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Ein Opfer der Medien Justiz?

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Innenminister Karl Blecha ist zurückgetreten. Ein Opfer der Medienjustiz? Vertreter des Lucona-Aus-schusses verneinen das -über die Fraktionsgrenzen hinweg.

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Innenminister Karl Blecha ist zurückgetreten. Ein Opfer der Medienjustiz? Vertreter des Lucona-Aus-schusses verneinen das -über die Fraktionsgrenzen hinweg.

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öffentliche Meinung und öffentliches Urteil entstehen nicht von heute auf morgen. Der Untersuchungsausschuß kann zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen, aber sie nicht ausschließlich vermitteln. Es ist eine Illusion, jetzt so den Eindruck zu erwecken, als wäre der Untersuchungsausschuß wie ein Gericht, wo unabhängige Richter mit reiner Objektivität säßen.

Was wir als Abgeordnete können und worum wir uns bemühen sollen, ist, daß die Fakten erkennbar werden. Daß wir unsere laufenden Einvernahmen auch der Öffentlichkeit verständlich machen. Ich habe den Eindruck, daß sich auch ein gutinformierter Journalist manchmal schwertut, den einzelnen Einvernahmen — besonders dann, wenn sie mit Fangfragen beginnen und man anfangs eigentlich nicht weiß, wonmi es geht - zu folgen. Auch wir müssen mit der Öffentlichkeit eines Ausschusses erst umzugehen lernen.

Ich bin ein sehr massiver Kritiker der Medienjustiz — nur: Politische Rücktrittsforderungen haben überhaupt nichts mit Medienjustiz zu tun. Ich stelle fest: Im Zusammenhang mit dem Untersu--chungsausschuß hat es aus meiner Sicht Medienjustiz nicht gegeben, aber eine vorgefaßte Meinung - sogar schon vor Beginn der Ausschußberatunfien.

Erfolgs-„Geheimms’*

Was wir als Abgeordnete sicherstellen können, das ist, daß die Öffentlichkeit optimal informiert wird. Dann wird sich jeder Stück für Stück sein Urteil bilden,

mancher sehr schnell, ein änderer wird monatelang zuwarten.

Wir haben uns an ein klares parlamentarisches Prozedere zu halten und haben darauf hinzuarbeiten, daß wir einen fundierten gemeinsamen Abschlußbericht zustande bringen. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir die Differenzen dann öffentlich diskutieren müssen.

Nur eines darf jetzt nicht passieren: daß diese Öffentlichkeit des Ausschusses, die zu hundert Prozent für den großen Erfolg dieses Ausschusses verantwortlich ist, wieder Stück für Stück rückgängig gemacht wird. Der Angriff, der jetzt nyt dem häßlichen Wort von der Medienjustiz gegen die Öffentlichkeit des Ausschusses stattgefunden hat, muß klar und entschieden zurückgewiesen werden. Es darf keine Ein-schüchtenmg von Journalisten,

Berichterstattung und kritischer Öffentlichkeit geben.

Nach Ende des Untersuchungsausschusses werden wir auch grundsätzlich Bilanz zu ziehen haben. Kann man mit diesen positiven Erfahrungen andere Bereiche des Parlaments ebenfalls wieder beleben? Wäre seinerzeit im Umweltausschuß bei den Beratungen über ein PVC-Verbot die Öffentlichkeit zugelassen gewesen, hätten wir schon seit Monaten ein Verbot von PVC in Österreich. PETER PILZ (Grüne)

Eine neue Dimension

Ich bin seit vielen Jahren für die Öffentlichkeit von Beweisaufnahmen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen eingetreten. Und ich bin sehr froh über diesen Erfolg für den Parlamentarismus, den wir mit der Öf-

fentlichkeit des Lucona-Aus-schusses erzielt haben. Das ist eine unwiderrufliche Entwicklung, es wird sich niemand mehr trauen, das wieder hinter verschlossene Türen .pressen zu wollen.

Natürlich haben wir alle, die wir im Untersuchungsausschuß sitzen, Interessen. Wir dienen auch diesen Interessen, wir setzen natürlich auch unsere politischen Akzente. Aber es ist doch durch das Auf-die-Finger-Schauen durch die Öffentlichkeit des Ausschusses zwar kein absolutes, aber ein möglichst hohes Maß an Objektivität vorgegeben. Das wirklich qualitativ Neue ist das, daß der Abgeordnete beobachtet wird: Hat er die Sache „gelernt“? Fragt er den Zeugen ordentlich? Mauert er? Diese neue Dimension hebt das Ansehen der Arbeit der Parlamentarier.

MICHAEL GRAFF (OVP)

Kein Zurück mehr!

Es ist jetzt in den Vordergrund getreten, daß der Abgeordnete ein freier Abgeordneter ist und kein Hampelmann der Parteizentrale durch Klubzwang. Das ist etwas sehr Positives.

Die Öffentlichkeit von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ist jetzt nicht nur in der Geschäftsordnung des Nationalrates verankert, es wäre auch ausgeschlossen, wieder einmal eine Untersuchung nicht öffentlich durchzuführen. Meiner Meinung nach gibt es kein Zurück mehr.

Es hätten auch die Untersuchungsausschüsse der Vergangenheit - AKH, WBO - eine viel größere Aufmerksamkeit genossen, wären sie öffentlich gewesen.

Für das Verhalten und die Meinung des Staatsbürgers ist die Information von ungeheurer Wichtigkeit. Aber diese Information muß auch aufbereitet werden. Dafür liegt die Verantwortimg beim Journalisten. Durch die direkte Teilnahme an den Vorgängen im Ausschuß wird der Informationsgehalt größer. Was er über die Rampe bringt, ist ja auch vergleichbar und meßbar. HELENE PARTIK-PABLE (FPO)

ZusanunengefaBt aus Diskussionsbeiträgen in der Hörfunk-Sendung „Im Brennpunkt“ (20. Jänner) von Hannes Schopf.

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