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Ein Musentempel besonderer Art

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Heißumfehdet war der Neubau des Burgtheaters. Durch den lyraförmigen Grundriß bedingt, waren Sicht und Akustik schlecht, erst der Umbau 1897 verbesserte beides.

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Heißumfehdet war der Neubau des Burgtheaters. Durch den lyraförmigen Grundriß bedingt, waren Sicht und Akustik schlecht, erst der Umbau 1897 verbesserte beides.

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Am 14. Oktober 1888 bejubelte das „Illustrirte Wiener Extrablatt“ die Eröffnung des Burgtheaters an der Ringstraße als „Ehrentag der deutschen Schauspielkunst“, nachdem zwei Abende zuvor die letzte Vorstellung, Goethes „Iphigenie auf Tauris“, im alten Haus auf dem Michaelerplatz unter ergreifender Anteilnahme von „tout Vienne“ (Neues Wiener Tagblatt, 13. Oktober 1888) stattgefunden hatte. Die Eröffnung des von Gottfried Semper und Carl Hasenauer nach knapp vierzehnjähriger Bauzeit errichteten Gebäudes feierte man mit Beethovens „Weihe des Hauses“, einem szenischen Prolog von Josef Weilen, Grillparzers „Esther“-Fragment und Schillers „Wallen-steins Lager“.

Das Festprogramm der Eröffnungsvorstellung entsprach durchaus dem Vortrag der Architektur. In Gottfried Semper hatte man den bedeutendsten Architekten auf dem Gebiet des Theaterbaues mit der Ausführung des Burgtheaters betraut. Wie Richard Wagner und Hans Makart war auch er von der Idee des Gesamtkunstwerkes durchdrungen: Mehr noch als im Kunsthistorischen und im Naturhistorischen Museum sollte im Theaterbau ein Sakralraum geschaffen werden. Dem realen Sein, das zu überwinden dem Denken des Historismus Lebensaufgabe war, sollte die Scheinwelt der Imagination entgegengestellt werden, die als einzige den Erlösungsanspruch für sich fordern durfte.

Dieser Konzeption zufolge fand das Dasein der Räume ihre spezifische ' Deutung in dienender Funktion. In manchen Bereichen ist diese Sinngebung der Architekten nach wie vor lesbar und erlebbar. So dienen die Feststiegen in ihrer Monumentalität als Kommunikationsmittel zwischen Sein und Schein, hier soll Wirklichkeit zur Wahrheit potenziert werden.

Im zentralen Bereich des Bauwerks jedoch, im Zuschauerraum, ging diese von so bemerkenswerter Intellektualität geprägte Formel vom Wechselspiel zwischen allegorischer Gestalt und programmatischer Aussage nicht auf.

Wie sollte man es deuten, daß man, nachdem entgegen Sempers Konzept geschlossene italienische Logen eingerichtet worden waren, aus 32 der 88 Logen die JSühne kaum sah. Der lyraförmige Grundriß des Zuschauerraumes bescherte die gleichen Sichtprobleme aber auch jenen Besuchern, die in den entsprechenden Ausbuchtungen im Parterre und auf der vierten Galerie ihre Plätze einnahmen. Den Theaterfreunden des Stehparterres nahm die von der Festloge herabhängende Draperie die Sicht.

Aber damit nicht genug, und auch nicht genug damit, daß die Bequemlichkeit auf vielen Sitzen mehr als zu wünschen übrig ließ, bescherte auch die Akustik des neuen Gebäudes keine Freude. Die euphorische Vorschau, die das „Illustrirte Wiener Extrablatt“ am 14. Oktober 1888 gab, entsprach der Wirklichkeit nicht: „... der Kaiser hat in seiner Residenz einen Musentempel sonder-art errichtet, und heute Abends öffnen sich die Pforten des neuen prunkvollen Hofburgtheaters, um den gottbegnadeten Priestern der recitirenden Kunst und allen Jenen Einlaß zu gewähren, welche Herz und Sinn besitzen, sich an den Meisterwerken der Dichtkunst zu erfreuen, zu erheben, zu begeistern...“

Nun, erheben mußte man sich, um zu sehen, es fiel schwer, sich zu begeistern, denn auch das Hören bereitete mehr Mühe als Freude. Schon nach den ersten Proben vertraute Ludwig Gabillon seinem Tagebuch seine Angst vor der Akustik des Hauses an und klagte später an der gleichen Stelle: „Das alte Burgtheater war meine eigentliche Heimat, dieser neronische Zirkus wird's niemals werden, und lebte ich hundert Jahre“.

Ludwig Speidel gar, der gefürchtete Theaterkritiker, erhob in der „Neuen Presse“ die Forderung, entweder ein neues Haus zu bauen, das dem ursprünglichen, alten und einfachen gliche, oder den Prunkbau an der Ringstraße so zu verändern, daß kein Stein auf dem anderen bliebe. Nun, Speidels Forderung wurde nicht gleich erfüllt, zu teuer war der Neubau gewesen und zu teuer war nun der Theaterbetrieb, als daß man sogleich an Adaptierungen hätte denken können. Erst 1897 fand jener, von so vielen zu Recht geforderte Umbau des „eleganten Sarges“, wie Speidel höhnte, statt. Diese baulichen Veränderungen gingen Hand in Hand mit Veränderungen in der Direktion.

Der Autor ist.Direktor der Museen der Stadt Wien.

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