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Ein Steuerbalken schon am Rhein ?

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Die Diskussion um die „Sparzinsensteuer“ ist von markigen Sprüchen gekennzeichnet, die Kritik geradezu provozieren. Notwendig ist eine nüchterne Betrachtung.

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Die Diskussion um die „Sparzinsensteuer“ ist von markigen Sprüchen gekennzeichnet, die Kritik geradezu provozieren. Notwendig ist eine nüchterne Betrachtung.

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Wie es in den Blätterwald schallt, hallt es auch zurück! Das ist beim Beschwören des „Gespenstes der Sparzinsensteuer“ angesichts vorangegangener markiger Sprüche von „reichen Fettsäcken,rund „alten Mutterin“ durchaus verständlich. Verständlich auch, daß sogenannte Vorleistungen da und dort heftige Kritik geradezu provozieren mußten, aber vielleicht läßt sich mit einigen Überlegungen zum Verrauchen des Zornes beitragen: • Als die Quellensteuer auf Zinserträge in den siebziger Jahren erstmals in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, ging es schlicht und einfach um Steuererhöhung, um eine weitere Steigerung der Zwangsabgabenquote. Jede Polemik, insbesondere hinsichtlich der Besteuerungsmoral, das heißt des Mangels an Sparwillen bei den Budgetausgaben, war insofern gerechtfertigt.

Heute geschieht etwas auf der Ausgabenseite: zwar nicht umwerfend viel, aber der Konsolidierungsprozeß ist eingeleitet. Noch wichtiger ist, daß die Ausweitung der Kapitalfertragsteuer jetzt im Zuge einer Steuerreform erfolgen soll, die eine deutlich spürbare Steuersenkung bringt.

Um so unverständlicher ist, daß gerade die eifrigsten Betreiber dieser Einhebungsform der Einkommensteuer auf Zinserträge durch Äußerungen wie „Beitrag zur Budgetkonsolidierung“ und ähnliches neuerlich einer Diskreditierung Vorschub geleistet haben. Und was die Besteuerungsmoral überhaupt angeht: Da gebührt der Vorzug sicherlich der Kritik an teils überflüssigen, teüs wettbewerbsverzerrenden Steuern und Abgaben, zum Beispiel bei der Getränkebesteuerung, beziehungsweise an Doppelbesteuerungen.

• Als die Zinsertragsteuer als fauler Kompromiß geboren wurde, wies sie mindestens drei Mängel auf: sie war im Unternehmenssektor eine Kostensteuer und schädigte dadurch vor allem auch die Kreditwirtschaft; sie war wegen dieses Konstruktionsfehlers auch ein Signal, sich im Ausland und nicht im Inland zu veranlagen und führte daher zwangsläufig zu einem volkswirtschaftlich schädlichen Zinsauftrieb; und sie war - last not least - Teil eines Belastungspaketes von rund 30 Milliarden Schilling und nicht Bestandteü einer Steuersenkung.

• Es geht bei den Befürwortern einer umfassenden Kapitalertragsteuer von seiten der Wirtschaft gerade nicht um neidgenossenschaftliche Umverteilungsargumente, sondern um Gleichmäßigkeit der Besteuerung und um steuerliche Gleichbehandlung. Gleichmäßigkeit der Besteuerung heißt, alle Einkommen möglichst gleich zu besteuern (was leider hinsichtlich des 13. und 14. Gehalts und der Gewerbesteuern noch immer nicht in Sicht ist).

Die Gleichbehandlung hat zwei Seiten: erstens die Gleichbehandlung von Haushalts- und Unternehmenssphäre (hier werden Zinserträge voll von der Gewerbe- und Körperschaft- oder Einkommensteuer erfaßt) und zweitens — noch viel wichtiger - die Gleichbehandlung von Erträgen aus Spar- und Wertpapiervermögen einerseits und Beteiligungen an Sachkapital andererseits; die-se werden heute schon (in Form von Dividenden und so weiter) von der Kapitalertragsteuer voll erfaßt. Die heutige Besteuerungspraxis stellt daher eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der sogenannten Risikokapitalfinanzierung und damit zu Lasten von Innovation und Strukturwandel dar. Nach wie vor muß auf Eigenkapital für einen Nettoertrag nach Steuern, der der Wertpapierverzinsung Paroli bieten kann, mehr als 15 Prozent vor Steuern erwirtschaftet werden. Ob das für Wachstum und Beschäftigung so sinnvoll ist? Zumindest manchen Kritikern der „Zinsensteuer“ ist auch klar, daß niedrigere Zinserträge auf Rentenmärkten die Aktienmärkte fundamental stärken.

• Zu den Ungereimtheiten der Kritik gehört auch, daß just in Zeiten einer überdurchschnittlich hohen Realverzinsung auf den Inflationseffekt bei Zinserträgen hingewiesen wird. Aus diesem Grund wird wohl auch nicht ernstlich erwogen, die Kapitalertragsteuer an den Spitzensteuersatz anzupassen (der Schweizer Verrechnungssteuersatz von 35 Prozent kommt dem Spitzensteuersatz schon näher).

Weitgehend unbestritten sollte sein, daß bei Schenkungs-, Erbschafts- und Vermögensteuer flankierende Maßnahmen etwa in Form wesentlich höherer Freibeträge erforderlich sind. Beteiligungen an Produktiwermögen, die langfristig Inflationsschutz gewähren, sollten auch aus diesem Grund nicht steuerlich diskriminiert werden. • Einen ernstzunehmenden wirtschaftspolitischen Einwand gegen die Erweiterung der Kapitalertragsteuer gibt es: die Gefahr eines Zinsauftriebs mit den bekannten volkswirtschaftlich negativen Konsequenzen. Da selbst bei richtiger Konstruktion (Gleichbehandlung von Veranlagungen im In- und Ausland, Freistellung von Ausländern) diese Gefahr nicht ganz auszuschließen ist, kann man der Meinung sein, daß die diskutierte Einhebungsform zum selben Zeitpunkt und nur in derselben Höhe wie in der Bundesrepublik Deutschland -das ist der Kapitalmarkt, mit dem wir effektiv verbunden sind—eingeführt werden sollte.

Abschließend zum Uberdenken: Wie gut paßt es zusammen, beim Europathema Flagge zu zeigen und gleichzeitig augenzwinkernd wegzusehen, wenn der Steuerbalken — nicht wie weiland unter Metternich am Rennweg — schon am Rhein beginnen darf?

Der Autor ist Referent in der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Bundeswirt-schaftskammer.

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