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Ein neuer Rassismus

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Am 9. April wurden zwei senegalesische Bauern in dem kleinen Dorf Diawara an der Grenze zu Mauretanien von mauretanischen Zöllnern getötet. Der Grund: eine Rauferei zwischen mauretanischen Viehzüchtern und senegalesischen Bauern.

Solche Konflikte verschiedener Bauemgruppenkommenhäufig vor. Aber warum kam es diesmal zu einer blutigen “Vendetta“ gegen Mauretanier in Dakar und gegen Senegalesen in Nouakchott?:

Mauretanien durchlebt seit 1080, dem Jahr der offiziellen Aufhebung der Sklaverei, eine soziale und politische Krise. Diese basiert auf einem manchmal offenen, manchmal verborgenen Rassismus der Bidany (arabisch-berberische Bevölkerung im Norden) gegenüber der schwarzen “negro-afrikanischen“ Bevölkerung senegalesischer Abstammung im Süden-

Die schwarze Bevölkerung fordert mehr Anteil an der Macht und ein Ende der Diskriminierungen. Im Oktober 1987 gab es einen Umsturzversuch: die schwarzen Offiziere wurden als Initiatoren beschuldigt. Die Folge waren Repressionen, Inhaftierungen und Exekutionen.

Zu diesem sozio-politischen

Aspekt kann man einen ökonomischen hinzufügen: Die Bidany ziehen von ihren angestammten Gebieten im Norden, wo Dürre herrscht, in den Süden an die Ufer des Senegal-Flusses - dem Grenzfluß zwischen Mauretanien \md SenegaL Vom Ausbau dieses Flusses (Wasserkraftwerke \md Bewässerungsanlagen) wollen die “Umsiedler“ profitieren; die schwarze Bevölkerung fürchtet, die Erde ihrer Vorfahren zu verlieren.

Daß die Polarisierung des Rassenkonfliktes nicht geringer gewor^ den ist, zeigen Auseinandersetzim-gen Anfang Mai in Dakar, bei denen es nicht weniger als 50 Tote gab, und Ausschreitungen in Nouakchott mit mehr als 200 Todesopfern.

Wenn diese Aggressionen in Senegal den Charakter der Rache und des Überdrusses gegenüber den Mauretaniem haben, so war das in Mauretanien nicht nur eine Jagd auf Senegalesen, sondern eine organisierte Jagd auf die Schwarzen. In beiden Staaten gab es sofortige Ausweisungen, eine Flugbrücke wurde imter Mithilfe von Fltigzeu-gen aus Algerien, Frankreich, Spanien und Marokko errichtet

Wie die Verwaltung und die verschiedenen Industrieunternehmen in Mauretanien, deren Kader meist Senegalesen waren, weitergeführt werden sollen, bleibt offen. Das Land funktionierte nicht nur dank ihrer Arbeit, sondern wurde auch von ihnen ernährt. Jetzt gibt es keine Fischer mehr. Der Preis für ein Kilo Fisch verdreifachte sich von 80 auf 250 Ouguiya, der lokalen Währung. Die Preise für Gemüse und Obst stiegen um das Vierfache.

Mauretanien hat die internatio nale Gesellschaft zu Hilfe gerufen. Einige Bidany glauben, daß diese Lage ihnen hilft, Herr über ihr Schicksal zu werden. Wird die Geschichte Mauretaniens hinter diesem Konflikt umgemo-delt?Will das Land, das aufgrund der Kolonialzeit zu Schwarzafrika gehört, seine arabische Identität finden (diese Identität hat nur die Hälfte der Bevölkerung), indem es die schwarze Bevölkerung des Landes verweist?

Diese Frage hat ihren Sinn, wenn man die panarabischen Ansichten der arabischen so-zialistischen Baath-Partei (inspiriert von der irakischen Baath) kennt Man muß hoffen, daß es zu keiner Spaltxmg des Landes kommt, weil diese keiner Bevölkerungsgmp-pe dient Der Präsident Mauretaniens, Ould Sid Ahmed Taya, fordert ein einheithches Maviretanien vom Norden bis zu den Ufern des Flusses Senegal. Jetzt führen die mit beiden Staaten befreimdeten Länder \md die Organisation Afrikanischer Staaten (OAU) Gespräche und beraten eine Konfliktlösung.

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