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Ein satter Tausendsassa

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Fianna Fail mit Führer Charles Haughey macht sich Hoffnungen auf die absolute Mehrheit bei der Wahl am 17. Februar. Mit 52 Prozent liegt die Partei weit in Führung.

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Fianna Fail mit Führer Charles Haughey macht sich Hoffnungen auf die absolute Mehrheit bei der Wahl am 17. Februar. Mit 52 Prozent liegt die Partei weit in Führung.

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Der bisherige Premierminister Garrett Fitzgerald ist in argen Schwierigkeiten. Seine Fine Gael-Partei benötigt in der letzten Woche eines nicht im geringsten aufregenden Wahlkampfes eine dramatische Wende des Geschicks, um dem Gegenspieler doch noch die Suppe zu versalzen. Er rechnet mit der bekannten Wechselhaftigkeit der Wähler.

Allein schafft es Fitzgerald nie und nimmer. Sein bisheriger Koalitionspartner Labour wird kein neues Bündnis mehr eingehen. Aber da ist noch der politische Neuling: die Partei der Progressiven Demokraten.

Die Organisation lebt allein von der Persönlichkeit des Führers

Desmond O'Malley, der sie vor einem Jahr aus der Partei Haugh-eys herausgeführt und auf eigene Füße gestellt hat. O'Malley gilt übrigens als der fähigste Premier, wird in der Volksmeinung höher eingestuft als die alten Erbfeinde Fitzgerald und Haughey. Aber mehr als 15 Prozent der Stimmen ist für den Abspalter in der ersten Parlamentswahl nicht drinnen.

Ein Bündnis mit Fianna Fail kommt für O'Malley nur in Frage, wenn sie sich ihres Führers entledigt, was heute weniger denn je zuvor möglich ist. Die bisherige Opposition ist seit dem Auszug der Freunde O'Malleys,.haughey-ised“, das heißt, auf seinen Führer zugeschnitten wie ein Maßanzug.

Haughey hat gleichsam autokratische Kontrolle über seine von ihm gesäuberte und eingeschüchterte Gefolgschaft. Er fährt mit Erfolg auf seiner supernationalistischen Welle, denunziert den Noch-Premier nach dessen verlorenen Referenden über Scheidung und Fristenlösung der

Gegnerschaft zur Kirche - in diesem katholischen Land eine Erbsünde.

Vergessen scheint, daß der selbstgemachte Millionär, Rennstallbesitzer und Kunstsammler Haughey, ein satter Tausendsassa ohne besondere moralische Hemmungen und Uberzeugungen, nicht gerade eine weiße Weste besitzt. 1969 verlor er als damaliger Finanzminister seinen Posten und landete vor Gericht, weil er angeblich die Terrorganisation IRA mit Waffen und Geld versorgte.

Mangels an Beweisen freigesprochen, spielte er sieben Jahre später wieder führend in der Politik mit und wurde 1979 Premier für 16 Monate. 1982 wurde er erneut zum Regierungschef gewählt, blieb allerdings mit seiner Minderheitsregierung nur drei Viertel eines Jahres in Amt und Würden. 1982 wurde sein Wahlagent angeklagt, zweimal gewählt zu haben.

Schwerer ins Gewicht fallen erwiesenes Abhören von Telefongesprächen „verdächtiger“ Minister und Journalisten. Die Möglichkeit, daß dieser rücksichtslose Machtmensch für fünf Jahre die Geschicke seines Landes bestimmt, beunruhigt die schlechtnachbarlichen Nordiren genauso wie die Politiker auf der anderen Seite der Irischen See.

Aber Haughey steht sich gut mit dem Klerus und noch besser mit den Hausmütterchen, denen er

das Blaue vom Himmel verspricht.

Haughey zeigte als Premier eine lockere Hand, wenn es um Staatsausgaben ging. Die Folgen hatte Fitzgerald auszubaden: Staatsverschuldung dreimal so hoch wie Mexiko, Exporte hoffnungslos niedrig, Arbeitslosigkeit mit 20 Prozent die höchste in der EG, erdrückendes Zinsniveau, kurz ein katastrophaler Zustand, dem heute mehr Iren als je zuvor durch Auswanderung entfliehen.

Fitzgerald wirkt auf seinem Wahlfeldzug per Eisenbahn und Helikopter durch die Grüne Republik müde und abgespannt, so als hätte er sich schon aufgegeben.

Aus einer konfessionellen Mischehe entstammend, hatte der Sohn des ersten irischen Außenministers stets mit dem Mißtrauen des Klerus zu kämpfen, zumal er auf die Reform der religionsungebundenen Gesetze drängte. Mit den Schwierigkeiten des Landes

in tiefster Rezession wurde er indes nicht fertig, und deshalb hat er das Vertrauen der Bevölkerung verloren.

Fitzgeralds Strategie ist in ihrer Schonungslosigkeit riskant: im Herzen seines Wahlmanifestes liegt jenes detaillierte und harte Budget, dessentwegen die Koalition auseinandergebrochen ist. Einsparungen, wo es geht, auch am Wohlfahrtsstaat.

Seltsamerweise kommt Fitzgeralds größte Errungenschaft, das anglo-irische Abkommen vom November 1985, bei dieser Kampagne kaum zum Zug.

Es liegt an der Saumseligkeit der Briten, Reformen im Norden durchzudrücken. Haughey war erst grundsätzlich dagegen. Als er aber aus den Umfragen entnahm, daß die Landsleute den Vertrag begrüßen, schwenkte er um: er will ihn intakt lassen, so verspricht er, nur wird er die Briten härter an die Einlösung ihrer Versprechen erinnern.

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