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Ein Schlußstrich unter Jahrhunderte

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Die Umwandlung der Apostolischen Delegatur in London in eine Nuntiatur und die Erhebung der britischen Gesandtschaft beim Hl. Stuhl zur Botschaft bedeuten das Ende einer historischen Entwicklung.

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Die Umwandlung der Apostolischen Delegatur in London in eine Nuntiatur und die Erhebung der britischen Gesandtschaft beim Hl. Stuhl zur Botschaft bedeuten das Ende einer historischen Entwicklung.

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Den gallikanischen ähnliche Tendenzen hatten sich schon im späteren Mittelalter gezeigt. Unter Edward III. verbot ein Gesetz 1351 bei Strafe allen Geistlichen, sich zur Erlangung eines englischen Benefiziums nach Rom zu wenden, damit nicht „ein großer Teil der Schätze dieses Königreiches von den Käufern der genannten Gnaden weggeführt und außerhalb Englands ausgegeben würde". Zwei Jahre später drohte das Statute of Praemunire allen die Acht an, die in solchen Angelegenheiten Berufung an Romeinlegen würden, für die sich die englischen Gerichte als zuständig erachteten.

Um die Ehescheidung Heinrichs VIII. in England durchführen zu können, wurde auch der Rechtszug nach Rom in geistlichen Sachen verboten; schließlich erklärte der Act of Supremacy von 1534 den englischen König zum einzigen irdischen Oberhaupt der Kirche von England (Ecclesia Angli-cana). Alle Beziehungen zum römischen Bischof, „vormals Papst genannt", wurden abgebrochen.

Maria die Katholische versuchte zwar 1553-1558, das Schisma zu überwinden; aber ihre Regierungszeit war dazu zu kurz. Ihre Nachfolgerin, Elisabeth I., ließ 1559 die Suprematsakte erneuern.

Der letzte von einem katholischen Herrscher ins Land gerufene päpstliche Vertreter war aber nicht der Kardinallegat Reginald Pole unter Maria 1554, sondern der Mailänder Graf Ferdinando d'Adda, den Innozenz XI. 1687 über Bitten des katholischen Jakob II. zum Nuntius ernannte, während der König seinerseits einen Gesandten nach Rom entsandt hatte. Mit der Vertreibung Jakobs II. aus England 1688 („Glorreiche Revolution") rissen die Beziehungen zum Heiligen Stuhl erneut für lange Zeit ab.

Als Leo XII. 1823 seine Wahl König Georg IV. anzeigte, holte die britische Regierung ein Rechtsgutachten ein, ob die Gesetze eine offizielle Antwort gestatteten. Die Antwort fiel negativ aus. Positiver lautete ein weiteres Gutachten aus 1833; und 1848 beschloß das Parlament ein Gesetz, durch das die britische Regierung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem „Hof von Rom" ermächtigt wurde. Da das Gesetz der britischen Regierung aber gleichzeitig verbot, als päpstlichen Gesandten einen Priester oder Ordensmann zu empfangen, war damit die Errichtung einer Nuntiatur praktisch ausgeschlossen; das Gesetz wurde übrigens 1875 widerrufen.

Es verdient festgehalten zu werden, daß auch die englische katholische Hierarchie gegen eine päpstliche Vertretung war, mit der Begründung, diese würde nur dem Import „fremdartiger und unwillkommener lateinischer Traditionen" dienen.

Erst während des ersten Weltkriegs konnte die britische Regierung die Krönung Benedikts XV. 1914 zum Anlaß nehmen, um beim Hl. Stuhl eine inoffizielle Vertretung, zu errichten, die nach dem Krieg in eine offizielle Gesandtschaft umgewandelt wurde. Dem Hl. Stuhl blieb es dagegen noch verwehrt, sich in London ebenfalls diplomatisch vertreten zu lassen; die Stellung des englischen Königs als Oberhaupt der Anglikanischen Kirche ließ vorderhand nur die Errichtung einer Apostolischen Delegatur zu, einer Vertretung des Papstes ausschließlich bei der katholischen Kirche des Landes ohne diplomatischen Charakter.

Nach dem zweiten. Weltkrieg nahmen zahlreiche Commonwealth-Staaten diplomatische Beziehungen mit dem Hl. Stuhl auf. Daß diesen Beziehungen mit Großbritannien die Wechselseitigkeit fehlte (in London bestand nach wie vor nur eine Apostolische Delegatur) und die britische Vertretung nur Gesandtschaftsrang hatte, ließ London wie den Vatikan nach einem Ausweg suchen.

Tatsächlich wurde bereits 1968 im britischen Parlament die Frage debattiert, ob nicht die Vertretung beim Hl. Stuhl in eine Botschaft umgewandelt werden solle. Dem Apostolischen Delegaten, Erzbischof Heim, wurden viele diplomatische Vorrechte zugestanden, deren sich dieser hervorragende päpstliche Diplomat, der auch Nuntiaturrat in Wien gewesen war, mit großem Takt und Geschick bediente. Der bevorstehende Besuch Johannes Pauls II. in Großbritannien mag nun den letzten Anstoß gegeben haben, um Ressentiments aus vergangenen Jahrhunderten endgültig über Bord zu werfen.

Diplomatische Vertretungen im Botschaftsrang, die auf vatikanischer Seite von einem Pro-Nuntius geleitet werden, sind in den Beziehungen des Hl. Stuhls zu nichtkatholischen Staaten die Regel. Der 1965 in neuer Form wiedereingeführte Status eines Pro-Nuntius erlaubt es dem päpstlichen Vertreter, den Botschafterrang zu bekleiden, ohne den einem Nuntius zustehenden Ehrenvorrang beanspruchen zu müssen.

Auf diese Weise kann eine etwaige Irritation nicht-katholischer Kreise im Empfangsstaat vermieden werden. Dies ist gerade auch in Großbritannien wichtig, damit der bedeutsame katholisch-anglikanische Dialog nicht durch unnütze Verstimmungen beeinträchtigt wird.

Der Autor ist Ordinarius für Völkerrecht an der Universität Linz.

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