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Ein Modell der Rückkehr

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Der „Osservatore Romano” übte jüngst heftige Kritik am Buch „Einheit der Kirchen” von Karl Rahner und Heinrich Fries. Dazu eine katholische und eine evangelische Stimme.

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Der „Osservatore Romano” übte jüngst heftige Kritik am Buch „Einheit der Kirchen” von Karl Rahner und Heinrich Fries. Dazu eine katholische und eine evangelische Stimme.

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Es liegt in der Natur der Sache, daß die ökumenische Diskussion, nachdem in hohem Maß die Fähigkeit zu gemeinsamer Theologie und Praxis erzielt wurde, einerseits auf die letzten, harten Punkte stößt, andererseits von der Ungeduld gepackt wird, jetzt müßten doch endlich konkrete Schritte der Einheit geschehen.

Eben hier hat das Buch von Karl Rahner und Heinrich Fries seinen Ort. Es müssen endlich „genauer und konkret in gemeinsamen Überlegungen die Bedingungen” festgestellt werden, „unter denen jede bisherige Kirche eine baldige Einheit für möglich hält”. Es ist • das unbestreitbare Verdienst der beiden Theologen, den Finger auf eben diese dringliche Aufgabe gelegt zu haben. Wenn ihnen nun vorgeworfen wird, ihre Thesen „rauben dem katholischen Glauben seinen Inhalt”, geht diese Kritik völlig an ihrer Intention vorbei.

Ebenso ist aber auch zu sagen, daß beim Versuch, die wirklich harten Punkte auf den Tisch zu legen, scheinbar notwendigerweise ein altes, schon vergessen geglaubtes Ökumenismus-Modell verändert, aber dennoch zurückkehrt: das Modell der Rückkehr.

In den Thesen wird das Petrusamt modifiziert dargestellt, aber durchaus im Einklang mit der Norm; aber von den anderen Kirchen wird erwartet, daß sie den römischen Papst als konkreten Garanten der Einheit annehmen. Die Ordination muß hinkünftig so vollzogen-werden, daß ihre Anerkennung der römisch-katholischen Teilkirche keine Schwierigkeiten bereitet. Hier, aber auch in allen anderen Thesen, ist die römisch-katholische Kirche die einzige Bezugsgröße.

Auch in den Erläuterungen, in denen ausführlich auf bisher erarbeitete Konsenstexte eingegangen wird, bleibt dieser Blickpunkt gewahrt. So wird zwar eine Reihe von Konvergenzen sichtbar, aber die entscheidende Frage, aus welchem Grund die anderen Teilkirchen sich etwa unter das Petrusamt des römischen Papstes stellen sollten, außer dem, daß die römisch-katholische Kirche nur so Kircheneinheit verwirklichen kann, wird nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet.

Dazu sind wir aber nicht in das ökumenische Gespräch gegangen, dazu hoffen wir nicht auf die Einheit im Geiste Christi, um uns dann schlußendlich doch nur der Macht des Faktischen zu beugen! So hat dieses Buch nur gezeigt, wie weit entfernt eine kirchliche Einigung im Vollsinn derzeit noch zu sein scheint.

Es ist aber doch auch eine andere Frage zu stellen: Gesetzt den Fall, daß das Modell von Fries und Rahner wirklich zur organisatorischen Einigung der Kirche führen könnte, ist eine glaubwürdige Einheit der Kirche dann gegeben? Haben nicht schon längst ganz andere Fragen, quer durch die Konfessionen, die Einheit der Kirche in Frage gestellt? Zu denken ist an die Fragen globaler Gerechtigkeit, wie sie etwa durch die Befreiungstheologie aufgeworfen worden sind, oder des Friedenszeugnisses. Wird die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht durch die Uneinigkeit hier noch ungleich mehr in Frage gestellt?

Gewiß, es könnte sein, daß es der Kirche leichter fällt, den richtigen Weg in diesen Fragen zu finden, wenn sie konfessionell geeint ist. Es könnte aber auch sein, und viel spricht eher dafür, daß eine intensive Bemühung um die Einigung der Kirche die Fragen von heute in den Hintergrund treten läßt. In ihnen geht es aber doch um mehr: ob nämlich die Kirche auf der Spur ihres Herrn ist.

Dr. Johannes Dantine ist Univ.-Doz. für Systematische Theologie (A. B.) an der Universität Wien und evangelischer Pfarrer in Wien-Gumpendorf.

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