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Digital In Arbeit

Ein Sprengsatz fiir die Zukunft

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Schon heute finden viele Jugendliche nach der Schule keinen Arbeitsplatz. Für sie beginnt das Erwerbsleben mit Arbeitslosigkeit - Ferien ohne ein absehbares Ende?

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Schon heute finden viele Jugendliche nach der Schule keinen Arbeitsplatz. Für sie beginnt das Erwerbsleben mit Arbeitslosigkeit - Ferien ohne ein absehbares Ende?

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Das waren noch Zeiten, kommt Otto Krischkowsky vom Arbeitsamt für Jugendliche in Wien ins Schwärmen, wenn er zehn oder fünfzehn Jahre zurückdenkt. Damals, so Krischkowsky, hätten sich zukünftige Lehrherren vor den Arbeitsämtern regelrecht auf die Jagd nach potentiellen Lehrlingen gemacht, mit Moped und Sparbuch als Köder.

Die Zeiten, in denen auf dem Arbeitsmaękt ein Überangebot an Lehrstellen vorhanden war, sind indes längst vorfcyei. Seit etwa zwei Jahren hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt.

Nach einer Statistik der Arbeiterkammer wurden im April des heurigen Jahres von den Betrieben 1107 offene Lehrstellen gemeldet. Die Zahl der vorgemerkten Lehrsteilen-Suchenden betrug jedoch 2927.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß es angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage in den letzten Jahren üblich geworden ist, sich in weiser Voraussicht gleich um mehrere Lehrstellen gleichzeitig zu bewerben, werden im Herbst dieses Jahres allein in Wien 400 bis 600 Schulabgänger vergeblich einen Lehrplatz gesucht haben, schätzt Franz Forsthuber von der Lehrlingsstelle der Wiener Handelskammer.

Die Ferien werden sich für viele Jugendliche somit unfreiwillig verlängern — für wie lange, wagt heute niemand vorauszusagen.

Ferien ohne absehbares Ende wird es auch für viele Absolventen der berufsbildenden höheren Schulen geben, ganz zu schweigen von den Maturanten der allgemeinbildenden höheren Schulen, die mit dem Reifezeugnis in der Hand nicht auf die Universitäten, sondern in einen Beruf drängen.

Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik zeigt die Dimension des Problems Jugendarbeitslosigkeit.'

Im Jahresdurchschnitt 1982 wurde in Österreich insgesamt eine Arbeitslosenrate von 3,7 Prozent erreicht, eine Marke, die seit den fünfziger Jahren bei uns unbekannt war. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg lag 1982 die Arbeitslosenrate bei den Männern höher als bei den Frauen.

Von allen Altersgruppen aber erreichte die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen mit vier Prozent den höchsten Wert. Dabei wiesen die 15- bis 19jährigen Mädchen die höchste Arbeitslosenrate auf, gefolgt von den 20- bis 25jährigen Männern.

Vierzig Prozent aller 1982 in Österreich registrierten Arbeitslosen waren unter 25 Jahre alt. Und der Trend wird sich, in den kommenden Jahren noch verstärken.

Vor welche persönlichen, familiären und sozialen Probleme Jugendliche gestellt werden, denen schon der Eintritt ins Berufsleben versperrt bleibt, läßt sich nur erahnen. Wie überhaupt arbeitssuchende Schulabgänger in keiner Arbeitslosenstatistik auf scheinen und somit auch keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung haben.

Frustration und Hoffnungslosigkeit der stellensuchenden Jugendlichen werden zum sozialen Sprengsatz unserer Gesellschaft.

Und wenn viele verantwortliche Politiker und Arbeitsmarktexperten für die nächsten Jahre auf eine Entspannung im Bereich Jugendbeschäftigung allein schon durch den natürlichen Rückgang der Geburtenzahlen während der siebziger Jahre hoffen, dann erweist sich diese Hoffnung mehr als trügerisch.

Zwar zählen die Geburtsjahrgänge 1966,1967 und 1968m der Tat zu den geburtenstärksten. Wenn aber zu Beginn der neunziger Jahre die Zahl der in den Beruf drängenden Jugendlichen um rund vierzig Prozent abnimmt, dann hat sich nach allen Prognosen auch das Arbeitsplatzangebot durch abeschwächtes Wirtschaftswachstum und zunehmende Rationalisierung zu dieser Zeit erheblich verringert.

Was tun?

Schon heute trifft die Arbeitslosigkeit vor allem minder qualifizierte, psychisch und physisch benachteiligte Jugendliche am här- ‘ testen. War es in Zeiten eines Stellenüberangebots noch möglich, diese Problemgruppen in den Betrieben unterzubringen, dann sieht man am Arbeitsamt für sie „kaum noch Chancen“ (Krischkowsky). Und spielte das Schulzeugnis vor wenigen Jahren kaum eine Rolle, so bestehen viele Lehrherren heute darauf, daß im Zeugnis kein „Genügend“ aufscheint.

Die Arbeitsmarktverwaltung bereitet seit zwei1 Jahren solche „schwer vermittelbare“ Jugendliche durch sogenannte Uberbrük- kungskurse auf den Berufseinstieg vor. Mit einigem Erfolg.

Dennoch wird in den kommenden Jahren damit zu rechnen sein, daß Betriebe vermehrt dazu übergehen, den „Nur“-Pflicht- schulabsolventen erst gar nicht ins Auge zu fassen, wenn man etwa aus einem Überangebot von Handelsschülern wählen kann.

Dazu kommt, daß trotz angespannter wirtschaftlicher Lage, die Berufswünsche der Jugendlichen sich nach wie vor im traditionellen Rahmen bewegen.

90 Prozent aller Mädchen wollen in höchstens zehn Berufssparten Unterkommen (Spitzenreiter seit Jahren: Verkäuferin und Fri seuse). 90 Prozent aller Burschen konzentrieren ihr Interesse auf höchstens 30 Berufe.

Verstärkt wird diese berufliche Immobilität durch die geographische: Otto Krischkowsky vom Wiener Arbeitsamt für Jugendliche berichtet von mehreren Vermittlungsversuchen, die einfach an der Tatsache gescheitert sind, daß jugendliche Stellensuchende nicht bereit waren, etwa von Hüt- teldorf zu einem freien Lehrplatz jenseits der Donau zu pendeln.

Diesen eher pragmatischen Erschwernissen der Stellenvermittr lung, wie sie sich den Beamten der Arbeitsmarktverwaltung stellen, stehen tönende Worte der Politiker gegenüber, wie der wachsenden Jugendarbeitslosigkeit zu begegnen ist. '

Während die Regierungserklärung von Bundeskanzler Fred Si- nowatz ganze elf Zeilen dem Problem Jugendbeschäftigung widmet, erhofft die Katholische Arbeiterjugend im Verein mit sozialistischer und Gewerkschaftsjugend von einer Arbeitszeitverkürzung einen gewaltigen Schritt in Richtung Wiedererlangung der Jugendvollbeschäftigung.

Der Obmann der Jungen Volkspartei und frischgebackene Nationalratsabgeordnete Othmar Karas geht, was die wirtschaftspolitischen Bedingungen anlangt, Hand in Hand mit der Mutterpartei: Keine Reduktion der Arbeitszeit, stattdessen Entlastung der Wirtschaft, um ein besseres Investitionsklima zu schaffen.

Kurzfristig will Karas darüber- hinaus jene 100 Millionen Schilling, die jährlich in die Erhaltung des Atomkraftwerkes Zwentendorf gesteckt werden, unmittelbar für Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit verwendet wissen.

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