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Ein Spiegelbild der Liebe Gottes

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Daß die Ehe theologisch als Sakrament aufgefaßt wird, ist manchen unverständlich, manchen - im Hinblick auf das ökumenische Gespräch - lästig. Warum ist sie Sakrament?

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Daß die Ehe theologisch als Sakrament aufgefaßt wird, ist manchen unverständlich, manchen - im Hinblick auf das ökumenische Gespräch - lästig. Warum ist sie Sakrament?

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Gelegentlich hört man von katholischen Christen ein Stöhnen, wenn davon die Rede ist, daß die Ehe theologisch als Sakrament aufgefaßt wird. Diese Charakteristik ist offensichtlich nur schwer zu beschreiben, wenn Nichttheologen verstehen wollen, worum es dabei geht. Als besonders lästig empfinden manche die Sakramentalität der Ehe im ökumenischen Gespräch. Als ob es nicht schon genug Probleme zwischen den Kirchen gäbe!

In meiner praktischen Arbeit -dabei denke ich insbesondere an Ehevorbereitung und Ehebegleitung - habe ich die katholische Tradition mit den Jahren immer mehr schätzengelernt. Ehe als Sakrament - das ist eine kostbare Aussage: Die sexuell gefärbte Liebe von Mann und Frau ist für katholische Christen ein Zeichen für die Liebe Gottes!

Man sollte einmal versuchen, diese Wahrheit langsam zu entwickeln: Sakramente sollen uns das Wirken des unsichtbaren Gottes erlebbar machen. Nun geht es um ein Zeichen für den Bund, den Gott durch Christus mit der Kirche, also mit den Menschen, geschlossen hat. Es ist ein Bund der Liebe, zu dem Gott treu steht, egal wie wir uns verhalten. Dafür wurde nicht die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind gewählt; auch nicht die aufopfernde Liebe von Menschen, die den Armen, Kranken und Ausgestoßenen dienen. Um die leidenschaftliche Liebe Gottes zu uns Menschen darzustellen,wurde der Bund von Mann und Frau gewählt. In ihrer ganzheitlichen Liebe stellen sie das unfaßbare Geheimnis Gottes dar.

Man sage nicht: Eine solche Auffassung sei in den Köpfen von Durchschnittskatholiken nicht vorhanden. Wie bei allen Glaubensinhalten gibt es auch bezüglich der Ehe eine breite Skala von Verstehensmöglichkeiten.

Sogar Menschen ohne viel religiöse Praxis wissen meistens das eine: Ehe nach christlichem Verständnis hat mit Gott zu tun. In einer Diskussion bei einer Bildungsveranstaltung in einer Landgemeinde habe ich das von einem jüngeren Mann einmal so gehört: „Es ist doch normal, daß zwei, die sich mögen, erst einmal zusammen wohnen; man muß doch sehen, ob es mit einem Menschen geht. Wenn die beiden dann an eine gemeinsame Zukunft denken, werden sie standesamtlich heiraten. Aber kirchlich, das ist richtig ernst; da ist der Herrgott dabei; da muß man schon glauben, daß es auch wirklich hält.“

Es läßt sich aber auch eine neuere bemerkenswerte Entwicklung feststellen. In den letzten Jahrzehnten ist bei vielen Ehepaaren, die ihr Leben aus dem Glauben gestalten wollen, ein vertieftes Eheverständnis gewachsen, das sich in der alltäglichen Ehewirklichkeit unmittelbar auswirkt. Hier muß man auch als Theologe nachschauen, wenn man die Ehe als Sakrament besser verstehen will. Im folgenden drei Beispiele:

Der Gott, der aus Liebe mit uns kommunizieren will, wird als Motiv erlebt, die partnerschaftliche Kommunikation zu entwickeln. Ehepaare, die immer wieder zu Exerzitien kommen, in denen dem Zweiergespräch relativ breiter Raum gegeben ist, sagen mir öfter: Erst seit wir uns bewußt Zeit nehmen für intensive Gespräche, erst seit wir auch die verborgenen Gedanken aussprechen, entdek-ken wir, in welche Tiefe unsere Verbundenheit wachsen kann.

Der dreifaltige Gott, dessen innerstes Wesen Liebesaustausch ist, wird in neuer Weise als Urbild erfahren, nach dem der Mensch geschaffen ist. Das gemeinsame

Wachsen in der Liebe wird so zum Wesentlichen, an dem sich das Gelingen des Lebens entscheidet. Und die Kultivierung der Erotik hat dabei eine eminente Bedeutung. Das alltägliche Leben mit Zärtlichkeit einfärben, so daß die sexuelle Begegnung dann wirklich ausdrückt, was in der Beziehung vorhanden ist, ist im Bewußtsein solcher Partner gelebtes Ehesakrament.

Gott, der Mann und Frau zur Gemeinsamkeit bestimmt hat — er schenkt jedem Menschen auch individuelle Talente, die sich nicht mit den Neigungen des Partners decken müssen. Diese Talente zu entfalten, verlangt einen persönlichen Freiraum, der in Spannung zur notwendigen Gemeinsamkeit steht. Die Konflikte, die daraus entstehen, menschenwürdig zu regeln, ist eine lebenslange Aufgabe, die den Partnern bewußtmachen kann, daß ihnen ihre zwei Leben zur freien Gestaltung anvertraut sind, so wie der Schöpfer die Erde und alle menschliche Gemeinschaft der Menschheit als ganzer übergeben hat.

Dem Skeptiker gestehe ich gern zu, daß diese drei Gedanken etwas hochgestochen wirken können. Besonders in so komprimierter Form mögen sie lebensfremd wirken. In welcher Ehe wird schon so intensiv und intim geredet? Wo gibt es denn diese kultivierte Zärtlichkeit? Ich erwähne hier Lebensmöglichkeiten, die von einer Minderheit als Konsequenz aus dem Glauben entwickelt werden. Und das war in der christlichen Geschichte eigentlich immer der Weg, auf dem zündende Ideen zum großen Feuer geworden sind.

Damit taucht auch schon eines der zwei Hauptprobleme der Sa-kramentenpastoral, soweit sie die Ehe betrifft, auf: Als Sakrament kann Ehe nur aus dem Glauben gelebt werden. Wie steht es mit diesem Glauben in unserer Zeit? Ohne über etwas so Persönliches urteilen zu wollen, kann man doch aufgrund von Gesprächen mit Brautleuten über ihre Motivation für eine kirchliche Eheschließung sagen, daß es bei sehr vielen, die eine Trauung in der Kirche wollen, nicht um eine Entscheidung aus dem Glauben geht. Auch die Bejahung der wesentlichen Eigenschaften einer christlichen Ehe läßt zu wünschen übrig. Die entsprechenden Fragen im Trauungsprotokoll werden zwar für das Kirchenrecht genügend positiv beantwortet, jeder Seelsorger weiß aber, daß häufig unausgesprochene Vorbehalte dahinterstehen. Etwa die Einstellung: Wenn wir uns nicht verstehen, können wir uns ja wieder trennen.

Das zweite Problem betrifft die kirchliche Einstellung zu Geschiedenen, die wieder geheiratet haben; standesamtlich selbstverständlich, weil ihnen eine kirchliche Trauung ja verwehrt ist. Die Tradition der katholischen Kirche ist in diesem Punkt ganz klar und deckt sich mit dem Kirchenrecht. Alle pastoralen Bemühungen um die Integration der wiederverheirateten Geschiedenen in das kirchliche Leben finden ihre Grenze da, wo es um einen Ritus für den „zweiten Anlauf“ geht.

Nichtsdestoweniger trauen sich gute Theologen im ungeschützten Gespräch nicht zu sagen, daß eine solche — kirchenrechtlich ungültige — Ehe auf keinen Fall sakramentalen Charakter haben könne. Keiner traut sich zwar eine solche Überlegung gegenwärtig zu publizieren, in der Zukunft wird aber meines Erachtens darüber nachgedacht werden müssen, ob man mit einem einfachen Nein — Eure Ehe ist nicht sakramental! — jenen Partnern gerecht wird, die ihre Gemeinsamkeit aus dem Glauben gestalten, ihre Kinder als Christen erziehen und für die Umgebung das darstellen, was man sich unter einer christlichen Ehe vorstellt.

Um nicht mißverstanden zu werden: Der vorige Absatz nennt ein Problem, das in nächster Zukunft sicher nicht gelöst werden kann. Deshalb lohnt es sich nicht, darüber zu streiten. In einer Kirche, die auf dem Weg des Glaubens ist, muß es aber auch möglich sein, offene Fragen auszusprechen, damit sie — um der betroffenen Menschen willen -langfristig nicht vergessen werden.

Abschließend eine subjektive Einschätzung der gegenwärtigen Situation: Aus dem großen Potential der ehemaligen Volkskirche entwickeln sich an den Rändern zwei entgegengesetzte Gruppen: die Agnostiker, die mit der Zeit auch aus der Kirche austreten, und auf der anderen Seite jene Christen, die bewußt aus dem Glauben ihr Leben gestalten. Dazwischen liegt die breite Schicht der Beeinflußbaren, die sich gern der Mehrheit anschließen.

Die Entwicklung in der Einstellung zur Ehe wird mit dem großen Trend parallel gehen. Deshalb sollte kirchliches Bemühen in erster Linie die bewußten Christen im Auge haben, damit sie jenes vertiefte Eheverständnis aufnehmen können, das gegenwärtig von einer kleinen Minderheit bewußt entwickelt wird. Verkündigung des Sakramentes Ehe heißt dann: So leben wir als Konsequenz unseres Glaubens. Wenn euch diese Alternative interessiert, können wir gern etwas darüber erzählen.

Der Autor ist Familienseelsorger in der Diözese Linz.

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