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Ein Rückfall

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Letzte Woche hat der bur-genländische Landtag mit SPO-Mehrheit den ÖVP-Abgeordneten Gerhard Jel-lasitz ans Gericht ausgeliefert. Das war ein Rückfall ins politische Mittelalter.

Der Gedanke der Immunität besagte ursprünglich, daß die Vertreter der Stände im englischen Parlament gegen willkürliche Verhaftungen durch Exekutivorgane der Kirche geschützt sein sollten. Für im Parlament gemachte Äußerungen konnten sie nur im Parlament von ihresgleichen zur Rechenschaft gezogen werden.

So formulierte es erstmals die Verfassungsurkunde Bill of Rights 1689. Ähnliche Bestimmungen enthielten die Verfassungen der USA 1787 und des revolutionären Frankreich von 1790. Schutz der Parlamentarier vor Willkür der Herrschenden war immer das Ziel.

Die meisten parlamentarischen Demokratien haben ein Immunitätsrecht entwik--keh^auvh- -Österreich. Nur-wenn das Parlament zustimmt, kann das Gericht eine Strafanzeige gegen Abgeordnete weiter verfolgen. Bei nichtpolitischen Delikten ist eine Auslieferung längst gang und gäbe geworden — aber immer nur einstimmig.

Es hat Fälle gegeben, da ein A bgeordneter sich in einer politischen Frage dem Gericht stellen wollte, alle seine Kollegen aber, ungeachtet der Parteizugehörigkeit, aus prinzipiellen Uber-legungen die Auslieferung verweigerten.

Nun gibt es seit längerem auch eine Debatte darüber, ob die politische Immunität überhaupt noch berechtigt ist. Ihre Verteidiger sagen: Für einen Parlamentarier ist es oft notwendig, einen begründeten Verdacht zu äußern, der noch nicht bewiesen werden kann. Nur so kommt so manche Aufdek-kungskampagne ins Rollen.

Die Verfechter einer Abschaffung argumentieren: Gleiches Recht muß für alle gelten — auch ein Parlamentarier soll nicht ungestraft verdächtigen oder verleumden dürfen!

Man kann sich für die eine oder für die andere Seite entscheiden. Aber eins steht fest: Solange die Immunität gilt, muß sie für alle gelten! Gänzlich unmöglich ist es, wenn eine Mehrheitspartei Abgeordnete einer Minderheitspartei dem Gericht ausliefert.

Im konkreten Fall kommt noch dazu, daß Bundeskanzler Sinowatz das Gerichtsverfahren angestrebt hat. Das schmeckt nach Politju-stiz der Machthaber: Regierende wollen oppositionelle Parlamentarier vor Gericht bringen und die Regierungspartei liefert diese aus: wie im Zeitalter der absoluten Monarchie vor mehr als 300 Jahren!

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