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Ein sowjetischer Armeegeneral gibt erhellende Auskunft

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Der Autor, General Gribkow, war langjähriger Stabschef des 1991 von Moskau aus aufgelösten Warschauer Paktes, also einer, der in der sowjetischen Armee-Hierarchie eigentlich der „vierte Mann" gewesen war. Seine Memoiren verfaßte Gribkow noch in jener Zeit, als die Sowjetunion als Staat und Supermilitärmacht bestand und nicht erst, als „Perestrojka" und „Glasnost" in der Gesellschaft vorherrschten.

Der Leser seiner Memoiren profitiert von dieser Tatsache. Und das, weil Gribkow in seinem Buch sehr freimütig über die sowjetische militärische Vergangenheit berichtet, manche interessante Angaben und Dokumente zitiert, die bis jetzt als „geheim" eingestuft waren (zum Beispiel die enormen Verlustzahlen der Roten Armee im Winterkrieg 1939/40 gegen die Finnen) und dies alles in Würde,

sich auf die neuen Zeiten berufend.

Nacherzählt wird im Buch eine militärische Karriere, die den Autor an viele Brennpunkte der Geschichte unseres Jahrhunderts führte. Gribkow ist in einem Dorf am Don 1919 geboren, wurde Berufsmilitär, erlebte seinen ersten Einsatz als junger Panzeroffizier im Krieg gegen die Finnen und den deutsch-sowjetischen Krieg 1941-45 durchlebte er an verschiedenen Fronten, worüber er mit manchen interessanten Angaben aufwartet.

Werdegang nach 1945

Sehr aufschlußreich sind jene Kapitel seines Buches - eigentlich das Gros der erzählten -, wo Gribkow über seinen militärischen Werdegang nach 1945 berichtet. Die bisherigen osteuropäischen Militär-Memoiren hören in der Regel mit dem Jahr 1945 auf - was selbstverständlich sehr schade ist, denn die Entwicklung der Roten Armee zu einer Supermacht mit allen ihren Vor- und Nachteilen

begann gerade nach dem Sieg über Hitler-Deutschland.

General Gribkow macht nun in seinen Memoiren „Schule": er berichtet über seinen Werdegang in den fünfziger Jahren (er war Zeuge der ersten sowjetischen Atomwaffen-Einsatzübungen), über seine verschiedenen Kommandos in den Stäben der Landarmee, über die politischen Zwistig-keiten innerhalb der Roten Armee und widmet mehrere Kapitel der Geschichte der Kuba-Krise 1962, wo er selbst auf der „Zuckerinsel" gewesen war, als Chruschtschow die sowjetischen Raketen gegen die USA montieren ließ. Seine Darstellung dazu enthält erstmals alle Fakten jener sowjetischen Operation, die die Welt an den Abgrund eines Atomkrieges führte.

In seinen weiteren Ausführungen liefert der General reichlich Material zu seiner zwölfjährigen Tätigkeit beim Warschauer Pakt, schreibt über die „polnische Krise" (Dezember 1981) und berichtet von zahlreichen Begeg-

nungen mit den Partei- und Staatsführern der Ostblockländer.

In einem Dokumentaranhang werden erstmals in deutscher Sprache die Briefe zwischen Chruschtschow, Fidel Castro und J. F. Kennedy von Ende Oktober 1962- Höhepunkt der Kubakrise! - publiziert.

Verlag hat rasch reagiert

Der Berliner Verlag hat gut getan, dieses Buch den deutschsprachigen Lesern rasch und in einer guten Übersetzung zu präsentieren. Wir hoffen, er wird diesen Trend fortsetzen. Als nächstes - interessantes - Buch ist bereits eine Biographie des sowjetischen Himmler - Lawrentij Berija -vorgesehen. Wiederum verfaßt von einem maßgeblichen sowjetischen Autor, der zu seinen Ausführungen Geheimakten studieren konnte.

IM DIENSTE DER SOWJETUNION. Erinnerungen eines Armeegenerals. Von Anatoli I. Gribkow. Edition „Q", Berlin 1992.526 Seiten mit vielen Fotos.

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