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Ein sehr moderner Erasmianer

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Im Gedenken an den Freund und Weggefährten der ersten FURCHE Friedrich Heer

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Im Gedenken an den Freund und Weggefährten der ersten FURCHE Friedrich Heer

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Tür an Tür sitzen wir schon manches Jahr in diesem Haus.

Tor an Tor sitzen viele Menschen

cor ad cor loquitur hat einmal einer gesagt,

es ist aber schon lange her

Fast sind Widmungsworte, die mir Friedrich Heer beinahe auf den Tag genau vor nunmehr vierzig

Jahren in seinen damals soeben erschienenen Roman „Der achte Tag" geschrieben hatte.

„Tür an Tür" bin ich - tatsächlich - durch viele Jahre mit Friedrich Heer in jenem Haus in der Strozzi-gasse gesessen, welches durch Jahrzehnte die Redaktion der FURCHE beherbergt hatte. Und oft hatte das Herz zum Herzen gesprochen. In guten und offenen Freundesgesprächen. In diesen wurden nicht nur Pläne für die Gestaltung des Blattes, das uns gemeinsame geistige Heimat geworden war, geschmiedet, sondern auch Sorgen um dessen Zukunft geäußert sowie die

Entwicklung Österreichs offen erörtert. Später - warum es verschweigen - wurde es immer schwieriger, mit Friedrich Heer in einen eingehenden freundschaftlichen Meinungs- und Gedankenaustausch zu treten. Der Wortführer des „Gesprächs der Feinde" geriet in einen gewissen „Notstand", wenn es galt Freundesgespräche zu führen. Ich spreche von jener Zeit, nachdem Heer die Redaktionsgemeinschaft verlassen hatte. Sein „Exodus" brach nicht nur einen Eckpfeiler aus dem alten FURCHE-Team, in dem jeder - das darf ruhig behauptet werden - eine Marke für sich war, er setzte Heer auch frei. Allzu frei vielleicht - für viele Alleingänge.

Zugegeben: der alte Friedrich Funder war uns allen ein gestrenger Lehrmeister gewesen. Unter dessen „Zuchtrute" hatte Heer mehr als einmal gestöhnt. Aber auch über den Schreiber dieses Gedenkblattes war unser Fritz nicht immer glücklich gewesen, wenn er ihn bitten mußte, diese oder jene Passage aus einem Artikel wegzulassen. Eine unnötige Aggressivität verbaler Natur hätte schon früh das

Wirken der FURCHE - Funder gebrauchte dafür sogar das Wort „Mission" -gefährden können. Heer knurrte zwar mitunter, war aber stets kooperationsbereit. Die später gelegentlich kolportierte Meinung, Heer sei in der FURCHE „geknechtet" und aller seiner Inspirationen beraubt gewesen, ist eine Legende. Im Gegenteil: hier wurde ihm zunächst gleichsam in Gewährung eines „Privilegium maius" Gelegenheit geboten, die Vormittage allein für die Arbeit an seinen Büchern zu nutzen. Vor allem aber bot die Gemeinschaft der Redaktion geistige Geborgenheit und etwas, wofür mir das Wort „Stallwärme" nicht unangebracht erscheint.

Ohne diese Einbettung in eine Gemeinschaft geriet unser Freund in der Folgezeit oft zu einem „Einmanntorpedo", dessen Wortmeldungen und Aktivitäten ihm den Ruf eines österreichischen Wortführers des Linkskatholizismus eintrugen. Seine nicht unbedingt sehr lautstark vorgebrachten Beteuerungen, nur Wortführer eines „modernen österreichischen Konservativismus"-gleichweit entfernt

von der Reaktion wie von der Revolution zu sein, verhallten dagegen. Nicht wenig freilich trug Heer in Wort und Schrift oder auch nur in der unterbliebenen Distanzierung mit dazu bei, daß man ihm das oben genannte Etikett an den Rock heftete. Ich denke in diesem Zusammenhang an seine anfänglichen Sympathien für die Exponenten der 68er Generation. Ich erinnere mich an sein Wort „Ich könnte ein deutscher Schwärmerführer werden". Doch bald zog er sich, erschreckt von deren Radikalismus in Wort und Tat, von diesen „jungen Mönchen" - als solche erscheinen ihm diese humorlosen, j a gemeingefährlichen Eiferer - zurück. Nein: bei den Schwarmgeistern war nicht sein Platz, er, der sich ein anderes-mal in die Nachfolge des Erasmus von Rotterdam einordnete. Auch diesem blieb manche Verkennung, ja Verketzerung bekanntlich nicht erspart. Dort, genau dort ist geistesgeschichtlich sein Platz. Als Wortführer einer „offenen Katho-lizität" („Rom: Offene Stadt" - so einer seiner besten Artikel, die mir in Erinnerung sind), als ein sehr Eigenwilliger und, zugegeben oft

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