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Ein Saddam-Boom

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„Oh Araber, das ist euer Tag, steht auf und befreit unser heiliges Mek- ka, das mit den Speeren der Ameri- kaner und Zionisten genommen wurde!" Mit diesen Worten im Äther, und ähnlichen, will Iraks Diktator Saddam Hussein die ara- bischen Massen für sich gewinnen.

Er spricht nicht davon, daß die Amerikaner als Bündnispartner von den Saudis zu Hilfe gegen eine eventuelle Eroberung durch den Irak gerufen wurden. Bei Saddam Hussein sind sie Kreuzfahrer, die sich der heiligen Städte Mekka und Medina bemächtigt haben. Daß man dort keinen einzigen Amerikaner, Engländer und so weiter antrifft, stört Saddam Hussein nicht. Er ließ sich noch nie von Tatsachen ablen- ken, wenn sie nicht in den von ihm vorgegebenen Rahmen paßten.

Rohölertrag für Araber

„Heute haben wir Kuweit befreit, morgen befreien wird Jerusalem" waren Saddam Husseins Worte nach der Eroberung Kuweits. Der Diktator läßt sich weder von der Romantik der heiligen Städten noch vom Traum der besiegten Kreuz- fahrer bestimmen. Bei ihm ist alles genau einkalkuliert, denn er weiß, wie man die Massen gegen die Köpfe ihrer Beherrscher gewinnen kann; insbesondere, wenn diese reich und die Massen arm sind.

Kein Wunder, daß Saddam Hus- sein die angebliche Korruption der Herrscherfamilie El Sabach in Kuweit schilderte, die ihre Frau- engeschichten durch ganz Europa trieben und 180 Milliarden Dollar des Rohölertrages in der ganzen Welt investierten. „Die Araber, denen das Rohöl gehört", so Sad- dam Hussein, „erhielten nichts und wieder nichts."

Viele der Palästinenser und Ägyp- ter, die in Kuweit arbeiteten, waren kleine Diener bei den kuweitischen Neureichen, und ihre Arbeit war

kein Honiglecken. Nun endlich wurden diese Reichen von Haus und Hof vertrieben. Sollen die ehemals Gedemütigten nun weinen?

Allerdings hat auch der Irak viel Rohöl. Und auch der Irak machte Milliardengeschäfte, doch die Be- völkerung blieb zum größten Teil arm. Saddam Hussein investierte

SCHRAGA HAR-GIL berichtet aus Tel Aviv

das Geld in Waffen und in den Krieg gegen den Iran. Trotzdem gingen die Massen der Palästinenser in Jor- danien und in den von Israel be- setzten Gebieten und sogar in Is- rael selbst auf die Straßen, demon- strierten für Saddam und schrien in Sprechchören: „Saddam, vergif- te die Zionisten und Amerikaner mit Gas!" Ebenso demonstrierten sie in Algerien, in Libyen und im Libanon.

Als dann Saddam Hussein einen Friedensvorschlag unterbreitete - Syrien soll das zu zwei Drittel von ihm besetzte Libanon räumen und Israel die besetzten Gebiete, dann erst wolle er über alles reden -, jauchzten die Palästinenser und Libanesen auf. Endlich ein Führer, der nicht nur Phrasen dreschen kann, sondern auch etwas unter- nimmt. Wenn Saddam ein Dikta- tor ist, dann doch nur für die gute arabische Sache.

Ein Gärtner aus Um el Fächern, einer arabischen Stadt in Israel, sagte: „Ich lebe mit den Juden gut zusammen, aber Saddam gibt uns endlich unsere Ehre wieder." Be- duinen in Israel nennen ihre neuge- borenen Buben Saddam, in Jorda- nien gibt es jetzt viele Babys mit dem Namen Saddam Hussein. So- gar der schlaue PLO-Chef Arafat schwenkte vollständig auf Saddams Linie um und vergaß auf einen Schlag seine gemäßigte Politik von gestern, um jeden Preis mit den Israelis ins Gespräch zu kommen.

Nicht einmal der große Gamal Abdel Nasser konnte wahre Erfolge für sich buchen, und die Schmach der Araber steht im Buch der Ge- schichte. 1948 wurden sie von den Israelis besiegt, 1956 wurde Nasser von den Engländern, Franzosen und den Israelis geschlagen. 1967 wur- den Ägyptens Gamal Abdel Nasser sowie die Syrer und Jordanier wie- der von Israel in die Knie gezwun- gen, 1973 konnte Sadat zusammen mit Syrien keinen militärischen Sieg erzwingen, sondern nur einen poli- tischen, und 1982 waren es die Pa- lästinenser im Libanon, die den Preis der Niederlage mit viel Blut und Schmerz bezahlen mußten.

Aber Saddam Hussein, so sehen ihn die arabischen Massen, schlug die verhaßten Schiiten im Iran, nun konnte er die Sabachfamilie aus Kuweit vertreiben und diesen Staat zurück ins Reich holen. Wer weiß, vielleicht wird er sogar noch Jeru- salem befreien. So schreien sie in ihren Demonstrationen: „Saddam ist ein echter Mann, Saddam führt uns alle an, lang lebe Saddam!"

Ein neuer Harun al Raschid

Harun al Raschid war Ende des achten und Anfang des neunten Jahrhunderts einer der erfolgreich- sten Könige Bagdads. Er liebte es, sich inkognito unters Volk zu mi- schen. Es entstanden die Sagen, daß er die Armen nicht nur liebte, son- dern sogar kleine Diebe zu großen Wesiren erkor und die Reichen zwang, ihr Geld den Armen zu ge- ben.

So ist es kein Wunder, daß Sad- dam Hussein behauptet, in den Fuß- stapfen des großen Harun zu wan- deln. Die Ölscheichs haben das Geld in die eigenen Taschen gesteckt. Doch Saddam Hussein verspricht es den Arabern. Der kleine Mann glaubt an die Sage von Harun al Raschid und hofft, daß Harun heu- te Saddam heißt.

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