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Ein Ritualnicht mehr ?

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Wenn der 24. ordentliche Bundesparteitag der österreichischen Volkspartei vom 13. bis 14. Oktober dazu gedacht war, dem angeschlagenen niederösterreichischen Landeshauptmann Siegfried Ludwig die Solidarität der Gesamtpartei gegen die kurz vor der Landtagswahl eingeleitete gerichtliche Voruntersuchung zu beweisen, dann hat der Parteitag sein Plansoll übererfüllt.

Wenn aber auf diesem Parteitag mehr als die üblichen geschäfts-

ordnungsmäßig vorgeschriebenen Beschlüsse beabsichtigt waren, dann fällt eine erste Bilanz der zwei Tage in Baden bei Wien schon weit ernüchternder aus.

Nicht, daß Alois Mock mit 98,85 Prozent der Delegiertenstimmen nicht erneut zum Obmann gewählt worden wäre — und damit der unumstrittenste schwarze Parteiführer seit langem ist. Nicht, daß auch die Parteitagsinszenierung bis auf den Vorstoß der Jungen Volkspartei nicht perfekt genug gelang: Die Jungschwarzen wollten vor der Wahl der Mitglieder der Parteileitung eine - statutenmäßig auch vorgeschriebene — Offenlegung der Ämter und Funktionen der Kandidaten hören.

Aber wenn man von einem Parteitag die Vorgabe von grundlegenden Perspektiven und Richtlinien für den politischen Alltag erwartet, dann reißt das Ergebnis von Baden nicht vom Sessel.

Da quälten sich die Delegierten am ersten Tag mehr schlecht als recht mit der Diskussion über ein von der Expertenkommission „Politik und Lebensgefühl” vorgelegtes „Zukunftsmanifest”.

Da meldeten sich zu den vorgelegten Resolutionen über „Familie ist Zukunft”, über „Freiheit schafft Frieden” oder die „Wirtschaftspolitischen Leitlinien” fast ausschließlich jene Delegierte, die an den jeweiligen Papieren entweder mitformuliert hatten oder in Parlamentsfraktion oder

Partei ohnehin jahrein, jahraus dazu reden.

Da überraschte auch nicht mehr, daß über die 81 dem Parteitag vorliegenden Anträge der Einfachheit halber gleich en bloc abgestimmt wurde. Bis auf wenige Ausnahmen.

Aber gerade der Antrag des Seniorenbundes über die Streichung der Altersklausel für Politiker aus dem Statut oder der Vorstoß der Jungen Volkspartei, der ein endgültiges Nein der Partei zur Atomenergie in Österreich forderte, wurden „der Bundesparteileitung zur weiteren.Behandlung” zugewiesen, auf gut deutsch: schubladiert.

Die Zuweisung dieser beiden Anträge an die Bundesparteileitung zeigt beispielhaft, wie sehr Parteitage hierzulande bereits zum bloßen Ritual degeneriert sind. Für Kampfabstimmungen ist dort nicht der Platz. Viel höher bewertet wird da schon - gerade in den Medien — die Zurschaustellung von „Einigkeit und Geschlossenheit der Partei”.

Aber wo sonst als auf einem Parteitag — immerhin dem höchsten beschlußfassenden Gremium — sollten Themen diskutiert und auch beschlossen werden, über die es zwischen den einzelnen Parteiflügeln unterschiedliche Meinungen gibt?

Mehr Mut zu innerparteilicher Demokratie und Konfliktaustragung kann nicht nur die Volkspartei dringend gebrauchen.

Es wird aber zuviel verlangt von einem solchen Parteitag, wenn er allein alle paar Jahre die Demokratiefähigkeit und Konfliktbereitschaft der Funktionäre herausfordern soll. Gelernt muß ein solches neues Verständnis von Partei an der Basis werden.

Noch funktioniert das Honoratiorensystem in den tradionellen Parteien. Geht momentan auch noch die Kampfansage der alter- nativen/grünen Gruppierungen an die alten politischen Parteien über lokale Erfolge nicht hinaus, so darf nicht übersehen werden, daß der Bürger von morgen sich immer weiter von traditionellen ideologischen Bindungen emanzipieren wird.

Wenn Alois Mocks kämpferisches „Auf Wiedersehen am Ballhausplatz!” mehr ist als rhetorische Zuversicht, dann wird die Volkspartei nicht umhin können, ein „neues Gesicht” auch auf Parteitagen zu zeigen.

Für die Oppositionspartei gilt es bis zu den nächsten Wahlen nicht nur papierene Alternativkonzepte zur Regierungspolitik zu entwerfen. Sie muß auch Vorleben, daß die „andere Art von Politik” nur in einer „anderen Art von Partei” glaubwürdig vertreten werden kann.

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