Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ein Salomo als Richter ?
Was tun mit dem australischen Retortenembryo, der seine Eltern durch einen Unfall verloren hat? Auch bei uns muß für solche Fälle rechtlich vorgesorgt werden.
Was tun mit dem australischen Retortenembryo, der seine Eltern durch einen Unfall verloren hat? Auch bei uns muß für solche Fälle rechtlich vorgesorgt werden.
Das in letzter Zeit höchst aktuell gewordene „Retortenbaby" hat viele gestalterische Möglichkeiten eröffnet.
Vom christlichen Standpunkt aus ist zunächst einmal grundsätzlich zu fordern, daß der außerhalb des Mutterleibes entstandene Embryo wieder in denselben Mutterleib eingepflanzt wird, aus dem das Ei entnommen wurde.
Dies wird aber nicht immer möglich sein. Zu viele Gefahren lauern, gesundheitlicher und medizinischer Art. Gegenstand dieser Überlegungen sind aber die Gefahren rechtlicher Natur.
Die rechtliche Problematik beginnt in jenem Augenblick, wo die Eltern (oder sagen wir die „Spender" — Eispenderin und Samenspender—) ihren Anspruch auf ihren „Beitrag" entweder nicht wahrnehmen wollen oder sich um das Schicksal desselben nicht mehr kümmern können. Folgende Fälle sind möglich: Die Eispenderin wird erfolgreich zur Abgabe mehrerer Eier stimuliert, und es wird ihr davon nur eines implantiert. Die übrigen befruchtungsfähigen Eier stehen dann sozusagen „frei zur Verfügung". Hier sollte der Mutter die Möglichkeit eingeräumt werden, über diese Eier im Sinne einer späteren Schwangerschaft zu verfügen.
Wenn die Mutter aber keine Verfügung trifft oder wenn eine spätere Schwangerschaft nicht mehr gewünscht oder nicht mehr möglich ist, dann wäre zumindest zu fordern—wenngleich dies nicht der Idealzustand ist -, daß für den Fall der Befruchtung wieder die Implantation in einen Mutterleib ermöglicht wird und andere Verfügungen (Experiment, Vernichtung) ausgeschlossen werden.
Noch problematischer ist die Situation, wenn das Ei befruchtet und nicht in den Mutterleib zurückgeführt wird, von dem es stammt.
Dabei kommt bei zielgerichteter Verwendung die Implantation in eine „echte Mutter" in Frage. Von einer solchen spricht man dann, wenn diese bereit ist, das Kind nicht nur auszutragen, sondern es auch als das ihre anzusehen und zu erziehen.
Bereits bei dieser sicherlich noch immer wünschenswerten, wenn auch nicht idealen Lösung taucht die Frage auf: Wer ist eigentlich die Mutter? Jene, aus der das Ei stammt, oder jene, die das Kind austrägt? (Wie aktuell wird das biblische salomonische Urteil!)
Noch schwieriger wird es, wenn das Ei einer Frau eingepflanzt wird, die es nur austrägt und dann wieder abgibt (Mietmutter). Hier wird der Embryo sozusagen „von zwei Müttern im Stich gelassen". Es läßt sich wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen, welche Schäden seelischer Natur dadurch verursacht werden
Gegenüber dieser zentralen Problematik treten die ebenfalls noch nicht gelösten Rechtsfragen wie Miete, Mietzins, Haftung für gesundheitliche Schäden bei Mietmutter und Mietkind usw. geradezu in den Hintergrund.
Einen weiteren Problemkreis stellt das „Tiefgefrieren" des Embryos dar. Selbst wenn gesundheitliche Schäden ausgeschlossen werden könnten, ist jetzt schon abzuschätzen, welche Auswirkungen in bezug auf das Selbstverständnis des Menschen sich einstellen, wenn dieser Mensch zehn, zwanzig oder dreißig Jahre nach seiner Zeugung erst zur Welt kommt - mit einer „seelisch-geistigen Ausstattung", die eine Generation zurückliegt.
Sodann ist ein sehr problematischer Fragenkomplex in der Tatsache zu sehen, daß von einem „besonders gesunden und vitalen Mann" eine Samenbank angelegt wird, mit der zahlreiche Eier befruchtet werden können.
Wie wird sich der Heranwachsende damit abfinden, wenn er hört, daß in seiner Umgebung mit großer Wahrscheinlichkeit Hunderte ihm unbekannte Geschwister herumlaufen? Wie kann verhindert werden, daß es zu völlig unerwünschten und gefährlichen Geschwisterehen kommt?
Eine Form der Verwendung des nicht ausgetragenen Embryos scheint darin zu liegen, daß man nach Teilung des Embryos in der Retorte das so gewonnene „Material" weiterzüchtet und daraus Blutstammzellen bildet, die dann im Falle einer Erkrankung des „Zwillings" zu unter Umständen lebenserhaltender Transplantation verwendet werden.
Läßt sich die Schaffung und Konservierung eines solchen „Gesundheits-Notstandspaketes" rechtlich rechtfertigen?
Alle diese Gefahren und Risken müssen rechtlich rasch abgefangen werden.
Von den mit der Gesetzgebung beauftragten Personen muß gefordert werden, daß sie sich unverzüglich und intensiv mit der Materie befassen und unter Zuhilfenahme von verantwortungsbewußten Experten eine Rechtslage schaffen, die dem verantwortungslosen Forschen und Experimentieren einen Riegel vorschiebt.
Andererseits muß dafür gesorgt werden, daß der Mensch und sein höchst persönliches und menschenwürdiges Schicksal auf optimale Weise weiterhin gesichert bleiben.
Der Autor ist Rechtsanwalt in Innsbruck. Anstoß für seinen Beitrag war ein Vortrag des Richters Johannes W. Steiner im Rahmen eines Hochschulkurses aus bürgerlichem Recht in Altmünster/OO.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!