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Ein Opfer der Politik und des Mißtrauens?

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In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erschienen in Klagenfurt nicht nur wichtige deutsche Publikationen, sondern auch zahlreiche bedeutende Werke der slowenischen Literatur. Die slowenische kulturelle Tradition reicht tief zurück, in die Zeiten der alten Monarchie. Die in den ersten Jahren

nach dem Zweiten Weltkrieg wieder entstandene slowenische Literatur in Kärnten wurde allerdings ein Opfer der Politik, des ideologischen Krieges zwischen den slowenischen Linken und Rechten — aber auch des deutsch-nationalen Mißtrauens.

Die wenigen slowenischen Zeitschriften in Kärnten nach 1945 waren zuerst Familienmagazine, nicht aber solche zur Förderung von Literatur und Kultur. Der Klagen-furter slowenische Verlag der Hermagorasbruderschaft gab vor allem religiöse und erbauliche Literatur heraus. Im Jahre 1960 gründeten junge Autoren eine eigene Zeitschrift MLADJE (Jungholz), die bedeutsam wurde und zu einer raschen Entwicklung der Kärntner slowenischen Literatur in den letzten zehn Jahren entscheidend beitrug.

In MLADJE wurde die erste Stufe der Kärntner slowenischen Literatur nach 1945, das stereotype Fabulieren, überwunden. Einige Autoren schufen eine Art kritischer, sozialer Literatur, die aber noch viele Elemente des traditionellen Stils aufweist. In MLADJE wurde anfangs eine rein ästhetische, formale Auffassung von Literatur vertreten. Aus dieser formalistischen Spielart entstand später eine kritische, offene, für die konkreten Fragen des Alltags nicht blinde Literatur, die sich moderner literarischer Mittel bedient, jedoch nicht l'art-pour-l'artistisch wirkt.

Zu den Autoren, die in MLADJE veröffentlichen, gehört Gusto Janusch (geb. 1939) mit teilweise archaisch und naiv wirkenden, teilweise auch psychologisch begründeten Gedichten. Im Gedicht „Unser Dorf“ schildert er zum Beispiel ein typisches Dorf in Südkärnten. Es geht um bäuerlich-naive Beschreibung, in der Kunst und Leben noch eine untrennbare Einheit bilden. Was Janusch (der auch Maler ist) beschreibt, ist die Bilderfolge der Tätigkeiten im Dorf. Wir sehen den Dichter im Kreise seiner Leute (er ist dort Lehrer), wir sehen ihre Mühen, ihre Hochzeits- und Sterbezeremonien. In anderen Gedichten erblicken wir die Kärntner Landschaft, die in Janusch' Gedichten eine poetische Atmosphäre bekommt. Es ist dies eine Poesie des Sichtbaren, des Irdischen, der Naturnähe. Janusch kann seine „poetischen Erzählungen“ durch' kleine Ironisierungen verschieben: manchmal erleben wir tragisch-komische Situationen, manchmal sogar groben, tragisch-burlesken Spaß.

Zu den älteren slowenischen Autoren, die in Kärnten wirken, gehören die Dichterin Milka Hartman (geb. 1903) mit volksnahen einfachen Versen und der Priester Metod TurnSek (geb. 1909, gest. Ende Jänner 1976), der sein Fabulieren mit Elementen aus der heimischen Folklore verbindet. In der Mitte zwischen der neuen Kärntner slowenischen Literatur und der traditionellen Vari-

ante steht Valentin Polansek mit seinen Gedichten und Geschichten, die er in mehreren Büchern herausgebracht hat. Der jüngere Autor Florian Lipus (geb. 1937) übersetzt oft explosive Themen in oft explosive Prosa. Die Leidenschaft der Literatur Lipus' fließt über in Bitterkeit und Ironie, die ihn oft überkommt. Seine Prosa ist oft sehr emotionell: es sind die Emotionen eines geistig integrierten Schriftstellers, verwoben mit den Symbolen und Metaphern seiner eigenen schöpferischen Phantasie. Janko Messner (geb. 1921), Lehrer am Gymnasium für die Slowenen in Klagenfurt, ist Verfasser von mehreren polemischen Werken. In deutscher Sprache sind seine „Ansichtskarten von Kärnten, Beitrag zum 10. Oktober 1970“ erschienen, er ist aber auch Autor von plastischen, im Kärntner slowenischen Dialekt geschriebenen Aussagen, die beunruhigen. Von anderen slowenisch schreibenden Kärntner Autoren müssen wir noch Andrej Kokot (1936), Erik Prunc (1941) und Karel Smolle (1944) erwähnen.

Die slowenischen Autoren in Kärnten haben sich schon fest in die gesamte slowenische Literatur der Gegenwart zu integrieren vermocht. Sie sind aber auch eine interessante lite-rarische Erscheinung der österreichischen Kulturszene.

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