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Ein Sperr-Riegel gegen Skandale

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Politiker und Beamte haben in den letzten Jahren wiederholt die Kontrolle über Großprojekte verloren. Tatsächlich ist die „Kontrolle alten Stils" längst überholt.

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Politiker und Beamte haben in den letzten Jahren wiederholt die Kontrolle über Großprojekte verloren. Tatsächlich ist die „Kontrolle alten Stils" längst überholt.

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Neben der Mitbeteiligung der Bürger, der Öffentlichkeit und der politischen Kultur ist die Kontrolle eine der tragenden Säulen einer funktionierenden rechtsstaatlichen Demokratie. Da eine Anhäufung von Korruption, Machtmißbrauch und Vorfällen im Halbschatten zu einer Systemkrise der Demokratie führen kann, kommt einer funktionierenden Kontrolle ein besonderer Stellenwert zu.

Wir haben in Österreich im Bereich der rechtlichen Kontrolle ein bewährtes Rechtsschutzsystem. Unter anderem steht der Weg zu unabhängigen Höchstgerichten offen. Die politische Kontrolle lebt dagegen in einer abgelegenen Auszugsstube. Weder im Bund noch in den Ländern üben die gesetzgebenden Körperschaften eine effiziente Kontrolle über die jeweilige Regierung aus.

Im Bereich der finanziellen Kontrolle ist festzustellen, daß die in „alter Tradition" ausgeübte, ausschließlich nachgängige Kontrolle notleidend geworden ist.

Obwohl der durch die präventive Wirkung gegebene Wert der ex-post-Kontrolle außer Zweifel steht, kann sie sehr oft nur mehr feststellen, daß die berühmte Kuh längst aus dem Stall ist oder daß der Zug in die falsche Richtung gefahren ist. Es ist die Frage zu stellen, ob es nicht besser wäre, vorher die Stalltür zu schließen oder Weichenstellungen vorzunehmen.

Für den Bereich der Finanzkontrolle sollte gelten, daß diese in einem Staatsgebilde, dessen Auf ga-benfülle und dessen Apparat gewaltige Dimensionen angenommen haben, als — wenn auch bescheidenes — Gegengewicht zur heute schon oft gegebenen staatlichen Allmacht aufgebaut werden sollte.

In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, daß Kontrol-lore, die in Selbstbemitleidung und Frustration darüber jammern, daß ihre Berichte schubla-disiert und archiviert werden, eher darüber nachdenken sollten, welchen Beitrag zu mehr Effizienz sie selbst leisten können.

Mit der Schaffung des Landes-rechnimgshofes hat der Steiermär-kische Landtag vor fünf Jahren den Versuch unternommen, im Bereich der Kontrolle neue Wege zu beschreiten. Seit dieser Zeit gibt es für die neugeschaffenen unorthodoxen und unkonventionellen Kontrollinstrumente österreichweit Zuspruch und Widerspruch.

Der größte Schritt in die ,JCon-trollzukunft" war die Einfühnmg der sogenannten Projektkontrolle.

Bei Großprojekten — die Grenze liegt derzeit bei rund 50 Millionen Schilling - prüft der Landesrechnungshof bereits vor Baubeginn die ihm vorzulegenden detaillierten Bau- und Folge-Kosten-Berechnungen und gibt ein Urteil darüber ab, ob für das geplante Projekt überhaupt ein Bedarf besteht und die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit eingehalten werden.

Alles das, was im Land Steiermark nunmehr unter dem stolzen Titel „Projektkontrolle" läuft, ist aber nur das, was in der Privatwirtschaft unter der Bezeichnung „genaue Kalkulation" seit eh und je eine existenzerhaltende Notwendigkeit war.

Nach vier Jahren Projektkontrolle kann festgestellt werden, daß das Zeitalter, in dem das Nichtermitteln der Kosten oft ein gerne gesehenes Kavaliersdelikt war, dem Ende zugegangen ist. Unnotwendige Prestigebauten sind nicht mehr durchbringbar.

Im Zuge der Projektkontrolle kommt es insbesondere bei der Bedarfsprüfung oft zu einem gemeinsamen Nachdenkprozeß beziehungsweise kommt der Kontrolle eine „Sperr-Riegel-Funk-tion" zu:

Aus einem Krankenhaus, das einen Aufwand von zwei Milliarden Schilling erfordert hätte, wurde ein Krankenhaus mit Baukosten von einer Milliarde Schilling, das trotzdem alle Anforde-

rungen erfüllen wird. Ein 200-Mil-lionen-Amtsgebäude wurde auf ein 100-Millionen-Projekt mit dem Ergebnis reduziert, daß trotzdem alle Anforderungen erfüllt sind.

Bei Großbauvorhaben der öffentlichen Hand sollte auch die Kontrolle permanent beraten, wie ein generalstabsmäßiges Management und eine korrekte Bauabwicklung sichergestellt werden können.

Hiezu ein Beispiel: Die Errichtung des Thermalbades in Loipersdorf war „skandalbelastet". Die Kontrollinstanz mußte aufzeigen, daß der Steiermärkischen Landesregierung vor Baubeginn voraussichtliche Gesamtkosten in der Höhe von 80 Millionen Schilling berichtet wurden, während sie nach Baufertigstellung 580 Millionen Schilling betrugen. Der Kontrollbericht war jedoch inso-ferne ,Jiistorisch", als er nur mehr bereits geschehene Fakten aufzeigen konnte.

Nachdem kurze Zeit später die gesamte Anlage bis auf die Grundmauern niedergebrannt war, konnte es sich der damals bereits geschaffene Landesrechnungshof nicht leisten, nur als Zuschauer und nachträglicher Kritiker zu fungieren. Der Landesrechnungshof hat nach einem präzisen Einsatzplan permanent mitkontrolliert. Wie von den Medien besonders hervorgehoben, wurde der Wiederaufbau zu einem „Festspiel des Planens und Rechnens".

Da die Kontrolle permanent den sich ändernden Gegebenheiten angepaßt werden muß und ihr Einsatzort dort zu sein hat, wo sie dem Steuerzahler und Staatsbürger am meisten dient, wurden in der Steiermark noch weitere „Kontrollunikate" entwickelt:

• Als einzige Kontrollinstanz, die Organ einer österreichischen gesetzgebenden Körperschaft ist, darf der Landesrechnungshof auch alle Wohnbauträger überprüfen und setzt gerade in diesem Bereich einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Bei Einzelprüfungen gewonnenes Kontroll-know-how hat die Landesregierung bei der Erstellung der neuen Wohn-bauförderungsrichtlinien berücksichtigt, die als die strengsten aller österreichischen Bimdeslän-der gelten.

• Nach Erlassung eines Ausführungsgesetzes wird dem Landesrechnungshof auch die Funktion einer Vergabekontrollkommission zukommen. Ein Bieter, der sich bei einem öffentlichen, aus Steuermitteln finanzierten Auftrag übergangen fühlt, wird die Möglichkeit haben, sich an eine unabhängige Instanz wenden zu können. Das Vergabewesen wird dadurch transparenter werden.

• Nach einem bereits im Landtag eingebrachten Gesetz werden zwei Prozent der Wahlberechtigten das Recht haben, eine „Kontrollinitiative" einzubringen. Die Bürgermitbeteiligung wird also auch auf dem Sektor der Finanzkontrolle Realität.

Die Finanzkontrolle ist weder eine Zauberformel, die alle Probleme löst, noch kann sie Moral, Berufsethos und Verantwortungsgefühl ersetzen. Gerade in der heutigen Zeit hat sie jedoch viele Chancen und Möglichkeiten, die es zu nützen gilt.

Der Autor ist Landesrechnungshofdirektor in der Steiermark.

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