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Ein offener Brief als Kritik

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„Wozu glauben“, hieß das ORF-Studienprogramm, welches drei Monate lang im Rundfunk gesendet wurde und, so hört man, überaus erfolgreich war, sowohl was die Anzahl angemeldeter Hörer wie auch, was die faktische Mitarbeit betraf... Aber die Veranstalter haben die Hörer auch wiederholt aufgefordert, Kritik zu üben und, wenn möglich, konstruktive Vorschläge für eine Umgestaltung des „Studienprogramms“ in eine Fernsehserie zu machen. Die nachfolgenden Erwägungen sind ein solcher Versuch — von dessen Auswertung mittels Computer ich mir wenig verspreche; deshalb wähle ich die Form eines „offenen Briefes“.

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„Wozu glauben“, hieß das ORF-Studienprogramm, welches drei Monate lang im Rundfunk gesendet wurde und, so hört man, überaus erfolgreich war, sowohl was die Anzahl angemeldeter Hörer wie auch, was die faktische Mitarbeit betraf... Aber die Veranstalter haben die Hörer auch wiederholt aufgefordert, Kritik zu üben und, wenn möglich, konstruktive Vorschläge für eine Umgestaltung des „Studienprogramms“ in eine Fernsehserie zu machen. Die nachfolgenden Erwägungen sind ein solcher Versuch — von dessen Auswertung mittels Computer ich mir wenig verspreche; deshalb wähle ich die Form eines „offenen Briefes“.

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Meiner Meinung nach wären zahlreiche Mißverständnisse dieses „ORF-Studienprogramms“ nicht entstanden, wenn man bei Beginn genau dargelegt hätte, was es bezweckt und wer konkret dafür verantwortlich zeichnet. Namen allein sagen den meisten Hörern gar nichts.

Abschließend hieß es zwar, die Absicht sei gewesen, „Denkanstöße“ zu geben, aber das kann doch nicht der eigentliche Sinn eines „Studienprogramms“ sein, über dessen Absolvierung sogar Zeugnisse ausgestellt werden?! Studium, welcher Materie immer, setzt zunächst einmal sachliche Information voraus; daran, vor allem, schien es mir zu fehlen!

Der Gegenstand aller Überlegungen war der „Glaube“. Welcher? Eindeutig — das wurde bald klar — der christliche. Grundlage hätte also das den großen Konfessionen gemeinsame „Credo“ sein können. Aber statt von dessen einzelnen Sätzen auszugehen, gaben die Veranstalter der „induktiven Methode“ den Vorzug: sie wollten von allgemeineren, allen vertrauten Begriffen, wie etwa dem der Freiheit, der Verantwortlichkeit oder die Solidarität ausgehend, nur Hinweise geben in Richtung der Glaubenssätze. Das setzt aber nicht nur Kenntnis, sondern auch die Aneignung dieser Sätze schon voraus, und beides ist doch heute in vielen Fällen gar nicht mehr gegeben! Ein Beispiel: der Begriff „Kirche“ wurde — immerhin — mehrfach abgewandelt, aber schließlich reduziert auf die zweifellos richtigen, aber nicht isoliert verständlichen Aussagen: „Die Kirche sind wir!“ und „Die Kirche ist das Zeichen der Liebe Gottes“. Im Glaubensbekenntnis heißt es jedoch „Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“. Was heißt nun eigentlich, „an“ etwas glauben? Das müßte ich doch wissen, ehe ich frage, „wozu“ glauben. (Das könnte dann nämli in diesem Zusammenhang, einen geradezu blasphemischen Klang bekommen!) Aber die Dogmen, obwohl zeitlos gültig, sind anscheinend verpönt, als zu „abschreckend“; dafür wurde dem eifrig mitschreibenden oder -lesenden Hörer eine .Fülle neuer, oft recht beiläufiger und nur bedingt zutreffender „Merksätze“ eingeprägt, an denen er sich orientieren sollte!

So wurde immer deutlicher, daß es eine un- oder überkonfessionelle Einführung in den Glauben eben nicht gibt: sie bleibt ganz im Vagen, die gemeinsamen Ziele werden abgesteckt, aber keine Wege gewiesen! So werden wohl viele Hörer im „katholischen Österreich“ eine Anleitung zum Verständnis der speziell katholischen Ausprägung der christlichen Überlieferung vermißt haben? Zum Verständnis der geschichtlichen Entfaltung der evangelischen Berichte und Lehren und besonders, inwiefern sie „Lebenshilfe“ des katholischen Christen sind... (Da hätten die Fragen etwa lauten können: Was sind eigentlich „Dogmen“, wie kam es dazu, brauchen wir sie überhaupt? Was ist zu verstehen unter „Gemeinschaft der Heiligen“? — Die Sendung über die Heiligen hat ausschließlich von ihrem Vorbild für uns gesprochen; das war, wie so vieles in diesem Programm, nicht falsch und schon gar nicht schlecht, aber unvollständig: rein protestantisch gesehen! Der Aspekt der „Gemeinschaft“ der Heiligen, der Gemeinschaft mit ihnen, verwirklicht in Anrufung, in der Erfahrung ihrer Hilfe durch Fürbitte, durch Stellvertretung, hat gefehlt; da konnte wohl niemandem klar werden, „wozu“ er überhaupt

an die Gemeinschaft der Heiligen „glauben“ soll!)

★

Vor allem die Gestalt, die „Rolle“ der Muttergottes müßte, meine ich,

in einem künftigen Kurs vielseitig beleuchtet werden! Freilich wird man dann auch nicht umhinkönnen, von der Erbsünde in weniger beiläufiger Art zu sprechen, als dies jezt geschehen ist und gar Statements wie jenes, daß nur das Mittelalter Christus als „Erlöser“ gesehen habe, ließen sich dann nicht mehr gut unterbringen! Ein solches wiederspricht auch zwar nicht dem „Zeitgeist“, aber allen dogmatischen und liturgischen Aussagen!...

Fragen wie die folgenden sollten nicht nur aufgeworfen, sondern auch beantwortet werden: Ist es „unbiblisch“, Maria einen Einfluß zuzutrauen und ihre besondere Hilfe anzurufen? — Verdrängt die Verehrung der Muttergottes Christus aus Bewußtsein und Herz der Gläubigen? (Die Antwort erteilt das Magniflkat!) Wie kommt es, daß so viele große Heilige, vom heiligen Bernhard und Dominikus über Grignon von Mont-fort bis hin zum KZ-Heiligen unserer Tage, Pater Kolbe, vollkommen überzeugt davon waren — und ihr Leben lang dafür eingetreten sind —, daß es keinen näheren und sichereren Weg zu Jesus gibt, als den „über“ Maria? Erwuchs die Kraft zu einem Martyrium Wie dem, das Pater Kolbe freiwillig auf sich nahm und singend durchhielt, so lange er noch Atem hatte, wirklich aus einer theologischen Spekulation, oder verbirgt sich vielleicht doch in diesem wie in anderen Fällen eine tiefe eigene Erfahrung hinter der Aussage von der „Mutter der immerwährenden Hilfe“?

Auch ein Wort wenigstens über das vom letzten Konzil und jetzt wieder vom Papst dringend empfohlene Rosenkranzgebet und seine Christo-zentrik wäre wohl angebracht, vielleicht unter Zuhilfenahme des Textes von Romano Guardini..;

*

Schließlich sollte es, wie gewiß nicht nur ich finde, kein noch so

legeres Gespräch über unseren Glauben und die Kirche geben, ohne eine Erwähnung der Stellung des Papstes, ihre evangelische und historische Begründung. Es müßte darüber gesprochen werden, was „Unfehlbarkeit“ heißt; warum die Kirche eine hierarchische Struktur hat, und wo die Grenzen demokratischer Vollzüge in der Kirche liegen. Und schließlich auch darüber, daß nicht nur der Papst die letzte Verantwortung für die Gesamtkirche trägt (wobei es immer wieder zu Maßnahmen kommen kann, die Vielen „Teilkirchen“ schwer verständlich sind), sondern daß auch jeder einzelne Katholik nicht nur zum Gehorsam, sondern

zur aufrichtigen geistlichen Unterstützung des Heiligen Vaters verpflichtet, zur Mit-Bestimmung, Mitwirkung durch das Gebet berufen ist, das niemals zur eilig hingemur-

melten Phrase im Vollzug der Messe erstarren dürfte!

Diese Anregungen werden vielen allzu konservativ, Wenn nicht gar reaktionär erscheinen. Aber liegt das wirklich nur an den Themen, die heute allzu gern „ausgeklammert“ werden, und nicht mehr an dem Wust von Vorurteilen, der sich darum angesammelt hat? Die wir, statt sie in mühsamer Kleinarbeit zu widerlegen, heute allzugern in falsch verstandener Toleranz von den Feinden der Kirche übernehmen?

Ohne Polemik gegen Andersgläubige, aber doch ohne jeden Abstrich müßte, meine ich, unser Glaube dargestellt werden!

Sollte dies nicht möglich sein, weil es sich ja, wie betont wurde, nicht um eine Sendung des „Kirchenfunks“ handelt, sondern um eine — wie man hört, vom Unterrichtsministerium mitflnanzierte — „allgemeinbildende“ Sendung, dann muß doch von vornherein klargestellt werden, daß hier nicht die Lehre der Kirche dargeboten wird, sondern daß nur gewisse gemeinsame humanistische

Überzeugungen aller Menschen herausgearbeitet werden sollen, die etwa an „das Gute“ und den technischen, sozialen und moralischen Fortschritt glauben! Oder diesen für wün-

sehenswert halten. Was durchaus ein Nebeneffekt echten religiösen Glaubens sein wird, aber ganz gewiß nicht sein eigentlicher „Zweck“ ist! Denn das Ziel wäre dann ja, den Hörer oder Seher zum besseren Demokraten oder gar Sozialisten zu machen. Wird diese Tendenz verschleiert, dann wird das Publikum nur die deprimierende Inszenierung des alten Spruchs erleben: „Wess' Brot ich esse, dess' Lied ich singe!“, eines Spruches, an den mancher schon bei der Lektion über die „Freiheit“ gedacht haben mag! Den Respekt vor der Kirche vermehrt ein solches Verhalten aber gewiß nicht!

Abschließend möchte ich fragen, ob die gepriesene „induktive Methode“, die nur von der Erfahrung des Menschen ausgeht, überhaupt geeignet sein kann, das Wesen einer Offenbarungsreligion zu verdeutlichen? Woran wir Christen glauben, das haben sich die Menschen ja gerade nicht selber ausgedacht, es ist ihnen nicht eingefallen; vielmehr hat es all ihre Hoffnungen so sehr übertroffen, daß sie zunächst jeden erdenklichen Widerstand dagegen aufboten! Und dieser Widerstand erwacht in jeder Generation neu. Die alten „Häresien“ leben immer wieder auf unter neuen Namen. Darum muß die Kirche ihnen immer wieder mit Sanftmut, aber auch mit Entschiedenheit entgegentreten ...

Noch nie ist es gelungen, die Botschaft Christi allen Menschen plausibel zu machen. Das kann auch den Massenmedien nicht gelingen, nicht einmal, wenn man sie abschwächt und dem Zeltgeist anzupassen versucht ...

Deshalb sollte man sich vielleicht darauf beschränken, sie den Men-, sehen in möglichst objektiver Weise und in möglichst klarer und eindeutiger Sprache immer wieder bekannt zu machen?

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