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Ein neues Auto für Frantisek

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190.000 Skodas rollen jähr- lich vom/Fließband des tschecho-slowakischen Au- towerkes. Das marode na- tionale Aushängeschild soll mit westlichem Know-how konkurrenzfähiger werden.

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190.000 Skodas rollen jähr- lich vom/Fließband des tschecho-slowakischen Au- towerkes. Das marode na- tionale Aushängeschild soll mit westlichem Know-how konkurrenzfähiger werden.

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Anton Uhnak hat es geschafft: Endlich kann auch er einen Skoda Favorit 136L sein eigen nennen. Lange mußte er für das Gefährt, das mit 85.000 Kronen drei volle Jahresgehälter verschlang, sparen. Aber die finanzielle Seite war nicht das Hauptproblem: Die Skodawer- ke in Mladä Boleslav (Jungbunz- lau) können die Nachfrage kaum befriedigen. In punkto Motorisie-

rung befindet sich die Tschecho- slowakei auf demselben Niveau wie Portugal. Trotzdem ist unser Nach- barland der einzige Staat in Osteu- ropa, der ein exportfähiges Auto in Eigenregie herstellt.

Von den 190.000 Skodas, die jährlich von den Fließbändern rol- len, werden rund ein Drittel zwecks Devisengewinn im Westen abge- setzt. Und so sind die Wartezeiten lang, was wiederum zur Anwen- dung diverser Tricks reizt, wie die Fälschung der Reihung auf den Wartelisten. Deshalb hat auch Herr Uhnak mit den anderen Interessen- ten eine 14tägige Nachtwache ge- schoben, als die Nachricht vom Eintreffen einer Lieferung neuer Skodas die Runde machte. Mit Schlafsäcken oder Decken ausge- rüstet, bewachte jeder potentielle Käufer das Verkaufsgelände, da- mit nicht einige der Gefährte „un- ter der Hand" verschoben würden.

Daß die Bewohner von Ostöster- reichs Ortschaften mißtrauisch die Luft schnuppern, wenn Kolonnen von Ostautos über die Dorfstraße rattern, ist den stolzen Besitzern derselben wahrscheinlich wurscht. Angesichts der Knappheit an Ge- fährten - in ganz Osteuropa fehlen an die zwölf Millionen Autos - ist man auch über einen tattrigen Trabant froh. In der Tschecho-Slo- wakei werden offiziell lediglich 40.000 von den zwei Millionen PKWs als „ökologisch schädlich" eingestuft. Das heißt, es müssen schon weithin sichtbar schwarze Wolken aus dem Auspuff entwei- chen. Ingenieur Slavomir Straöär, Minister für Schwerindustrie, meinte kürzlich, daß das derzeitige Tempo der Autoproduktion - der nationale Fuhrpark erneuert sich dabei alle 23 Jahre - „vom Stand- punkt der Schäden für die Umwelt unhaltbar" sei.

Pro Jahr kaufen die Tschechen und Slowaken 120.000 Autos, aber nur die Hälfte davon ist jünger als zehn Jahre. Um den enormen Be- darf zu stillen, soll die Produktion ab 1992 auf 500.000 Stück jährlich gesteigert werden. Dann soll auch ein neuer Skoda, Type „Forman", in Serie gehen. Einsicht über die Notwendigkeit, diesen mit einem

Katalysator auszustatten, besteht noch keine. In Mladä Boleslav über- legt man auch angesichts begrenz- ter Eigenmittel Teile des Autos, wie etwa den Motor, von einem auslän- dischen Partner anfertigen zu las- sen.

Das Kapital des Betriebes ist unglaublich dürr: Die Produktions- kosten für einen Skoda betragen 50.000 Kronen. Verkauft wird das vierrädrige Nationalsymbol für 85.000 Kronen. Vom Verkaufspreis erhält Skoda magere 2.100 Kronen zurück. Aber von diesem Geld müssen wiederum 65 Prozent an die Staatskasse rückgeführt wer- den. Übrig blei- ben dann pro verkauftem Sko- da nur mehr lä- cherliche 735 Kronen. Davon müssen Löhne, Forschung und Investitionen ge- tätigt werden. Professor Jifi Danhelka, Spre- cher der Skoda- werke, bezeich- nete kürzlich diese Art des Verfahrens als „unchristliche Ausbeutimg der Firma durch den Staat".

Noch im Vor- jahr wurden im Gefolge der böh- mischen Pere- strojka die Be- triebe auf Selbst- f inanzierung umgestellt (FURCHE 48 / 1989). Der staat- liche Geldhahn wurde zuge- dreht, die Firmen dürfen nun sel- ber Finanzquel- len erschließen. Alles andere wird noch immer „von oben" be- stimmt. Sowohl die Skodawerke als auch die Preßburger Au- tomobilwerke BAZ haben schon westliche Partner ausfin- dig gemacht. Beide warten nun ungeduldig auf das „Jawort" der zentralen Wirtschaftsbe- hörde in Prag. Professor Daft- helka und seine

Kollegen sind erbost: Der Über-gang zur Marktwirtschaft hat bei koda nur Chaos ausgelöst. Ein Skoda soll in Zukunft doppelt so- viel kosten, und damit für viele un- erschwinglich werden. Auch die Zu- lief erfirmen sind sich über die neue Preisgestaltung uneins. Manche üben sich in Preistreiberei, andere werken mit Unterpreisen dem Konkurs entgegen.

Um unabhängiger von den Wir- ren des post-kommunistischen Wirtschaftssystems zu werden, will man bei Skoda am liebsten mit den verläßlichen Deutschen handelseins werden. Dafthelkas Herz gehört BMW. Ein Joint-Venture würde die Effizienz steigern und die Vollbe- schäftigung sichern.

Wenn es gelingt die strukturellen Probleme zu lösen, stellt sich die Branche auch für westliche Inve- storen als lukrativ dar. In den letz- ten Monaten sieht man immer mehr westliche Fabrikate über die böh- mischen Landstraßen ziehen. Die liberaleren Einfuhrbestimmungen haben dazu geführt, daß manche „Kleinunternehmer" billige Ge- brauchtwagen aus dem Westen importieren, diese etwas aufmöbeln

und gewinnbringend weiterverkau- fen. Auch die 3.000 Stück der süd- koreanischen Marke Daewoo, Opel- Kadett-Derivate, gingen Anfang des Jahres trotz des hohen Preises weg wie warme Semmeln.

Wegen der leidigen Preisfrage wurden bisher hauptsächlich Au- tos aus den anderen RGW-Staaten importiert. Aber mit der Nachfrage können auch diese Importe kaum Schritt halten. So gibt es allein für den Lada an die 130.000 Bestellun- gen. Bei dem Tempo der Lieferun- gen können die letzten Besteller ihr Auto vielleicht in 20 Jahren abho- len. Neben dem Schneckentempo bei Produktion und Lieferung wird auch die Neugestaltung des Zah- lungsverkehrs zwischen den RGW- Partnern Anlaß für neue Unzufrie- denheit geben.

Zwischen Mladä Boleslav und Preßburg ist inzwischen ein wildes Gerangel ausgebrochen: Wer wird den großen Fisch - sprich Koopera- tionsvertrag - an Land ziehen? Seit dem Frühjahr gibt es ein verbisse- nes Tauziehen, Standort für eine zukunftsträchtige Autofirma zu werden. Mit nationalistischen Un- tergriffen wird dabei nicht gegeizt.

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