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Ein stachelloser Igel?

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Braucht Österreich eine eigene Rüstungsindustrie? „Nein”, argumentierte in der Vorwoche Dieter Kunz vom Internationalen Versöhnungsbund. „Ja” .sagt dazu heute ein Generalstäbler des österreichischen Bundesheeres. Die Serie wird fortgesetzt.

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Braucht Österreich eine eigene Rüstungsindustrie? „Nein”, argumentierte in der Vorwoche Dieter Kunz vom Internationalen Versöhnungsbund. „Ja” .sagt dazu heute ein Generalstäbler des österreichischen Bundesheeres. Die Serie wird fortgesetzt.

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So man ernsthaft an einem Erfassen dieses Problemkreises interessiert ist, wird man die Grundaufgaben der Lan­desverteidigung wohl nicht übersehen wollen. Im Artikel 9a des Bundesver­fassungsgesetzes heißt es dazu u. a.: „Österreich bekennt sich zur umfassen­den Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbe­sondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität".

Der Artikel 79 (1) lautet: „Dem Bun­desheer obliegt die militärische Landes­verteidigung“. Und schließlich hält die Republik im Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität fest: „Österreich wird diese (Neutralität) mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht­erhalten und verteidigen“.

Damit lautet also die Kernfrage: Welche Mittel können dem Bundesheer verfügbar gemacht werden und welche stehen ihm dann auch tatsächlich zu Gebote?

Für die Ausrüstung in ruhigen Zeiten könnte man wahrscheinlich gelassen antworten: das, was auf dem internatio­nalen Markt angeboten wird. Nimmt man an, daß unter dem Marktangebot tatsächlich ein den Erfordernissen des Bundesheeres entsprechendes Rü­stungsgut vorhanden ist, gehört vor dem Beschaffungsentscheid wohl auch untersucht, ob dessen Instandhaltung und Versorgung während seiner vor­aussichtlichen Lebensdauer, einschließ­lich eines Verteidigungsfalles, gesichert werden kann.

Die jüngste Geschichte ist immerhin voll von Beispielen, wo das Vorenthal­ten von Ersatzteilen oder Munition zur Beeinflussung von Staaten benutzt

wurde, die sich in einer bewaffneten Auseinandersetzung befanden.

Es spricht also aus rein militärischen Rücksichten vieles dafür, bei Beschaf­fungsentscheidungen, entsprechende Leistungen vorausgesetzt, einem inlän­dischen Produkt den Vorzug zu geben. Da dies auch noch den Vorteil hätte, daß Devisen erspart und Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten werden, kann man wohl der Aufnahme einer Produk­tion von Rüstungsgütern in Österreich positiv gegenüberstehen.

Der Gesetzgeber hat aber nicht nur die Aufgaben der militärischen Landes­verteidigung formuliert, sondern er di­mensioniert auch das Bundesheer und weist ihm die Mittel zu. Damit ist auch die Größenordnung für mögliche Be­schaffungen gegeben; sie bewegen sich dzt. in einem Bereich von fünf bis sechs Milliarden Schilling im Jahr im Sach­aufwand, wovon, grob gesehen, 50 Prozent für Rüstung und Ausrüstung im weitesten Sinn ausgegeben werden.

Legt man diese Summen nach Abzug von Ausgaben für Waffensysteme, die derzeit keinesfalls im Inland erzeugbar sind, auf die einzelnen Sparten bzw. Vorhaben um, so verbleiben Beschaf­fungsmengen, die zu konkurrenzfähi­gen Preisen nicht erzeugbar sind. Dabei gäbe es genügend Rüstungsgüter, die rein technisch in Österreich herstellbar und daher auch durch das Bundesheer bestellbar wären, wenn sie einen ent­sprechenden Preis hätten.

Da ein solcher Preis bei umfangrei­cheren Losgrößen durch Export erziel­bar sein könnte, muß man sich wirklich fragen, wie haltbar angesichts des ver­fassungsmäßigen eindeutigen Ja zur militärischen Landesverteidigung Ar­gumente gegen eine Inlandsfertigung von Rüstungsgütern sind.

Hinsichtlich der Exporte hat die Re­publik Österreich durch gesetzliche Maßnahmen Vorkehrungen getroffen, um regelnd eingreifen zu können. Über die Handhabung dieser Eingriffsmög­lichkeiten kann man im Einzelfall ge­teilter Meinung sein, sie scheinen aber doch sicherstellen zu können, daß aus einer im Interesse der umfassenden Landesverteidigung liegenden österrei­chischen Rüstungsproduktion keine Nachteile für die gesamte Politik des Staates entstehen.

Dabei wird immer auch mitzuüberle­gen sein, was es für Österreich bedeuten würde, wenn man ihm zu importierende Rüstungsgüter durch eine unerwartete Maßnahme vorenthält. Die auf ihre Unabhängigkeit besonders bedachten Länder Schweden und Schweiz, aber auch Jugoslawien lassen sich ihre Rü­stungsproduktion erhebliches kosten und sind dennoch auf den Export ange­wiesen.

Das isolierte Israel hat auf vielen Ge­bieten nur deswegen eine Autarkie er­reichen können, weil es stark exporto­rientiert ist. Warum nicht auch Öster­reich im Rahmen seiner Möglichkeiten

und entsprechend den Gegebenheiten des Marktes, der der beste Regulator ist?

Ein Gedanke, der möglicherweise nur indirekt mit der Landesverteidi­gung zu tun hat, aber doch in diesem Zusammenhang für einen neutralen Kleinstaat von Bedeutung sein mag, soll abschließend noch besprochen wer­den.

Wenn immer mehr Anbieter vom Markt verschwinden, wird deswegen, aller geschichtlichen Erfahrung nach, nicht die „Kauflust“ an Rüstung ver­schwinden, sondern es wird der Zug zur Marktbeherrschung durch die Großen gefördert - mit allen jenen negativen Aspekten, die sonst Multis vorgewor­fen werden, bis hin zur politischen Ab­hängigkeit. Dies kann dann letztlich auch jene treffen, die so eifrig durch Kampf gegen den Waffenexport aus

dem eigenen Land einer solchen Ent­wicklung Vorschuß geleistet haben.

Um noch einmal kurz zusammenzu­fassen: „Österreich ist auf Grund seiner immerwährenden Neutralität ver­pflichtet, auch die militärische Landes­verteidigung vorzusehen. Andererseits darf sich Österreich militär- und damit auch rüstungspolitisch nicht in Abhän­gigkeit von anderen, insbesondere blockgebundenen Ländern begeben. Aus diesem Grund wäre ein Verzicht auf jede eigene Waffenproduktion be­denklich.

Wenn aber schon Waffen für den ei­genen Bedarf produziert werden, dann ist aus ökonomischen Gründen die Se­rienherstellung nur sinnvoll, wenn ein Teil davon an andere Länder exportiert werden kann - allerdings in solche Staaten, von denen ausschließlich ein verantwortlicher Umgang erwartet werden kann.

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