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Ein Poet der Stille

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Franz Richter bückt, nun da er sechzig wird, auf ein reiches und vielfältiges Lebenswerk zurück. Er begann mit Lyrik und einem Roman, „Diogenes - ultraviolett", und hatte seine ersten Erfolge mit Hörspielen. Es sind dichterische Hörspiele: das Monologische an der menschlichen Existenz wird dargestellt. In „Keine Sintflut für Noah" ist es der Dialog Noahs mit dem Gott in der eigenen Brust. Der gedanklich entscheidende Einfall aber ist, daß Noahs Tochter Elea die rettende Arche nicht besteigen, sondern bei den dem Untergang v geweihten Tieren bleiben will: „Soll ich mich gegen alle Vogelstimmen 'bhäftiieimehrt-mltkömh dürfen?" Elea wird zwar gerettet, aber kurz ehe4 die Taube den Ölzweig bringt und die Arche landet, stirbt sie „den Tod aller... vom Ich erlöst ... ein Wesen, das ihn an Mitleid überboten hat". Es geht, wie man sieht, um ein religiöses Problem. Man würde lange suchen müssen, um ein Stück ähnlichen Tiefgangs zu finden.

Franz Richter hat unter dem Titel „Humanimales" auch Fabeln vorgelegt, die ihm, als einem modernen Äsop, Gelegenheit geben, seine Freude am Fabulieren gründlich auszuleben. Eine der tiefsinnigsten dieser Fabeln heißt: „Der Roboter im Zoo". Darin fühlt sich ein in Reparatur befindlicher Roboter zu der Frage gedrängt: „Wer hat mich gebaut?" Und es wird ihm erwidert: „Warum wollen Sie das wissen? ... Seien Sie froh, daß man Sie überhaupt noch repariert." Aber der Roboter, „romantisch veranlagt", läßt nicht lok-ker und so verweist man ihn an den Zoo, denn „der ist für religiöse Fragen zuständig", und zwar an die „Abteilung für Primattiere und den Käfig mit der Aufschrift ,homo faber' ". Diese Fabel enthält auf knappen drei Seiten eine ähnliche Aussage wie Huxleys Roman „Schöne neue Welt". Der Zigaretten qualmende homo tröstet den gegen . seinen Schöpfer aufbegehrenden Roboter: „Wir müssen alle lernen, mit den Schöpfern nachsichtiger zu verfahren. Mögen die Religionskritiker mit gutem Beispiel vorangehen."

Aus dem bunten Gemisch von Franz Richters übrigen Produktionen sei noch die Sammlung „Im Wendekreis der Blume" erwähnt. Ausgehend von dem Ausspruch Hermann Bahrs: „Wir haben alle weder sehen noch hören noch empfinden gelernt, immer nur wissen" - will der Autor „Hinweise zum Glück dauernder Empfindungsbereitschaft vermitteln". Der „Zwiespalt von Ich und Welt" soll überwunden werden.

Neben diesen Büchern entstanden laufend Franz Richters Gedichte, die bisher in vier Bänden gesammelt sind. In der lyrischen Form hat Richter sein Stärkstes und Bestes gegeben. In dem Band „Kosmo-Rhyth-

mik" stehen Liebesgedichte von einer Zartheit, wie sie heute selten geworden ist.

• In letzter Zeit sind von Franz Richter in verschiedenen Zeitschriften Erzählungen besonderer Art erschienen, in denen sich Lebensbericht und historisches Porträt, biographische Dokumentation und psychologische Entschlüsselung zu einer neuen Darstellungsform verbunden haben. Manche Leser werden sich an August Strindbergs „Historische Miniaturen" erinnert fühlen oder an' Franz Bleis Bücher wie „Männer und Masken", „Himmlische und irdische Liebe". Wenn Jean

Amery Roman-Essays und einen Essay-Roman geschrieben hat, so könnte man bei Franz Richter von Essay-Erzählungen sprechen, eine neue, höchst glücküche Entfaltungsmöglichkeit für seine Begabung. So konnte man u. a. eine Erzählung „Deutscher Fliegerangriff auf .Anatole France" lesen und eine Gi-raudoux-Erzählung „Apollo 44" sowie einen Bericht über Puccinis Leben „Noch zwölf Tage für Turandot". Eine der schönsten dieser Essay-Erzählungen handelt von Hofmannsthal und heißt „Acht Momentaufnahmen eines Schwierigen". Alle sind ebenso farbige, wie im Dokumentarischen belegbare und gleichzeitig die psychologischen Zusammenhänge dichterisch erschließende epische Kunstwerke. Eine Sammlung dieser jüngsten Arbeiten Richters in Buchform wäre sehr zu wünschen.

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