7073625-1993_10_12.jpg
Digital In Arbeit

EIN PLÄDOYER FÜR DEN MISCHWALD

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Welche sind die wichtigsten Fernimmissionen?

PROFESSOR JOSEF POLLAN-SCHÜTZ: Zunächst Schwefeldioxid, das insbesondere von unseren östlichen Nachbarn importiert wird (siehe Graphik). Dann sind es Stickoxide...

FURCHE: Auch importiert?

POLLANSCHÜTZ: Ja, allerdings haben wir da auch ein beachtliches. Kontingent aus eigenem Aufkommen durch den Hausbrand, den Verkehr und erst an dritter Stelle die Industrie. Der Import rangiert dahinter. Dann gibt es noch die Kohlenwasserstoffe, die zur Ozonbildung führen. Letztere ist ein internationales Problem. Diese Luftverunreinigungen spielen eine Rolle in bezug auf den Waldzustand.

FURCHE: Die Fichte scheint damit halbwegs zurechzukommen. Aber wie geht es den anderen Bäumen?

POLLANSCHÜTZ: Die Kiefer und die Eiche sind vom Kronenzustand her nicht gut zu beurteilen. Die Eiche leidet zusätzlich aber vor allem unter dem Grundwasserabsinken und den ungünstigen Witterungsbedingungen. Die am meisten betroffenen Baumarten sind: Im Osten die Eiche und im übrigen Österreich die Tanne. Die Eiche macht etwa zwei Prozent des österreichischein Baumbestandes aus, die Tanne nur mehr drei (vor allem in den Kalkalpen). Sie ist sehr empfindlich gegenüber Schwefeldioxid.

FURCHE: Haben die Erntemethoden Einfluß auf den Waldzustand?

POLLANSCHÜTZ: Leider ja. Es fallen sowohl die Stammbeschädigungen durch das Rotwild als auch jene, die durch die Ernte verursacht wer-' den, ins Gewicht. Das ist ein beachtlicher Wert. Im Wirtschaftswald (Hochwald) sind durchschnittlich acht

Prozent der Stämme geschält und 7,6 Prozent durch Holzernte beschädigt.

FURCHE: Inwiefern wirken sich diese Verletzungen negativ aus?

POLLANSCHÜTZ: Diese Verletzungen bilden Einfallspforten für Fäulnis-Pilze. Die Bäume sterben vorzeitig ab oder werden Opfer von Sturmschäden. Fällungsschäden geschehen vor allem an älteren Bäumen, die ohnedies nur eine kürzere Verweilzeit im Bestand haben. Schälschäden hingegen betreffen vorwiegend die jüngeren Bäumen. Ihre Folgen wiegen daher schwerer. Nicht unbedeutend sind auch die Steinschlagschäden in den Bergwäldern. Im Schutzwald sind es beinahe 18 Prozent.

FURCHE: Welche Maßnahmen würden Sie empfehlen?

POLLANSCHÜTZ: In den tieferen Lagen statt Fichtenmonokultur Mischbestände. Man müßte nämlich pflanzen, was für den jeweiligen Standort tauglich ist.

FURCHE: Ist das nach Gebieten sehr unterschiedlich?

POLLANSCHÜTZ: Ja. In den tieferen Lagen hatten wir ursprünglich Eichen- und Hainbuchenwälder in den wärmsten Zonen, dann Buchenwälder, denen Nadelbäume beigemischt waren. Wir haben das Verhältnis umgedreht: Überwiegend Nadelbäume mit ganz wenig Buche. In manchen Eichengebieten kam es zu einer Verdrängung durch die Kiefer in trockenen und durch die Fichte in feuchteren Gebieten. Letztere hat dort aber überhaupt nichts verloren. Man müßte sich also um Laubwald- oder zumindest um Mischwaldbestände mit hohem Laubanteil bemühen.

FURCHE: Was heißt das in Zahlen?

POLLANSCHÜTZ: Wenn man es aus der Warte der Wirtschaftlichkeit betrachtet, so heißt das: Nur so viel Nadelholz, als der Standort gerade zuläßt, also 60 bis 70 Prozent. Der Rest sollte Laubholz sein. Wenn man aber der natürlichen Zuträglichkeit Vorrang gäbe, dann wäre ein Anteil von 60 bis 70 Prozent Laubwald anzupeilen - jedenfalls im sommerwarmen Osten - und zwischen 600 und 1.000 Meter Seehöhe nadeldominierte Mischbestände. Das wäre ganz wichtig.

FURCHE: Haben sich die Bundesforste eher ökologischen Kriterien aufgeschlossen gezeigt als andere Waldbesitzer?

POLLANSCHÜTZ: Ehernicht. Sie mußten ja dem Finanzminster Geld abliefern. Und das geht am besten mit der Fichte. Das ist mit ein Grund für das Dominieren der Fichte. In den vergangenen Jahrzehnten wurde da rein ökonomisch entschieden. Jetzt allerdings beginnt man umzudenken. Die Fichte ist nämlich „pflegeleicht” und ihr Holz verkauft sich beinahe für alle Zwecke gut.

FURCHE: Wie steht es mit den Walderträgen?

POLLANSCHÜTZ: Der Holzvorrat wird seit 1961 erhoben. Er hat im österreichischen Wald laufend zugenommen. Wir haben einen Wert von durchschnittlich 290 Festmeter pro Hektar erreicht. Ein beachtlicher Wert. Das ist nicht nur auf die Zunahme der Waldfläche (in der letzten Zeit etwa 4.000 Hektar pro Jahr) zurückzuführen. Es kam auch zu einer Steigerung des Holzzuwachs, gerade in den achtziger Jahren. Er liegt deutlich über den Erwartungen.

In Mitteleuropa hat just in der Zeit, als man über das Waldsterben geredet hat, der Zuwachs zu steigen begonnen. Da wirkt mehreres zusammen: eine leicht erhöhte Temperatur, ein zunehmender Stickstoffeintrag (er ist der Hauptnährstoff für die Bäume, derzeit 20 bis 30 Kilo pro Hektar im Wald), eine C02-Zunahme (ein wesentlicher Bestandteil bei der Photosynthese)...

Dr. Josef Pollanschütz ist Professor am Institut für Waldwachstumsforschung der Universität für Bodenkultur in Wien. Alle Gespräche im Dossier führte Christof Gaspari.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung