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Ein Monstrum gegen Krems

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Heftige Wellen des Protests gegen den geplanten Neubau der Strafvollzugsanstalt Stein. Denn an Stelle des jetzigen Zellentraktes, im Kern ein ehemaliges Klostergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, sollen, keine zwei Kilometer von Krems entfernt, zwei L-förmige Gebäude mit je sieben Geschossen errichtet werden. Das bedeutet, daß das Stadtbild von Krems-Stein, durch Häuser mit nur zwei bis drei Geschossen stark horizontal gegliedert, von zwei Giganten überragt würde, deren Höhe 23 und 25 Meter betragen soll.

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Heftige Wellen des Protests gegen den geplanten Neubau der Strafvollzugsanstalt Stein. Denn an Stelle des jetzigen Zellentraktes, im Kern ein ehemaliges Klostergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, sollen, keine zwei Kilometer von Krems entfernt, zwei L-förmige Gebäude mit je sieben Geschossen errichtet werden. Das bedeutet, daß das Stadtbild von Krems-Stein, durch Häuser mit nur zwei bis drei Geschossen stark horizontal gegliedert, von zwei Giganten überragt würde, deren Höhe 23 und 25 Meter betragen soll.

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Der jetzige Bau erreicht eine Höhe von maximal 14 Metern. In dieser drohenden Verunzierung seiner Stadt sieht der Bürgermeister von Krems, Harald Wittig, einen Anschlag auf alle bisherigen Bemühungen um die Erhaltung des Stadtbildes. Von seiten der Bevölkerung wie der Verwaltung der Stadt wurde mit viel Engagement und unter Aufwand erheblicher finanzieller Mittel für die Ortsbildpflege derartiges geleistet, daß Krems heute als europäische Modellstadt auf dem Gebiet des Denkmalschutzes und der Altstadtsanierung gilt.

Denkwürdig ist schon die bisherige Geschichte des Bauprojekts für die Häftlinge. Werkstätten- und Verwaltungstrakt in Stein sind bereits seit einiger Zeit fertiggestellt, über die weitere Planung des Zellentraktes wurde der Bürgermeister von Krems nicht informiert. Nach seinem Amtsantritt am 10. Juni 1976 wurde er erst durch eine Bautafel an der Steiner Straße auf die bevorstehende Verunzierung des Kremser Stadtbüdes aufmerksam. In Alarmstimmung versetzt, mußte er sich weitere Informationen erst einmal mühsam verschaffen. Dabei stellte sich heraus, daß auch ein Modell des geplanten Baues existiert, allerdings nur zur Verfügung des Direktors der Strafanstalt Stein. Ein an Minister Broda gerichtetes Schreiben gegen das Bauprojekt machte den Anfang der Verhandlungen mit Justiz- und Bautenministerium. Am 4. Mai 1976 erklärten anläßlich eines ersten Gesprächs mit Vertretern des Bauten- und des Justizministeriums, der Stadt Krems und des Bundesdenkmalamtes die Befürworter des Neubaues, daß dieser durchaus nicht störend wirken’ und ohnedies schön sein werde.

Von Anfang an hatte Frau Minister Firnberg dezidiert erklärt, daß die vom Bundesdenkmalamt geforderte Erhaltung der Außenfassade des jetzigen Gebäudes an der Steiner Straße zugunsten der Ensemblewirkung heute „nicht mehr aktuell” sei. Mit dieser Rückendeckung verhärtete sich die Front des Bundes.4Bei einem weiteren vom Justizminister initüerten Gespräch am 29. September akzentuierten sich die verschiedenen Meinungen zur bestehenden Sachlage, und es wurde von Minister Broda der Antrag gestellt, ein Fachgremium Lösungen ausarbeiten zu lassen. Die vom planenden Architekten Horak vorgelegten drei Abänderungsvorschläge wurden infolge der minimalen Veränderungen abgelehnt, die von der Stadt Krems erbetenen Abänderungsvorschläge in Anwesenheit der Minister Fimberg, Broda und Moser verworfen und festgelegt, daß der Antrag auf Abbruchgenehmigung vom Bautenministerium an das Bundesdenkmalamt zu stellen sei.

Lediglich zu einer Reduktion der sieben auf sechs Etagen war man schließlich bereit. Dazu kommt, daß der Stadt Krems bis jetzt nicht bekannt ist, ob eigentlich ein Wettbewerb über die architektonische Planung ausgeschrieben war. Wie Professor Koepf von der Technischen Universität Wien in seinem Gutachten feststellte, ist außerdem die Zeichnung in Krems-Stein falsch, sie differiert gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten um 15 Meter.

Ein daraufhin gebildetes Aktionskomitee gegen den Neubau der Strafvollzugsanstalt Stein, dem bis jetzt unter anderen die Professoren Koepf vom Institut für Baukunst und Bauaufnahme der Technischen Universität-Wien, Schmidinger vom österreichischen Kulturinstitut in Rom, Gradmann von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, Schmidt vom Kunsthistorischen Institut der Universität Wien, Peichl von der Akademie der büdenden Künste Wien und noch eine weitere Reihe von Fachleuten aus dem In- und Ausland angehören, suchte durch Briefe an die zuständigen Stellen, in den Massenmedien, durch Interviews die Öffentlichkeit auf diese Probleme aufmerksam zu machen.

In einer Resolution wird die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob ein Bau, wie er in Krems geplant ist, an städtebaulich kritischer Stelle erfolgen muß. Als Verbindung zwischen den beiden Stadtteüen Krems und Stein, als „Gelenk”, muß sich der Neubau dem Stadtbüd anpassen, in diesem Fall einem stark horizontal gegliederten. Durch ihre Höhe würden nun die beiden geplanten Gebäude zum Mittelpunkt und die beiden Altstadtkerne mit ihren Baumassen erdrücken. Die städtebauliche Einheit wäre damit ein für allemal zerstört. Nebstbei wäre der Neubau auch ein äußerst störender Eingriff in das „Landschaftsschutzgebiet Wachau”, an dessen östlicher Grenze das Projekt gebaut werden soll.

Der jetzige Bau, ein ehemaliges Kloster mit Kapelle, die schon seit jose- phinischer Zeit profaniert ist, ist relativ gut erhalten. Die Beibehaltung der Vorderfassade und die Sanierung des Traktes sind auch finanziell sehr über- legenswert, wenn man bedenkt, daß 20 bis 30 Millionen Schilling für Denkmalschutz in Gesamtösterreich aufgewendet werden, für das Projekt in Stein aber 500 Millionen zur Verfügung stehen. Eine weitere Vergrößerung der Anstalt wäre nun auch durch ein Grundstück-Verkaufsangebot von lokaler Seite möglich. Der Neuerwerb dieser Flächen würde rund 20 Mülionen kosten, war allerdings zur Zeit der Planung der Neubauten noch nicht möglich.

Die Mitglieder des Aktionskomitees betonen überdies, mit diesem Monsterprojekt einer Haftanstalt werde dem Strafvollzug eine zu hohe absolute Wertigkeit zugeschrieben, er könne „nicht das zentrale Anliegen unserer Gesellschaft sein”. Wie auch der Bürgermeister von Krems betonte, lege die Stadt keinen Wert darauf, die größte Haftanstalt Österreichs, ein „Zuchthaus-Denkmal”, zu besitzen. Vom Standpunkt der Architekten wiederum präsentiert sich der Baugigant als Bastard zwischen Repräsentationsbau, Statussymbol und Funktionsbau. Zudem ergäbe sich, sollte der Neubau ohne Abänderung genehmigt werden, ein Präzedenzfall, der weiteren Monsterbauten - über den Kopf der lokalen Willensbüdung hinweg - Tür und Tor öffnen könnte.

Die Situation ist festgefahren, der Bund will auf dem vorhandenen Plan, der ohnehin gut sei, bestehen und ist zu einer Umplanung, die drei bis vier Millionen kosten würde, nicht bereit.

Nach der rechtlichen Lage hat die Stadt Krems, da der Bund Eigentümer und Bauwerber des Projekts ist, nur Parteienstellung. Zuständig ist das Landesbauamt. Noch ist die Planung des Zellentraktes in Diskussion, nicht genehmigt und bauverhandelt. Präsident Thalhammer vom Bundesdenkmalamt zufolge, sieht man sich dort nicht in der Lage, über den Neubau mitzudiskutieren. Der bestehende Bau in Stein wurde zwar als erhaltenswert empfohlen, doch liegt darüber noch kein Bescheid vor. Vor kurzem wurde von der Baubehörde ein schriftlicher Antrag um Abbruchgenehmigung eingereicht, der noch nicht besprochen wurde.

Zum Problem der Häftlingszahlen - der bestehende Zellentrakt faßt 800 bis 900 Insassen, der Neubau soll eine Kapazität von 1000 haben - erklärt Staatsanwalt Pickl, daß wohl seit der Strafrechtsreform eine Senkung der Häftlingszahlen zu registrieren sei, aber die Gesamtzahl - 8000 - Ende November 1976 höher liegen als 1975. Der geplante Neubau, als Jahrhundertbauwerk (miß-)verstanden, müsse in seinen Dimensionen den bereits bestehenden Werkstätten entsprechen, eine Verkleinerung des Zellentraktes sei daher wirtschaftlich nicht vertretbar.

Als Strafvollzugsanstalt nimmt Stein Häftlinge mit Haftstrafen von einem Jahr aufwärts auf, im Sinne der Reform rechnet man nicht mit einer weiteren Steigerung der Häftlingszahlen. Sollte die vergrößerte Kapazität nun nötig sein oder nicht - für den Wirtschaftsbetrieb sei der Bau im geplanten Ausmaß unerläßlich, sei diese Belagstruktur nicht gegeben, wäre das „unwirtschaftlich”. Ein „Häftlings- Plansoll” also für die Justiz, um einen überdimensionalen Häftlingssüo rationell führen zu können?

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