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Ein Rebell gegen Frau Thatcher

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In einem spektakulären Protest stürmte Michael Heseltine vergangene Woche aus der Kabinettssitzung und stellte seinen Posten als Verteidigungsminister zur Verfügung. Der Rücktritt ist ein schwerer Schlag gegen Premierministerin Thatcher, die nicht nur einen ihrer fähigsten Mitarbeiter verliert, sondern sich auch schweren Anklagen vom Ex-Minister aussetzt.

Es waren keineswegs wesentliche Fragen wie Arbeitslosigkeit, öffentliche Ausgaben, soziale Dienste oder Probleme des Budgets, die den Bruch ausgelöst haben. Die britische Öffentlichkeit honoriert einen Schritt aus Grundsätzen. Es fällt ihr jedoch schwer, den unmittelbaren Anstoß zu verstehen: ein keineswegs wirtschaftlich zentraler Mittelbetrieb, der Computerhersteller Westland, der aus seinen finanziellen Nöten gerettet werden muß.

Der Interventionist Heseltine setzte auf ein europäisches Konsortium, um die militärische Produktion auf dem alten Kontinent zu halten und die Verbündeten diesseits des Atlantik zu kostensparender Arbeitsteilung in der Rüstung zu bewegen.

Frau Thatcher schickte ihren Industrieminister Leon Brittan vor und macht sich für das Angebot des US-amerikanischen Giganten Sikorsky in Verbindung mit Fiat stark. Die Entscheidung der Aktionäre für oder gegen die amerikanische Lösung sollte ohne Druck der Regierung gefällt werden, zumindest so lange, als die Teilhaber Sikorsky/Fiat zuneigen.

Nach dem Schlußstrich Heselti-nes unter seine Rechnung mit der Regierungschefin fallen die letzten Hemmungen. Frau Thatcher muß sich den Vorwurf gefallen lassen, zutiefst antieuropäisch zu sein und ihrem Mitarbeiter den Mund verboten zu haben. In einem von der „Eisernen Lady" geführten Kabinett gäbe es, nach den Worten des Ausscheidenden, „keinen Platz in Ehren mehr". Diese wiederum wird es ihrem einstigen Vertrauten nie und nimmer verzeihen, in der Downing Street Unruhe und Verlegenheit angerichtet zu haben. Das Herz habe über den Kopf triumphiert, werfen die Verteidiger der Premierministerin gegen Heseltine in die Diskussion.

Emotion und Uberzeugung sind allerdings tragende Elemente in der Persönlichkeit des wallisi-schen Dickschädels und Self-made-Millionärs mit dem Hang zum Extravaganten.

Wie kein anderer vermochte er deshalb, auf Parteikonferenzen zu brillieren und die Tories zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Ein echter Volkstribun mit Fähigkeiten, die ihn zum Höchsten befähigen.

Uberzeugungspolitiker in der Regierung sind für Frau Thatcher etwas Gutes, sofern sich deren Auffassung mit jener des Premiers decken.

Wer immer von der vorgegebenen Linie abweicht, wird versetzt oder in die Wüste geschickt. Heseltine geht an den Kern: es ist etwas faul in einer Führung, deren Stü mehr und mehr präsidential, diktatorisch und autoritär wird. Was in Epochen der Kämpfe gegen Argentiniens Galtieri und gegen Arthur Scargül unschätzbar wertvoll ist, büßt in relativ normalen Zeiten seinen Wert ein.

Nach dem Ausscheiden eines der letzten Individualisten ist das Einheitsmaß gesetzt, die willfährigen Ja-Sager haben das Wort.

Der Ex-Minister muß nun warten, bis die resolute Führerin amtsmüde geworden ist.

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