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Ein neues Heimatgefuhl

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Als vor drei Jahren die Aktion „Niederösterreich schön erhalten - schöner gestalten” mit einem Zwei-Millionen-Budget startete, rümpfte mancher blau-gelbe Politiker die Nase. Der „Vater” der Aktion, Landeshauptmann-Stellvertreter Erwin Pröll, hat damit allerdings „Nase” bewiesen. Denn aus der Aktion ist eine „Dorf-emeuerungs-Bewegung” entstanden, die immer breiteren Rückhalt bei den Landesbürgern findet. Inzwischen wurden bereits „Richtlinien für die Dorferneuerung” verabschiedet.

„Der Baustil ist Ausdruck des kulturellen Niveaus und der geistigen Gesinnung”, stellt Bauern-bündler Pröll fest. „Dorferneuerung darf sich daher nicht nur auf Fassadenaktionen beschränken, sie muß zu einem neuen Selbstbewußtsein der Dorfbewohner, zu einem neuen Heimatgefühl im Dorf führen.”

Mit dem Einzug der „gesichtslosen Epoche” in Niederösterreichs Dörfern in den letzten Jahrzehnten hätten nämlich die Dorfbewohner viel von ihrem Selbstbewußtsein eingebüßt, stellt Erwin Pröll fest. „Vieles, was aus der Stadt kam, wurde als moderner, zukunftsweisender, einfach besser angesehen. Und nachgemacht.”

Die Ursachen für diesen Verlust dörflichen Selbstbewußtsein seien vielschichtig, meint der VP-Landespolitiker Pröll. Die Bundespolitik habe in den siebziger Jahren die Ballungszentren einseitig bevorzugt. Wodurch wieder die regionalen Unterschiede vergrößert wurden. „Das gipfelte darin, daß man für Prestigeprojekte in den Ballungszentren Geld genug hatte, während für die Dorf politik kaum erkennbare Impulse gesetzt wurden.”

Pröll räumt ein, daß der Einfluß der „Stadtkultur” auf das Dorf immer vorhanden gewesen sei. Besonders ausgeprägt in der „Gründerzeit” um die Jahrhundertwende. „Aber damals kopierte der Dorfbewohner den Bauund Lebensstil eines städtischen Bürgertums. Dessen Rolle hat heute das Proletariat übernommen. Was heute kopiert wird, ist der Lebensstil der Massen, der sich nicht zuletzt in der Stillosig-keit der Glas-Stahlbetonweise ausdrückt.”

Die „Uniformierungstendenzen”, meint Pröll, werden durch die Mobilität der heutigen Dorfbewohner begünstigt. Pendler übernehmen den neuen „städtisehen Lebensstil”. Zweitwohnsit-zer tragen ihn ins Dorf, Massenmedien in jede Bauernstube. Dazu komme noch die Versuchung des Fremdenverkehrs, der nicht selten zu einer „Verleugnung bodenständiger Dorfkultur geführt hat, weil man der Meinung war, mit Folklore mehr materiellen Erfolg zu haben”.

Erwin Pröll will durch seine „Dorferneuerung” weder den Zweitwohnsitzer aus dem Dorf vertreiben noch zum Dorf der Jahrhundertwende zurückkehren. Abzulehnen sei nur der Versuch, aus dem Dorf ein museumsähnliches Refugium für Stadt-flüchter zu machen. „Das Dorf ist Lebens- und Wirtschaftseinheit. Kulturnostalgie würde jede Weiterentwicklung stoppen” (Pröll).

Durch die Gemeindestrukturreform in Niederösterreich, durch die Schul-Zusammenlegungen und nicht zuletzt aufgrund des Priestermangels unbesetzte Kleinpfarren seien die traditionellen Träger dörflicher Kultur — Bürgermeister, Pfarrer, Lehrer — vielen Dörfern verlorengegangen.

„Dorferneuerung muß aus dem Dorf selbst kommen”, erklärt Pröll dezidiert. Die neuen „Richtlinien” dürfen daher nicht als „Dorf erneuerungs-Verordnung” mißverstanden werden. Die „Geschäftsstelle für Dorferneuerung” — sie ist in der Raumordnungsabteilung der Landesregierung angesiedelt—wird erst aktiv, wenn ein Ansuchen einer Gemeinde, eines örtlichen Vereins oder einer lokalen Bürgerinitiative vorliegt.

Dann überprüft ein „Steuerungskomitee” die örtlichen Dorferneuerungspläne, berät, erstellt Finanzierungspläne, versucht lokale Vorhaben mit regionalen abzustimmen. Erst wenn alles genau durchgeplant und mit den Betroffenen abgesprochen ist — das Hilfsangebot erstreckt sich übrigens auch auf „erneuerungswillige” Stadtviertel —, geht es an die Verwirklichung. Und diese wird von den Gebietsbauämtern mit ihrem Expertenstab überwacht.

Das 12-Millionen-Budget der Landes-Geschäf tsstelle ist nur für Planungsarbeiten bestimmt. Und weil sich jedes Dorferneuerungskonzept an den tatsächlichen Bedürfnissen orientieren soll, arbeiten im Planungsstadium neben Architekten auch Ökonomen, Ökologen, Historiker und Volkskundler mit.

Natürlich gibt's auch für die Verwirklichung Unterstützungen der öffentlichen Hand. Aber getragen werden muß das jeweilige Finanzierungskonzept von den Dorfbewohnern. Pröll erhofft sich übrigens von dieser Aktion zur Schaffung neuen Heimatgefühls im Dorf noch einen wichtigen Nebeneffekt: „Die regionale Wirtschaft — vom Baumeister bis zum Tischler — wird neue Impulse erhalten. Auch in benachteiligten Regionen können dadurch Arbeitsplätze gesichert werden und neue entstehen.”

In einem Land von der Größe und Vielfalt Niederösterreichs kann „Dorferneuerung” nicht über einen Leisten geschlagen werden. Pröll: „Der fatalste Fehler, der uns unterlaufen könnte, wäre die Schöpfung eines ,Nie-derösterreichhauses' ”. Vor „Ho-ruck-Lösungen” schreckt Pröll zurück: „Zwanzig Projekte im Jahr genügen für den Anfang.”

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