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Ein Pontifex aus Wien

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Er wolle weder als Bauern- noch als Gelehrtenbischof betrachtet werden, sagte Franz König, als er 1956 als Erz-bischof nach Wien kam. Aber viel mehr wußten die Wiener nicht, als daß ihr neuer Oberhirte ein Bauernsohn war aus dem niederösterreichischen Alpen-, vorland, dem Pielachtal, vom Königsgraben, und daß er Professor war, in Krems zuerst, dann in Salzburg. Ja, und daß er von St. Pölten kam.

„De St. Pöltibus nil nisi bene", das war ein Wort des damaligen Vizekanzlers Pittermann und auf die beiden St. Pöltner Raab und Figl gemünzt. Ein St. Pöltner schien gut in die politische Szene zu passen, auch als Erzbischof von Wien. Das war nicht das letzte Mal, daß sich getäuscht sah, wer Franz König ausrechnen und einordnen wollte.

Ausrechnen, einordnen, vorherbestimmen, manipulieren hat sich Franz König nie lassen. Als ihm die Stadt Wien vor Jahren das Ehrenbürgerrecht verlieh, da sagte er in seiner Dankesrede, er sei zwar nicht als Wiener geboren, aber zum Wiener geworden und dem einmaligen Zauber dieser Stadt erlegen.

Das, was man sich in der Welt oft unter einem Wiener vorstellt, das war Franz König nie. Er ist kein Mensch der sogenannten Wiener „Gemütlichkeit", des Wiener „Charmes", einer oberflächigen Herzlichkeit, einer unverbindlichen Verbindlichkeit. Er ist

„Das, was man sich in der Welt oft unter einem Wiener vorstellt, das war Franz König nie."

kein Mann der Wiener „Kamerade-rie", der „Freunderlwirtschaft"; für das Spiel der Cliquen, das in Wien nicht nur auf politischem Boden gedeiht, hat er weder Talent noch Verständnis.

Er ist aber auch kein Generalmanager, er hat nicht den Ehrgeiz, sein eigener Bürovorsteher zu sein, im Geflecht der Zuständigkeiten ist er nicht zu Hause. Er ist kein Beherrscher des Apparats, kein geistlicher Oberbefehlshaber, sein Lebensstil ist eher der eines Privatgelehrten.

Eine schwere Kindheit, der frühe Tod seines Vaters, ein Stiefvater, der von der geistigen und geistlichen Berufung des Knaben nichts wissen wollte, -all das hat ihn geprägt, hat ihn zurückhaltend, abwartend gemacht.

Das erste Jahr in Wien, so er die Distanzierung der Wiener allen Fremden

gegenüber spürte - und für manche Wiener ist schon ein St. Pöltner ein Fremder -.zudem der „Wimmer-Skandal" - ein Buchhalter der Finanzkammer wollte durch gewagte und schließlich fehlgeschlagene Spekulationen

vorsichtig werden lassen.

Manche Enttäuschung bei Personen seiner Umgebung, bei Menschen, in die er geistig viel investierte, blieb ihm nicht erspart. Er weiß um seine Grenzen, er hat nie um die Gunst der Menschen und um den Beifall der Massen gebuhlt.

Hat er Freunde, hat er Vertraute? Immer wieder wird diese Frage gestellt. Wer kann sie beantworten? Sein Gleichmut scheint so unerschütterlich zu sein, daß manche, die ihn gern engagierter, parteinehmender sehen wollten, von Gleichgültigkeit reden.

Gleichzeitig scheint seine Aufnahmefähigkeit und seine Aufnahmebereitschaft unerschöpflich zu sein. Von nichts kann er so okkupiert sein, daß er nicht noch eine Facette seines facettenreichen Intellekts für neue Interessen frei hätte.

Die Wiener und Österreicher, gläubige und ungläubige, haben dem Erzbi-schof von Wien den zweiten Platz im Vaterland zugewiesen, neben und nach dem Staatsoberhaupt. Einen solchen Rang hat der Erzbischof von Wien nie gehabt, nicht in der Ersten Republik und schon gar nicht in der Monarchie.

„Euer König ist auch unser König", sagen die Polen von ihm. Es scheint manchmal, daß seine Ausstrahlung im Ausland größer ist als im Inland, daß er „Fernstehenden" näher steht als dem Kirchenvolk im engeren Sinn.

Kardinal König ist viel gereist und reist gern. Er kann sich in jedem Kreis

bewegen und nahezu mit jedem Menschen in seiner Muttersprache reden. Der „Diplomat" König aber ist eine Legende, die er immer, wenn auch nicht immer sehr erfolgreich, bekämpft hat. Alles „Diplomatische", alles Doppelbödige, liegt seinem Wesen fern. Und wenn er meinte, „diplomatisch" sein zu müssen, ging es eher schief.

Trotz des Anscheins von Reserviertheit und Distanz ist er im Grunde seines Wesens ein gütiger Mensch. Wenn er

„Er kann sich in jedem Kreis bewegen . . . Der .Diplomat' König aber ist eine Legende."

bei personellen Entscheidungen gelegentlich auch daneben gegriffen hat, dann nur, weil er niemandem weh tun wollte, auf keinem Fall um eines Prinzips willen.

Der Papst hat das Beiwort „Ponti-fex-Brückenbauer". Nicht nur die Volksmeinung der Österreicher, sondern auch eine breite Strömung der Weltkirche wollte Franz König als „pa-pabile", als möglichen Papst, in Rom sehen. Er ist solchen Spekulationen mit gelegentlich sehr drastischen Worten entgegengetreten.

Aber ein Pontifex ist er doch. Das vielfältige Wirken des Wiener Kardinals läßt sich in der Funktion des Brük-kenbauers zusammenfassen. Er hat in seiner Diözese und in seinem Vaterland Brücken zu bauen versucht - zwischen den Klassen, den Parteien und den Generationen.

Er, der unbelastet war von den politischen Hypotheken der Vergangenheit, hat die Kirche aus der parteipolitischen Verflechtung gelöst. Er hat glaubhaft gemacht, daß die Kirche nicht das ideologische Anhängsel einer Partei ist.

„Ich bin kein Bischof der ÖVP und kein Bischof der SPÖ, ich bin kein Bischof der Unternehmer und kein Bischof der Arbeiter, ich bin der Bischof aller Katholiken, ein politischer, aber kein politisierender Bischof, sagte er vor dem Vorstand des österreichischen Gewerkschaftsbundes.

Kardinal König hat die Kirche aus dem politischen Freund- und Feind-Verhältnis herausgeführt. Das hat man ihm nicht überall gedankt. Das Wort vom „roten Kardinal" sollte ihn treffen.

Er hat immer um Verständnis für die Jugend geworben, von ihrem Recht gesprochen, sich ihr Leben selbst zu gestalten. Er warnte sie, die Kämpfe der Väter weiterzuführen. Er hat in seinen großen Neujahrsansprachen immer zu Verständigung, zum Frieden im Land aufgerufen und deutlich gemacht, daß

„Die Brücken, die er zu bauen versuchte, werden auch in Zukunft ihre Haltbarkeit erweisen."

niemand sich auf die Kirche berufen könne, wer Haß und Zwietracht sät.

Als Erzbischof von Wien, jener Stadt, die jahrhundertelang nach dem Osten ausstrahlte, hat er auch den ersten Schritt über den Eisernen Vorhang gemacht, und dadurch den Christen in diesen Ländern Hoffnung gegeben.

Er hat vom Frieden gesprochen, als dieses Wort für viele Christen ein kommunistisches Vokabel war. Und er hat gerade in den letzten Jahren durch ei-

nen großen Brückenschlag versucht, den Dialog zwischen Glauben und Wissen zu intensivieren.

Ist der Kardinal ein Progressiver oder ein Konservativer? Gerade bei ihm spürt man, wie müßig diese Frage ist. Er hat einmal in einem Vortrag in Rom ein grandioses Bild der Kirche der Zukunft entworfen, einer Kirche der Brüderlichkeit, der Kollegialität, der Plu-ralität.

Er hat in Salzburg von der Freiheit der theologischen Forschung gesprochen mit einem Elan, der aufhorchen ließ. Er hat in einem Interview das Recht und die Pflicht der Bischöfe unterstrichen, auch dem Papst gegenüber ihre Meinung zu vertreten.

Er hat schon in einem ersten Kommentar zur Enzyklika „Humanae Vi-tae" das Recht der Gläubigen auf Gewissensentscheidung unterstrichen. Ist dies ein Konservativer, ein Progressiver?

Kardinal König ist im letzten ein

großzügiger Mensch. Seine Großzügigkeit, seine Liberalität, die sich auch in seiner Distanz manifestiert, hat letztlich jenes Klima geschaffen, das auch für die Zukunft in Wien hoffen läßt.

Jede Art von Reglementierung ist ihm fremd, er läßt jedem seine Meinung. Er respektiert auch Auffassungen, die er nicht akzeptiert. Er ist kein Anschaffer; wer auf Befehle wartet, kann lange warten.

Kardinal König ist 75 Jahre alt. Nach den Bestimmungen des kirchlichen Rechtes, aber auch nach seinem eigenen Wunsch hat er um seine Enthebung als Erzbischof von Wien angesucht. Dem Papst wird diese Entscheidung nicht leicht fallen, aber er wird gewiß den Wunsch des Kardinals respektieren.

Das, was Franz König geschaffen hat, wird nicht untergehen. Die Brük-ken, die er zu bauen versuchte, werden auch in Zukunft ihre Haltbarkeit erweisen.

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