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Ein Sieg der Kleinbürger

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Die Wiener Volkspartei unter Erhard Busek ist mit dem Experiment einer offenen Partei offenbar gescheitert. Ein Intellektueller versucht eine Antwort auf das Warum.

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Die Wiener Volkspartei unter Erhard Busek ist mit dem Experiment einer offenen Partei offenbar gescheitert. Ein Intellektueller versucht eine Antwort auf das Warum.

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Die Niederlage der Wiener Volkspartei beendete eine Illusion: sie besitzt weder jene tolerante Offenheit, die man stets mit „Liberalität“ verwechselt und für die Erhard Busek einstehen wollte, noch ist sie in der Lage, ihre politischen Vorhaben, die auf Bun-

desebene dürftig genug sind, in Wählergunst umzusetzen.

Busek war also am 8. November das Opfer eines landesweiten politischen Rechtsrucks geworden, weshalb in seiner Partei nicht nur Niedergeschlagenheit herrschte. Man muß doch festhalten, daß die Wiener Wahlen ein weiteres Beispiel dafür sind, wie ein reaktionäres Land den Konservativismus zerstört.

Urtö die siegreichen Zerstörer sitzen überall, in allen Parteigremien aller traditionellen Partei-

en, in den Bünden der Volkspartei und in den Bürokratien des Staates. Für diese war Buseks Mißerfolg der Sieg.

Wahrscheinlich muß man hier einem Politiker vorwerfen, wie man es früher Generälen nach verlorenen Schlachten tat, sich teils in seiner eigenen Partei getäuscht zu haben, teils den reaktionären Teil, der in der Partei und in allen Bünden den Part des

renitent-antisemitischen Kleinbürgers erfolgreich spielt, seit langem unterschätzt zu haben.

Also rettet die Niederlage in Wien die Bundesparteileitung nicht nur vor dem längst fälligen Harakiri, sondern läßt vor allem den Generalsekretär hoffen, nun könne er endlich konkurrenzlos die Politik gestalten.

Verfolgt man nämlich die Aussagen des ÖVP-Generalsekretärs, will er vermutlich in Österreich ein ähnliches Rollenspiel mit Jörg Haider wiederholen, wie es vor 1933 der Politiker der Zentrumspartei, Franz von Papen, mit Adolf Hitler obszön und gemeingefährlich vorgemacht hatte. Deshalb verläßt die Volkspartei die politische Mitte in Österreich ohne Gegenwehr und glaubt, ein wachsender reaktionärer Irrationalismus werde ihr gemeinsam mit der FPÖ zum Sieg über die Sozialdemokratie verhelfen.

Natürlich bieten diese Umstände dem gegenwärtigen Bundeskanzler die Möglichkeit, nahezu wider Willen ein Staatsmann zu werden, wie sie in Wien den gestärkten Bürgermeister zwingen, der gemeinsame Nenner für alle gutwilligen Demokraten zu werden.

Die ehrgeizige Oppositionsrolle von Erhard Busek ist am Ende, und sein politischer Kopf wird nur deshalb nicht in den Sand rollen, da die ÖVP schon kaum mehr Köpfe besitzt, die sie noch köpfen

könnte. Die Reaktionen in der ÖVP sind daher einerseits von einer Erleichterung diktiert, andererseits von der Rache der Reaktion, der Busek ein Dorn im Auge war.

Das surreale Schauspiel wird sich aber fortsetzen: Ausgerechnet Landeshauptmann Siegfried Ludwig wird jetzt für Busek und gegen die Bundesparteileitung votieren müssen, will er nicht bei seinen Landeswahlen im nächsten Jahr sein Amt als Landeshauptmann verlieren.

Das Spiel setzt sich also fort, unbeschadet der Umstände, ob nun die Republik selbst vor größeren Problemen steht, als es die Personaldiskussion in der ÖVP ist, oder ob die angespannte sozio-ökonomische Situation sich weiter verschlechtert.

Jedenfalls siegt in Osterreich in jedem Bereich der Rückschritt undzermalmt vorerst jene konservative Tradition, die Erhard Busek immerhin fortzusetzen versuchte. Seine Niederlage innerhalb seiner Partei kann nur kurze Zeit über die künftig eintretende Niederlage der ÖVP auf Bundesebene trösten.

Die kommenden starken Männer werden sich bald entweder allein sehen oder inmitten einer Schar Getreuer, die in der politischen und Geistesgeschichte des Landes gerade kein Ruhmesblatt vorstellen.

Der Autor ist Dozent am Institut für Soziologie der Universität Wien.

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