen Phantasien, Schlange stehen?

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„Der größte Träumer seiner Zeit ist tot“. „Die Farbe Wiens ist gestorben“. „Kernen Schüler hinterließ er->- aber ganz Wien war bei einem einzigen in die Schule gegangen“. „Alle Welt fragt sich: Wer wird Makart ersetzen? Die Antwort lautet: Mäftart ist unersetzlich“. „Wien ist um ein schönes Wahrzeichen ärmer geworden“. So klagte es Anfang Oktober 1884 im Zeitungswald Wiens, der österreichisch-ungarischen Monarchie, und vieler der führenden Zeitungen Europas: Hans Makart, der Abgott einer Epoche, der Ringstraßenzeit, war, knapp 44jährig, gestorben, der „Meteor am Kunsthimmel“ war erloschen... Nach Jahrzehnten der Verdammung!Makarts und seines Werks, nach der Aburteilung seiner Monstergemälde als Kitsch, Schwulst und Monsterschinken, ist dem Star aus Salzbürg jetzt endlich ein Comeback beschieden. Werden die Wiener wieder, wie einst im Künstlerhaus,, vor seinen Gemälden und besessenen Phantasien, Schlange stehen?

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Seine Wiederentdeckung geschieht nicht von ungefähr: So wie Ausstellungen der Werke der Romantiker (Ossian, Blake, Salonmalerei, C. D. Friedrich) zum großen Trumpf wurden und viele junge Künstler der Gegenwart sich immer mehr vom Realismus und von der Sachlichkeit neuen romantischen Tendenzen zuwenden, so entdeckt das nostalgisch eingestimmte Publikum auch das 19. Jahrhundert: Historienmalerei, Weltausstellungs- und Kristallpalastarchitektur, das meisterhafte Kunstgewerbe der Ära Königin Viktorias von England, Kaiser Franz Josephs, der Wilhelminischen Zeit, des phantastischen .Wittelsbachers, Ludwigs II----Und Wien speziell entdeckt, ähnlich wie vor einem Jahrzehnt den Jugendstil, nun endlich die Kunst der Ringstraßenzeit, die Epoche ihres ungekrönten Königs, des Malers Hans Makart.

Ansätze zu einer Renaissance sind unverkennbar: Seit der Monumentalausstellung „Makart — Triumph einer schönen Epoche“, 1972 in der Kunsthalle Baden-Baden, verzeichnet auch die bedeutende Makart-Sammlung der österreichischen Galerie neue Besucher-Frequenzen. Frodls vorzügliche, kritisch pointierte Makart-Monographie, die vor kurzem im- Sälzburger Residenz-Verlag herausgekommen ist, wurde zum Verkaufserfolg. Das österreichische Fernsehen bereitet eine Dokumentation der „Ringstraße“ und ihrer Künstler vor. Und nachdem bereits vor Wochen Makarts 11 Meter langes, 3,80 Meter hohes Monstergemälde „Venedig huldigt Catarina Cornaro“ nach gründlicher Restaurierung in einem Saal der Hermes-Villa im Lainzer Tiergarten aufgestellt worden war, wurde dort nun auch die Ausstellung „Makart — Entwürfe und Fantasien“ eröffnet. Ein Versuch, den unbekannten Makart der eigenwilligen Skizzen, Etüden, Versuche zu entdecken und durch gründliche Kenntnis der Vorstudien auch den Zugang zu manchen seiner Werke zu erleichtern. Ein Versuch im idealen Rahmen. Denn für diese Jagdvilla der Kaiserin Elisabeth hat Makart selbst eine Reihe von Dekorationsentwürfen gemalt.

Phantasien eines von rauschhaften Farbenvisionen Besessenen... Das ist es, was sich dem staunenden Besucher bietet: Denn in diesem Rahmen ist Makart nicht der kalt berechnende Orgienarrangeur, der genau Effekte austüftelt, architektonische Wirkungen mitkalkuliert, Auftraggebern • mit diesem und jenem Detail gefällig ist. Hier gibt sich ein Eigenbrötler der Farbe Rechenschaft, hier versucht und experimentiert er im Kleinen, hier formt er Vorstellungen: Momenteinfälle für ein Bacchanal — etwa in der luftig hingepinselten ölstudie von 1867, die auch das Ausstellungsplakat ziert — dekorative Details für Plafonds, von denen Berge von Blumen herabzufallen scheinen, Modisches, Architektonisches ... etwa die ölentwürfe für einen Prunk- und Kunstpalast (1883) mit märchenhaften Marmorgalerien, Statuenreigen, Kuppeln — übrigens Entwürfe, die Wiens Kritiker schockierten, denn sie argwöhnten nicht ganz zu Unrecht, daß Makart die Hofstallungen Fischers von Erlach abreißen und seinen Palast an deren Stelle errichten lassen wollte.

Auch Makarts Entwürfe für seinen großen Staatsauftrag „Sieg des Lichts über die Finsternis“ gehören in diese Kategorie: War doch die Monstervision dieser Apotheose der Kunst für das Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums gedacht. Die zugehörigen Lunettenbilder wurden im Mai 1883 fertig, das große Mittelbild blieb wegen Makarts fortschreitender Paralyse im Rohzustand. (Michael von Munkäcsy schuf später ein Ersatzgemälde.)

Betrachtet man diese Studien aufmerksam, so fällt auf, daß sie all das betreffen, was Makart für notwendig und würdig befand, das Leben zum Gesamtkunstwerk hochzustilisieren, zur festlichen Vision. Eine Idee, in der er bis zu seinem Tod schwelgte: Das Leben als phantastisch inszeniertes Theater. Das war es, was Wiens Gesellschaft in Bann schlug, den Wienern den Atem raubte; davon, wie von seinem Schwärmen, Wien in den gebrochenen Rotgold-Glanz des Venedigs Tizians zu tauchen, über der Donaumetropole den glühenden Farbenluxus des venezianischen Barocks auszubreiten, waren seine Zeitgenossen bis zur Ekstase entzückt.

Aber was hatte Wien dem Magir der Farbe, dem Zauberer auf den Monsterleinwänden alles zu verdanken?

Die Berufung des jungen Salzburgers, -der gerade Carl von Pilotys Atelier verlassen hatte, von München nach Wien (1869) hatte vor allem kunstpolitische Ziele: Kaiser Franz Joseph wünschte, seiner Residenzstadt, die mitten drinsteckte in den Bauarbeiten für ihren Prachtboulevard, den Ring, endlich auch wieder malerischen Impetus zu geben. Wien mußte sich gegen Berlins Kunstaufstieg, gegen Münchens Kunstdominante, gegen die hochfliegenden Pläne Budapests und Prags behaupten. Makart, der jugendliche Fanatiker, sollte Wien wieder den Ruf großer Maltradition schaffen.

Makart ließ sich das bezahlen! Österreich kaufte seinen „Tod der Julia“, überließ ihm eine luxuriöse Wohnung und ein sagenhaft schönes Staatsatelier und richtete alles nach seinen Wünschen ein. Es wurde jenes berühmte Makart-Atelier in der Gußhausstraße, wo er seine weltberühmten Feste feierte: Richard Wagner, Lenbach, Gottfried Semper, Burgstars wie Charlotte Wolter, die Primadonnen der Oper, Dichter, Europas Hocharistokratie und die schönsten Frauen Wiens waren hier oft zu Gast. Viele von ihnen hat Makart gemalt: die Wolter mehrmals als „Sterbende Kleopatra“, auch als Kaiserin Messalina, die Fürstin Liechtenstein als Mädchen im Schleierkleid beim „Triumphzug Karls V.“, andere Damen der Gesellschaft in „Catarina Cornaro“ ...

Wien dankte ihm auch jenen denkwürdigen Huldigungszug für die silberne Hochzeit Kaiser Franz Josephs und Elisabeths, bei dem 14.000 Statisten in historischen Kostümen mitwirkten und Makart selbst, hoch zu Roß, im Renaissanceprunkgewand, dem Kaiserpaar huldigte. Und dann dankte ihm Wien die Kreation eines Lebensstils schlechthin. Seit er sein eigenes Atelier in üppigster Weise zu gestalten begann — „asiatischer Trödelladen“ schimpfte etwa sein Akademierivale Anselm Feuerbach —, gab das Makart-Arrangement Stil und Ton an. Seinen Triumph feierte er, als er vom Industriellen Nikolaus Dumba den Auftrag erhielt, das Arbeitszimmer in dessen Ringstraßenpalais in venezianischer Renaissance zu gestalten... Ein Meisterwerk üppigster Raumkunst entstand, eine ebenso eigenwillige Schöpfung wie das Speisezimmer Gustav Klimts für Dumba. Das ganze Ensemble wurde übrigens vor 1938 unverständlicherweise, ja barbarischerweise zerstört, Möbel und Bilder verkauft, so daß man nur noch nach Photos Makarts Leistung beurteilen kann. (Makarts Gemälde für Dumba fanden sich übrigens vor kurzem bei einem Pariser Händler).

Doch bald nach seinem Tod sollte der Rückschlag folgen: Seine Bilder wurden als Verfallszeichen des Geschmacks abgeurteilt. Er, der selbst ein großer Neuerer, ein Kämpfer gegen Schablonen, ein Verfechter eines damals neuen Illusionismus war, wurde von der Jugend der Jahrhundertwende demonstrativ begraben, vergessen.

Ein Drei viertel Jahrhundert ist seither vergangen. Die Wiederentdek-kung Makarts bahnt sich endlich an. Vergessen machen kann sie das Unverständnis nicht, das ihm nach aller Vergötterung widerfahren ist: Nach seinem Tod wurde sein auf 200.000 Dollar geschätzter „Frühling“ um 4500 österreichische Schilling verschleudert, ohne daß sich in Wien einer von seinen Fans dafür gerührt hätte; 50 seiner besten Zeichnungen landeten bei einem Trödler, obwohl die Albertina kaum eine Makart-Skizze besitzt; 33 ölskizzen brachten es auf der Auktion nach seinem Tod gerade noch auf 315 Gulden. — Aber zu hoffen bleibt, daß man jetzt die Chance nützt, Makart eine kunsthistorisch gerechtere Beurteilung als einem der Originellsten der Ringstraßenzeit zuteil werden läßt; unbeschadet dessen, daß er, wie viele seiner Zeitgenossen, für viel Geld auch im Rekordtempo eine Menge Zweitrangiges produziert hat.

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