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Ein Schritt zur Umkehr

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Wurde aus diesem fünften gesamtösterreichischen Treffen in der Linzer Sporthalle tatsächlich ein Fest der Hoffnung für die Erneuerung der Kirche?

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Wurde aus diesem fünften gesamtösterreichischen Treffen in der Linzer Sporthalle tatsächlich ein Fest der Hoffnung für die Erneuerung der Kirche?

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Drei- bis viertausend Personen aus ganz Österreich und auch aus dem Ausland haben sich zu diesem Treffen, der Charismatischen Gemeindeerneuerung das unter anderem auch im Zeichen des österreichischen Katholikentages stand, vom 2. bis 5. Juni in der Linzer Sporthalle versammelt; auch etwa 100 Priester waren gekommen. Das erste Treffen dieser jungen Strömung in der Katholischen Kirche Österreichs hatte ebenfalls in Linz im Sommer 1977 stattgefunden. Damals waren es 200 Teilnehmer.

Schon dieser Zahlenvergleich zeigt das Wachstum in dieser Erneuerungsbewegung. Eine Reihe namhafter Referenten setzten starke Akzente bei dieser Versammlung, so zum Beispiel Kardinal Leon-Joseph Suenens, Professor Heribert Mühlen aus Paderborn, Tatjana Goritschewa aus Leningrad, P. Hans Buob aus Stuttgart, Hervė-Marie Catta aus Paris und P. Tom Forrest aus Rom.

Dieses Treffen in Linz setzte neue Maßstäbe. Uber tausend Personen traten im Rahmen einer Umkehrliturgie vor, knieten neben einem Priester und baten um Gebet und Segen für einen neuen Schritt der Umkehr.

Nach Heribert Mühlen sind vier Stufen der Umkehr eines Christen wünschenswert:

1. Jeder Christ sollte sich irgendwann im Leben bewußt für Gott entscheiden und sollte diesen Schritt auch inmitten der Gemeinde zum Ausdruck bringen können und dafür Hilfe und Impulse bekommen.

2. Tiefer führt der Schritt der Annahme der Sakramente nach einem Prozeß der Umkehr, wie ihn die Taufe fordert. Auch dieser

Schritt soll in unserer Kirche möglich werden.

3. Ein Christ kommt zum eigentlichen Sinn seines Daseins, wenn er sein ganzes Leben Gott hingibt (Tauferneuerung im Vollsinn).

4. Dann wird ein neuer Schritt möglich: die Hingabe für die Gemeinde. Viele leiden an der Kirche: der Geist Gottes kann bewirken, daß sie für die Kirche leiden in dem Dienst, den Gott ihnen aufträgt. Viele taten diesen Schritt vor Gott.

Dieser Gottesdienst der Umkehr war ein starkes geistliches

Ereignis. Kirche wurde sichtbar, erfahrbar und wirksam als Gemeinschaft der schrittweisen Hinwendung zu Gott und in einen neuen Dienst aus der Kraft des Geistes. Es war eine Stunde der Erfahrung, wie die Erneuerung der Kirche im Gottesdienst tatsächlich geschehen kann. Dabei wurde auch deutlich, was gesunde Theologie, Blick für die Realität des christlichen Lebens im Alltag und Impuls des Heiligen Geistes bewirken können.

In einem sehr bedeutsamen Referat sprach Kardinal Suenens vom Geheimnis und von der Wirklichkeit der Kirche, wie wir es im Glaubensbekenntnis bekennen. Die Kirche sei von der Wurzel her Geheimnis, Werk des Gottesgeistes. Von daher sei sie eins, heilig und universal, auch wenn sie diese Gegebenheiten nicht ganz darstelle. Die Dynamik des Geistes treibe zur Verwirklichung. Auch die „Amtskirche“ sei Werk des Geistes, da kein Amtsträger ohne Anrufung des Heiligen Geistes geweiht werde.

Kardinal Suenens zeigte Bedeutung und Wesen des schwer beschreibbaren Phänomens der sogenannten Charismatischen Gemeindeerneuerung auf („ein schlechtes Wort für eine gute Sache“). Die Kirche könne nur aus dem Pfingstgeheimnis lebendig wirksam bleiben. Das Konzil sei die Erfahrung eines „neuen Pfingstens“ für die Bischöfe gewesen, nun geschehe auch ein „neues Pfingsten“ für die Gläubigen.

Menschen würden vom Geiste Gottes wahrnehmbar berührt und ergriffen und begegneten Jesus Christus, dem Auferstandenen und begännen für ihn zu leben. Sie würden neu und existentiell in die Kirche eingebunden, würden Kirche. Dies geschehe nicht in einer Bewegung, nicht in einer Organisation, nicht durch eine neue Seelsorgsmethode, sondern durch das Wehen des Gottesgeistes an Menschen, die durch den Dienst der Kirche für ihn offen würden. So sei die Charismatische Gemeindeerneuerung ein umfassendes geistliches Geschehen, das das ganze persönliche, gemeinschaftliche und kirchliche Leben durchdringe und verwandle.

Kardinal Suenens ist vom Papst beauftragt, dieser Strömung geistlicher Erneuerung, der Charismatischen Gemeindeerneuerung zu dienen.

Ein lebendiges Zeichen der Wirksamkeit des Gottesgeistes in der Welt von heute war die Botschaft von Tatjana Goritschewa. Atheistisch erzogen, war sie Marxistin, Leiterin in der studentischen Jugend, hat den Existenzialismus und Nihilismus gelebt und unerwartet und plötzlich Gott gefunden. „Nicht wir haben Gott ge sucht; er hat uns gesucht und gefunden“, sagte sie. Was unter der Elite der russischen Jugend seit etwa zehn Jahren geschieht, ist ein Herabkommen des Gottesgeistes, wie es schon die Apostelgeschichte an vielen Stellen bezeugt. Tatjana Goritschewa selbst hat vor den Augen des KGB als Christin gelebt und geworben, bis sie nach dem Westen abgeschoben wurde.

Von den Pfingstkirchen kam der Impuls zur Annahme der Geistesgaben (Charismen) und zur Evangelisation. Und nun gehen in der Kirche Türen auf, Vergessenes und Verachtetes tritt wieder ins Bewußtsein, Abgestorbenes wird wieder lebendig, geistliches Leben erwacht, die Gnade der Sakramente (auch des Bußsakramentes) wird wieder erfahren. Das lebendige Lehramt wird wirksam und die ungeheuer reiche geistliche Tradition wird erkannt und neu belebt. Dies alles war bei dieser Tagung spürbar. Eine Hoffnung.

„Diese Tagung wurde für mich zu einer ganz starken Herausforderung des Heiligen Geistes, die mich nicht mehr ruhen lassen wird“, sagte ein Teilnehmer zum Abschluß.

Der Autor ist Beauftragter für Charismatische Gemeindeerneuerung und Pfarrer in Wien.

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