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Ein Politiker mit verrücktem Hirn
Ineinem Rundfunkinterview AXlgab der ungarische ZK-Sekretär Matyas Szuros erstmals zu, die Spannungen zwischen Ungarn und Rumänien hätten sich in letzter Zeit zugespitzt. Rumänien, so Szuros, sei nach wie vor nicht bereit, über die kulturellen und politischen Beziehungen Ungarns zur etwa 1,7 Millionen zählenden ungarischen Minderheit in Siebenbürgen zu sprechen.
Bei der letzten Begegnung der Parteichefs Nicolae Ceausescu und Janos Kadar in den Grenzstädten Debrecen und Oradea im Jahre 1977 ist auf den ausdrückli-
chen Wunsch des rumänischen Staatschefs das Problem der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen aus dem Gesprächsprogramm ausgeklammert worden.
Auf der anderen Seite wird die ungarische KP von der Öffentlichkeit des Landes immer mehr unter Druck gesetzt, für die Rumänien-Ungarn etwas zu unternehmen.
Auf dem Budapester Kulturforum, einer Mitte November abgehaltenen „halb-offiziellen" Begegnung von Kulturschaffenden aus Ost und West, kam das Thema Siebenbürgen mehrmals zur Sprache. Marton Klein, ein hoher Beamter im ungarischen Außenministerium, sorgte für Aufsehen, als er während der Tagung vor der internationalen Presse erklärte, die Lage der drei Mio. Ungarn in den sozialistischen Nachbar-
Staaten habe sich im wesentlichen verschlechtert.
Bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre war die Lage der ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten (Slowakei
400.000, Jugoslawien 500.000 und Siebenbürgen etwa 1,7 Millionen) für die Ungarn kein Thema. Parallel zur öffentlichen Diskussion über das „historische und nationale Verständnis der Ungarn", die in den siebziger Jahren, also 20 Jahre nach dem Ungarnaufstand 1956, von den namhaften Historikern wie Peter Hanak und Gyula Juhacz geführt wurde, wuchs das Interesse der Öffentlichkeit für das Schicksal der ungarischen Volksgruppen im benachbarten Ausland.
Der verstorbene Schriftsteller Gyula Illyse publizierte zur Jahreswende 1977/78 in der Tageszeitung „Magyar Nemzet" erstmals einen Bericht über die Lage der Rumänien-Ungarn. Darin schrieb Illyes wörtlich, in Siebenbürgen werde an der ungarischen Volksgruppe ein „Ethnocid" verübt.
Eine offene Diskussion zum Thema Volksminderheiten gibt es zwischen den beiden Ostblockstaaten nicht. Die Polemik wird
aus „ideologischen Gründen" im Bereich der „Kultur" ausgefoch-ten, allerdings mit einer Intensität, die das Verhältnis der beiden Staaten teilweise schwer belastet. Die in Szeged erscheinende Zeitschrift „Tiszataj" (Theissland) bezeichnete sogar in einem Artikel den rumänischen Parteichef Ceausescu als einen „Politiker mit verrücktem Gehirn", was dann zur vorübergehenden Entlassung des Chefredakteurs Laszlo Vörös führte.
Ende 1982 revanchierten sich die Rumänen mit der Herausgabe eines Essaybandes unter dem Titel „Ein Wort über Siebenbürgen" aus der Feder des Essayisten Ion Lan-cranjan. Darin vergleicht der Autor den Budapester Parteichef Janos Kadar mit dem ungarischen Vorkriegsdiktator Bela Horthy.
Die Lage wird auch dadurch • verschärft, weil in Siebenbürgen seit 1981 eine regimekritische Sa-mizdat-Literatur kursiert, die nicht aus Ungarn stammt, sondern, dort in ungarischer Sprache verlegt, jedoch von den demokratisch gesinnten Budapester Intellektuellen unterstützt wird. Auf dem Budapester Kulturforum ist ein Bericht in englischer Sprache
über den in Rumänien lebenden regimekritischen Dichter Geza Szocs verlesen worden.
Das Kulturforum und das Szü-ros-Interview zeigen deutlich die Wende in der ungarischen Politik gegenüber den Nachbarstaaten, in denen ungarische Minderheiten leben: Durch stärkeres Engagement für die Auslandsungarn von den eigenen Fehlern ablenken und gleichzeitig auch Pluspunkte in der Bevölkerung sammeln. In der Siebenbürgen-Fn ge baut Ungarn offensichtlich a 'f die moralische Unterstützung dt • Westens: Der amerikanische Schriftsteller indischer Abstammung, William Least-Moon, setzte sich auf dem Budapester Kulturforum für Geza Szocs ein, und der britische Romanautor Francis King appellierte an Ceausescu endlich einen „großzügigeren Kurs gegenüber der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen" einzuschlagen.
Im Westen ist das Ansehen Rumäniens, was die Menschenrechte betrifft, ohnehin schwer angeschlagen. Durch den Alleingang Ceausescus in der Außenpolitik ist das rumänische Verhältnis zur kommunistischen Führungsmacht Sowjetunion ebenfalls merklich belastet. In ihrem Bemühen um die Lösung der Minderheitenfrage in Siebenbürgen rechnen die Ungarn sogar mit einer „indirekten" Hilfe der Sowjets. Verstärkter Druck auf Rumänien, so kalkuliert man in Budapest, kann der neuen Kreml-führung unter dem KPdSU-Sekretär Michail Gorbatschow nur recht sein, weil Bukarest dadurch gezwungen wird, mehr Schutz beim „großen Bruder" zu suchen.
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