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Ein Pfeiler für die Brücke

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Vom Klimawechsel in Ungarn und Jugoslawien profitiert besonders die Steiermark. Hüben wie drüben belebt unternehmerischer Geist in Politik, Wirtschaft und Kultur die nachbarlichen Beziehungen.

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Vom Klimawechsel in Ungarn und Jugoslawien profitiert besonders die Steiermark. Hüben wie drüben belebt unternehmerischer Geist in Politik, Wirtschaft und Kultur die nachbarlichen Beziehungen.

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Jetzt ist es also klar, was alle immer schon gewußt haben, viele gehofft und manche befürchtet hatten: die Weltausstellung wird 1995 in Österreich und Ungarn stattfinden. Der Exekutiv-Ausschuß des B. L E. (Bureau International des Expositions) hat Gefallen gefunden an österreichischer Landschaft, an ungarischem Gulyäs, an Lipizzanern und Puszta, an Sängerknaben und Csardas. Die Klischees haben wieder einmal eine Schlacht für Österreich gewonnen.

Dies wäre von vornherein nicht so verwerflich, wenn nicht der gleichzeitige Mangel an Inhalt, an Idee und an Substanz für die in nur etwas mehr als fünf Jahren stattfindende Weltausstellung so erschreckend groß wäre. Einen Slogan hat man wohl schon gefunden („Brücken in die Zukunft“), doch fehlt immer noch der Inhalt zu der vorgegebenen Hülse. Da ändert auch nichts daran, daß sich in Wien eilig einberufen die ewigen Programm-Gurus treffen, um ohne den Rest von Österreich ein kulturell wie wirtschaftlichgleichermaßen wichtiges Mega- Event zu erplanen. (Doch wozu die Eile, ist man versucht zu fragen, steht doch auch für die Expo in Sevilla 1992 noch nichts, was einem Konzept ähneln könnte, da.)

So ist es nicht zu verwundern, daß zumindest in den östlichen Bundesländern der Denkprozeß schon wesentlich weiter gediehen zu sein scheint: Niederösterreich hat sein Konzept bereits von der Landesregierung absegnen lassen, Burgenland steht knapp davor, in Oberösterreich, Salzburg und Kärnten, hört man, wird eifrig an Plänen gebastelt. Und in der Steiermark hat man ebenfalls einen Katalog erstellt, der nunmehr den Entscheidungsträgem vorgelegt und im Herbst in einer steirischen Weltausstellungs-Enquete verfeinert werden wird.

Dabei ist aufgrund der schlep- pendenVorgangsweise in Wien und Budapest klar, daß man sich hier auf einen eigenen Weg der Präsentation des südöstlichen Bundeslandes festgelegt hat, ohne sich einerseits zu sehr an den zukünftigen Inhalten der Expo anzulehnen und dennoch das „Brücken“-Thema verstärkend und anreichemd in eigenständiger Sicht zu behandeln.

Graz war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges durch Jahrhunderte hindurch die wesentliche Drehscheibe in ökonomischer und geistiger Hinsicht zwischen den österreichischen Kemlanden und dem südosteuropäischen und norditalienischen Raum und bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts als einzige Landeshauptstadt durch eine direkte Bahnverbindung mit diesen Regionen verknüpft. Durch die Weltausstellung ergibt sich nun die große Chance (gerade in Zeiten des politischen Aufbruchs in Ungarn,

in Slowenien oder in Kroatien), dieser historisch gewachsenen Funktion wieder näher zu kommen: die Steiermark als Brücke sozusagen, als Brückenpfeiler zwischen verschiedenen Kulturkreisen, zwischen verschiedenen politischen und ideologischen Systemen, zwischen ungleichen Handelsräumen.

Dies stellt den einen Denkansatz, den historisch-geopolitischen und zugleich so zukunftsträchtigen, dar.

Der andere Denkansatz, warum es sich lohnen könnte, sich mit Aktivitäten parallel zur Weltausstellung zu profilieren, liegt naturgemäß darin, daß es möglich ist, wirtschaftlichen Profit für das Land und seine Regionen zu erwerben. Dies bedeutet nicht, daß man sich mit der kurzfristigen Anhebung der Wertschöpfung während eines halben Expo-Jahres zufrieden geben will,fcondem daß sämtliche Aktivitäten langfristige Wirkung haben sollen, um die zu tätigenden Investitionen zu rechtfertigen.

So ist es einsichtig, daß zunächst einmal im Zusammenwirken mit dem Bund wesentliche infrastrukturelle Schwächen behoben werden müssen, bevor man die Ereignisse, die den Touristenstrom verstärken und die Wirtschaft ankurbeln hel fen sollen, definitiv festlegen kann. Dazu zählt nicht nur, daß sich im Straßenbau Wesentliches tun wird (so muß etwa die Südautobahn endlich voll ausgebaut sein, die Verbindung von Graz nach Zagreb ermöglicht, das Bundes- und Landesstraßennetz vornehmlich in der Oststeiermark und im Semmeringbereichverbessertwerden), sondern auch, daß durch das Konzept der NeuenBahn der südost-österreichische Raum an den Normstandard angebunden wird (etwa durch den Bau des Semmering-Basistunnels, der es erst ermöglicht, Güter in straßenentlastendem Ausmaß sicher zu führen, durch den Umbau des Grazer Bahnhofes zu einer Verkehrsdrehscheibe, durch den Ausbau der Ostbahn und der Wechselbahn und deren Elektrifizierung und - als essentiell für die Einbindung des italienischen Raums - die Planting des Koralmtunnels zur Erstellung einer raschen Verbindung zwischen Mailand, Klagenfurt, Graz und Wien und so weiter.

Hand in Hand damit geht der Ausbau des Grazer Flughafens, der nicht nur als Ausweichflughafen, sondern in verstärktem Maß als Enddestination dienen soll, von dem aus Weltausstellungstouristen mit

Bus- oder Flugshuttlediensten nach Wien und Budapest geleitet werden, wobei sie ihr Urlaubsdomizil in der Steiermark behalten. Das Marketing-Konzept für die steirischen Para llel-Aktivitätenzur Weltausstellung sieht eine enge Zusammenarbeit mit den Arge Alpen- Adria-Ländem vor, die höchstes Interesse an einem großangelegten „Mitteleuropa“-Projekt haben, das sich in mannigfaltigen Manifesta-

tionen über einen längeren Zeitraum erstrecken wird (siehe Seite 16). Diesem „kulinarischen“ Tourismus- Erlebnis stehen zur Seite die Errichtung eines Erlebnisparks, der kulturelle wie auch gesellschaftliche und freizeitgerechte Attraktionen enthalten solL Ständig bespielte Theater stehen ebenso auf dem Wunschzettel der Planer wie eine effektivere Vermarktung der Museen, eine verstärkte Einbindung des „styriarte“-Festivals und des „steirischen herbstes“, der Steirischen Akademie und der Kulturschaffenden.

Als ganz wesentlich wird jedoch angesehen, daß sich hier für die Steiermark hervorragende Möglichkeiten bieten, sich als technologisch hochstehendes Land, das wissenschaftlich ungeheuer innovatives Potential besitzt, darzustellen. Der Nutzeffekt liegt darin, daß durch diese Imageverbesserung neue Betriebsansiedelungen und damit die Ansässigmachung hochqualifizierter Arbeitskräfte ermöglicht und beschleunigt werden können. Zu diesem Zweck wird die Errichtung eines Technologieparks vorgeschlagen, der während der Dauer der Expo durchaus publikumsträchtigen Schau-Charakter besitzen soll, danach aber in der Nachnutzung der koordinierten, sachbezogenen Forschung Vorbehalten sein muß.

Mit Hilfe aller geplanten Ereignisse rund um die Weltausstellung, die hier, um nicht voreilig zu sein, nur angedeutet werden, sollte es möglich sein, für die Expo in Wien und in Budapest eine interessante Egänzung und für die Steiermark ein eigenständiges, in der Öffentlichkeit unverwechselbares, neues Ansehen zu erwerben-

Der Autor i t Geschäftsführer des Planung«- komitm für di« Weltausstellung in Sevilla 1992 und Wien/Budapest 1995 innerhalb der Lande»- fremden verkchraabt eil ungder Steiermärkischen Landesregierung.

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