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„Ein teuflisches Spiel...“

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„Die Sozialistische Partei Österreichs hat am 1. März 1970 einen großen Wahlsieg errungen. Die Boulevardblätter der SPÖ haben ihn ebensowenig bewirkt wie das Fehlen der Haßtiraden der „Kronen-Zeitung“. Die Zustimmung der Bevölkerung zu. einer sozialistischen Politik steht und fällt mit ihrer Offenheit, Durchschau-barkeit und Uberzeugungskraft.“ So schrieb nach dem SPÖ-Wahl-sieg Herbert Krämer in der „Zukunft“. Goldene Worte, die im tatsächlichen Verhalten von SP-Spitzenfunktionären gegenüber den Medien keine Deckung finden.

Die Ausfälle zahlreicher Redner anläßlich der Wiener SPÖ-Konfereniz in der Vorwoche, insbesondere aber die haßerfüllte Philippika des ÖGB-Präsidenten, der immerhin ja auch Erster Nationalratspräsident ist, waren eine kalte Dusche für so manchen Zeitgenossen, der glaubte, daß sich das Demokratieverständnis der SPÖ unter der Ägide Kreisky grundlegend gewandelt habe. Wenn der „Medien-Kanzler“ nicht auf seine Parteifreunde aufpaßt, dann fallen Vokabeln wie „geistige Inquisition, üble Lynchjustiz, echter Rufmord“, oder „die Diffamierer sollen sich nicht täuschen lassen“, oder „das ist ein teuflisches Spiel, das im kapitalistischen System üblich ist“.

Wir wollen diese Rede beileibe nicht überbewerten, aber es ist schließlich ein Unterschied, ob einkleiner, ungebildeter Bezirks-funktionär in einer Wirtshausversammlung derartigen gefährlichen Unsinn von sich gibt, oder ein „alter Hase“ der darüber hinaus höchste Ämter im Staat bekleidet.

Trotz eines neuen Medienverständnisses, das der Parteivorsitzende Kreisky seinen Funktionären ans Herz legte, kam es auch in den letzten Jahren immer wieder zu beachtlich starken Auftritten sozialistischer Spitzenfunktionäre:

• Frühjahr 1973: SP-Zentralse-kretär Marsch darf in einer Broschüre des Zentralsekretariats warnen: „Achtung! — .Unabhängige' Zeitungen wollen Regierung

Kreisky stürzen!“ Auch Geheimnisse werden in dieser Publikation verraten, die jedoch nicht der Bundeskanzler selbst erzählt, sondern in der dritten Person wiedergegeben werden: „Nicht nur die Eigentümer der Zeitungen, sondern auch die Schreibweise dieser ihrer Blätter beweisen nahezu täglich die Richtigkeit der Feststellung von Bundeskanzler Dr. Kreisky, diese Zeitungen und vor allem ihre Herausgeber wünschen nichts sehnlicher als das baldige Ende der SPÖ-Regie-rung.“ Quasi zum Drüberstreuen, wird der „Kurier“ noch als „schwarzes Blattl“ apostrophiert und vor dessen Lektüre eindringlich gewarnt.

• Im Juni 1973 reitet Burgenlands SP-Landeshauptmann Kery eine deftige Kampagne, wobei er unter anderem ausführt: „Nahezu jede Sendung, jede Meldung wird schon manipuliert... Alle manipulieren. Das tun alle Journalisten — auch die sogenannten Unabhängigen. Sie sind unabhängig höchstens von ihrem Gewissen, vom Verantwortungsbewußtsein. Wenn über das Gemeinwohl nicht mehr in den Parlamentsund Gemeindestuben, sondern in den Redaktionsstaben entschieden wird, dann muß damit Schluß gemacht werden. Da muß die ganze Macht eingesetzt werden.“

• Im Herbst 1973 (dies war offensichtlich ein bedeutungsvolles sozialistisches Medienjahr) hieß es in einem Rundschreiben der sozialistischen Bezirksorganisation Landstraße, die unter anderem auch die Unterschrift des im allgemeinen medienfreundlichen Handelsministers Staribaeher trug: „Die SPÖ kämpft gegen einen übermächtigen Gegner — nämlich nicht gegen die Wiener ÖVP, der ohnehin kaum jemand vertraut, sondern gegen die Massenmedien.“

Hier wird die Parallele zum vorwöchigen SPÖ-Fest besonders deutlich; die Angriffe haben sich kaum geändert, die Stoßrichtung ist die gleiche, nur die Vokabeln sind verschieden. Nicht die ÖVP und natürlich schon gar nicht die SPÖ sind an allem Übel schuld, sondern die Medien!

Etwas weiter zurückgreifend in die Zeit, als die SPÖ noch die Oppositionsbank drückte, finden sich ganz ähnliche Äußerungen, nur weitaus häufiger:

• Der SPÖ-Abgeordnete Willi Liwanec schrieb in seinem Buch „Information“ 1966: „Neben den angeführten Tatsachen steht aber noch eine, die weitaus höhere Bedeutung für den Ausgang der Nationalratswahlen 1966 hatte: die Berichterstattung der unabhängigen Zeitungen. Ihre Rolle bei der Beeinflussung der öffen-lichen Meinung war besonders groß. Und leider muß gesagt werden, daß diese Zeitungen und Zeitschriften die ÖVP-Propagan-da durchwegs unterstützten.“

• In der „AZ“ vom 28. November 1967 nimmt Bruno Kreisky persönlich zu einem österreichischen Journalisten Stellung: „Dalma hält sich an den Stil der Nazipropaganda der dreißiger Jahre. Das lassen wir uns vom ehemaligen Pressereferenten der kroatischen Faschisten nicht bieten.“

• Einen besonders peinlichen Ausrutscher gab es 1965 im Nationalrat, als der SP-Abgeordnete Winter das Wort zum Rundfunk-Voilksbegehren ergriff: „Wir Sozialisten haben nicht die Absicht, uns zu Stiefelputzern einer gewissen präpotenten Journaille degradieren zu lassen.“

Die Empfindlichkeit, ja Wehleidigkeit der SPÖ im Zusammenhang mit Kritik und Opposition muß jedoch grotesk erscheinen, wenn man bedenkt, daß diese Partei — zum Unterschied zur ÖVP, die in Pre'ssedingen auch heute noch äußerste Naivität zeigt — über ein Presseimperium gebietet, das (auf Österreich bezogen) weitaus größer, mächtiger und einflußreicher ist als der viel-geschimähte Springer-Kanzem.

Drei von sieben Wiener Großdruckereien sind im SP-Besitz, oder werden von der SPÖ kontrolliert. Die Gewerkschaftsnähe der „Kronen-Zeitung“ ist kein Geheimnis und dazu kommt noch das enge Netz der SP-Parteizei-tungen in den Bundesländern. Weniger beachtet, aber um so effektiver, sind eine Reihe anderer Publikationen, deren Leserkreis größer ist, als allgemein angenommen wird. Dazu gehören die sozialistische „Frau“ und die Ge-werkschaftsillustrierte „Solidarität“, die bereits 1969 von 1,8 Millionen Österreichern regelmäßig gelesen wurde.

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