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Ein satirer Apfel im Währungskorb
Beitritt oder wenigstens Assoziierung zum Europäischen Währungssystem (EWS) ist neueste Forderung im Rahmen der EG- Debatte. Worauf läßt sich Österreich da eigentlich ein?
Beitritt oder wenigstens Assoziierung zum Europäischen Währungssystem (EWS) ist neueste Forderung im Rahmen der EG- Debatte. Worauf läßt sich Österreich da eigentlich ein?
Regierungsmitglieder haben kürzlich mit der Bemerkung überrascht, Österreich müsse dem Gedanken eines Beitritts oder einer Assoziierung zum Europäischen Währungssystem (EWS) rasch nähertreten.
Diese Worte dürften wohl in erster Linie zum Fenster nach Brüssel hinausgesprochen worden sein. Offenbar, um die vom Einschlafen bedrohte EG-Debatte wieder anzufachen und den EWS-Beitritt als mögliche Vorleistung für einen EG-Beitritt Österreichs anzubieten. Anders ist ein solcher Schritt kaum zu interpretieren. Denn aus währungspolitischer Sicht stellt sich die Notwendigkeit eines EWS-Beitritts in der jetzigen Konstellation nicht und noch weniger diejenige einer lockeren Assoziierung.
Worauf würden wir uns da eigentlich einlassen? Diese skeptische Frage soll das EWS nicht abwerten. Im Gegenteil: Es hat in den knapp elf Jahren des Bestehens seine Verdienste erworben. Im März 1979 in Funktion getreten, stellt es damals wie heute eine bedeutende Innovation im Rahmen der währungspolitischen Integration der Teilnehmerländer, die ident sind mit den EG-Mitgliedern, dar.
Im Zentrum des EWS steht die Sicherung stabiler Wechselkurse durch eine gemeinsame Politik der Teilnehmer sowie die Schaffung der Europäischen Währungseinheit ECU (siehe Graphik). Ziel ist die Errichtung einer Zone relativer Wechselkursstabilität, die in der Folge in ihrem Wirkungsbereich auch eine entsprechende Währungsstabilität nach sich ziehen soll. Das heißt also zunächst, daß die Wechselkurse zwischen den Mitgliedswährungen fix bleiben und nur bei größeren Schwierigkeiten geändert werden sollen.
Was ist der Vorteil einer solchen Regelung? Bilden sich Wechselkurse an den Devisenbörsen frei nach Angebot und Nachfrage, so ist dies zumeist mit mehr oder weniger großen Kursschwankungen verbunden. Dadurch gelangt Unsicherheit in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen; es kann zu unvorhersehbaren wechselkursbedingten Gewinnen oder Verlusten kommen, die Kalkulierbarkeit von Geschäften wird erschwert.
Will ein Händler solche Risken vermeiden, so ist das naturgemäß mit Kosten verbunden. Die können durch Fixierung der Kurse in einem entsprechenden Währungssystem einfach vermieden werden. Dadurch wird der Handel und somit auch die Integration der Teilnehmerländer erleichtert. (Im übrigen sind das durchaus Überlegungen, die auch der österreichischen „Politik der knappen Leine" gegen über der DM zugrunde liegen.)
Natürlich sind die Kurse im EWS nicht absolut fix, sondern es sind zwei sogenannte Flexibilitätsreserven eingebaut. Einerseits können die Wechselkurse eines Landes gegenüber den anderen Währungen bei Problemen durch einstimmigen Beschluß der Mitglieder neu festgesetzt werden. Andererseits dürfen die täglich anfallenden tatsächlichen Kurse von den als fix festgelegten sogenannten Leitkursen im Ausmaß von 2,25 Prozent nach oben1 wie nach unten abweichen. Für Spanien und Italien wurden solche Schwankungsbreiten von sechs Prozent zugestanden; Anfang dieses Jahres wurde dieser Wert für Italien auf gleichfalls 2,25 Prozent zurückgenommen.
Stößt ein Wechselkurs an den oberen oder unteren Plafond dieser erlaubten Schwankungsbereiche, so wird von beiden involvierten Notenbanken an den Devisenmärkten zwecks Rückholung in dieses Band interveniert. Wertet also beispielsweise die italienische Lira gegenüber der Dänenkrone zu stark ab (das heißt, Lire sind im Verhältnis zur Dänenkrone im Überfluß vorhanden), so müssen sowohl die dänischen wie die italienischen Behörden Lire an- und Dänenkronen verkaufen. Damit werden an den Devisenbörsen Lire knapp und teuer und Dänenkronen vermehrt verfügbar und billiger. Der Wechselkurs zwischen den beiden sollte sich entspannen und in das Band zurückkehren. In der Praxis werden diese Interventionen über den Europäischen Fonds für währungs-politische Zusammenarbeit (EFWZ) abgewickelt, in den die Teilnehmerländer 20 Prozent ihrer Gold- und Devisenreserven einbringen mußten.
Als weitere positive Auswirkung des EWS erhoffte man auch eine gewisse Disziplinierung und Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken der einzelnen Länder, weil Neufestsetzungen des Wechselkurses (Realignments) besonders im Fall von Abwertungen für die betroffenen Länder und ihre Regierungen eine gewisse Peinlichkeit darstellen. Es sollte also die EWS-Zone auch zu einer Region stabiler Währungen und geringer Inflationsraten zusammenwachsen.
Die Bilanz von knapp elf Jahren EWS zeigt Erfolge. Die Wechselkursschwankungen zwischen den beteiligten Währungen konnten trotz mehrerer Realignments im Vergleich zu früheren Perioden merklich verringert werden. Auch das Ziel, eine Zone relativer Geldwertstabilität zu schaffen, dürfte angesichts der Entwicklungen in anderen Ländern einigermaßen erreicht worden sein. Nicht gelungen ist -sieht man eventuell von der Geldpolitik ab - eine Vereinheitlichung der nationalen Wirtschaftspolitiken. Das innergemeinschaftliche Gefälle in der Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung konnte nicht abgebaut werden, die Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen sind größer geworden. Allgemein wird jedoch die Auffassung vertreten, daß die Erfolge größer sind, als man bei der EWS-Gründung erwarten konnte.
Warum also sollte Österreich einer solchen Stabilitätsgemeinschaft nicht beitreten wollen? Wo doch ähnliche Prinzipien ohnedies unserer eigenen Währungspolitik zugrundeliegen?
Vielleicht gerade deswegen nicht: Österreich würde sich durch einen Beitritt oder eine Assoziierung einer Reihe institutioneller Verpflichtungen unterwerfen müssen, während keine zusätzlichen Vorteile erkennbar sind. Die günstigen Effekte fester Wechselkurse auf den Au-ßenhandel und die Inflationsrate haben wir— darauf dürfen wir sogar stolz sein - schon früher erkannt und über die enge DM-Bindung ist der Schilling ohnedies indirekt mit den anderen EWS-Währungen mitverbunden.
Hingegen nehmen wir bei einem Beitritt eine Reihe von Nachteilen in Kauf. Es müßten 20 Prozent der Währungsreserven an den erwähnten Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit übertragen werden. Diese blieben zwar in unserem Besitz und auch die Zinsen daraus gehörten uns. Es würde damit jedoch, wie beschrieben, interveniert werden. Das hätte entsprechende Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Währungsreserven und auf unsere Devisen- und Veranlagungspolitik. Alles das kann Österreich jetzt in Eigenverantwortung machen. Der EWS-Beitritt würde damit auf jeden Fall einen gewissen Autono-mieverlustbedeuten. Dieser würde noch größer, wenn wir in der Folge alle weiteren Schritte zu einer wahrscheinlich von der DM dominierten europäischen Währungsunion mitmachen. Noch niemand hat die Frage beantwortet, ob wir das eigentlich anstreben sollen.
Welche Rechte werden als Gegenleistung für einen solchen Autonomieverzicht geboten? Bisher hat man uns signalisiert, daß bestenfalls eine Assoziierung möglich wäre. Das heißt: Wir müßten wohl die meisten Pflichten übernehmen, hätten aber nicht die Rechte eines Vollmitglieds. Also keine echte Mitsprache und erst recht keine Mitbestimmung. Wozu also das ganze?
Aus der Sicht der EWS-Mitglieder könnte man Österreich sicherlich vorwerfen, es sei ein Trittbrettfahrer, der Nutzen aus dem System zieht, ohne dafür zu zahlen. Abgesehen davon, daß ein solcher Vorwurf diskutabel wäre, muß man auch dem Trittbrettfahrer alle Rechte einräumen, sobald er den Fahrpreis entrichtet hat. In vorauseilendem Gehorsam die EWS-Assoziierung ohne Rechte als Vorleistung zum EG-Beitritt anzudienen, wäre vielleicht doch ein etwas zu kostbares Geschenk.
Und schließlich: Wer garantiert uns, daß man dieses Geschenk zwar dankend annimmt, dann aber auf die erhofften Gegenleistungen „vergißt"?
Wozu hätten wir dann in den sauren EWS-Apfel gebissen?
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