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Ein Tory namens Brown?

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Fast zum selben Zeitpunkt, der Regierungschef Heath in Bonn sah, um mit Willy Brandt unter vier Augen nicht zuletzt über die Probleme des britischen EWG-Bėitritts zu sprechen, begab sich Enoch Powell auf eigene Kosten (sie betrugen rund

25.0 Schilling) auf eine Reise durch Deutschland, Frankreich und Italien, um alles in seiner Macht Stehende gegen einen britischen EWG-Beitritt zu unternehmen.

Sorgen hat Heath aber auch mit Innenminister Maudling, der bisher eher glücklos operierte. Der Hinauswurf eines gebrochenen, sicher in keiner Weise mehr gefährlichen Emigranten namens Rudi Dutschke (der anderswo mit offenen Armen aufgenommen wurde) brachte Mauidling, der vorher eher als liberaler Mann gegolten hatte, in den Ruf eines aggresiven Superkonservativen und um seinen bisher zahlreichen liberalen Anhang. Als die nordirischen Probleme wieder akut wurden, für die ja, obwohl Ulster ein eigenes Parlament hat, in London der Innenminister zuständig ist, riß Maudling das Steuer herum, um wieder auf seinen alten liberalen Kurs zu kommen, geriet diesmal aber in Konflikt mit seiner Partei, deren Prinzipientreue er unterschätzt hatte.

Hingegen erhielt Heath in seinen Auseinandersetzungen mit den streikfreudigen Gewerkschaften Schützenhilfe von einer Seite, von der er sie bestimmt nicht erwartet hatte. Der neuemannte Lord Georry; Brown, der sich auch gekrönt als Enfant terrible gebärdet, schrieb seine Memoiren, und kam dabei zu Schlußfolgerungen, die innerhalb der Labour Party einen handfesten Skandal auslösten.

So schreibt Brown in seinem unter dem Titel „In My Way” (etwa: „Auf meine Art”) erschienenen Werk, es sei absurd, wenn Leute lieber in einen Streik edntreten, als sich mit einer Lohnsteigerung von zwei oder drei Pfund pro Woche (was immerhin Beträgen zwischen 500 und 700 Schilling im Monat entspricht) zufriedenzugeben. Es handle sich dabei, so Sir George, nicht um einen Konflikt zwischen Radikalen und Gemäßigten, wie er sie seinerzeit ausge- fochten habe, sondern um eine Sache zwischen Leuten, die an die Demokratie glauben, und solchen, die alles Bestehende zerstören wollen. Er habe es nie, ausgenommen nach dem ersten Weltkrieg, erlebt, daß die Briten eine demokratisch gewählte Regierung mit Gewalt loszuwerden versuchten.

In seinem Buch schreibt Brown, dessen Aussprüche als trinkfreudiger Außenminister teils gefürchtet wa-

ren, teils die Welt erheiterten, so, wie er seinerzeit geredet hat: unverblümt, aggressiv, überspitzt. Aber einiges, was er sagt, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. In einem Land, in dem die Konservativen in ihrer Wahlwerbung ganz offen (und mit Erfolg) an „Frauen, deren Männer Labour wählen”, appellieren konnten, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen und konservativ zu wählen, wurde von vielen Sozialisten, die dieser Umstand wurmt, es als ein unerträglicher Affront empfunden, daß ausgerechnet einer der ihren sie daran erinnerte. ■

Sir George findet die Art, wie die Labour Party jetzt ihre Opposition betreibt, „so stupid wie ihren Wahlkampf” und kritisiert die finanzielle Abhängigkeit der Partei von den Gewerkschaften. Die Reaktionen innerhalb der Labour Party waren dementsprechend: schockiert und nicht weniger aggressiv. Während sich gemäßigte Labour-Abgeordnete mit der Feststellung begnügten, Brown sehe die Dinge wohl von einem „sehr weit rechts orientierten Standpunkt”, erklärte Abgeordneter Russell Kerr vom linken Flügel, Brown sei passė und werde nicht mehr benötigt, und „Parteifreund” Frank Ailaun sagte wörtlich: „George Brown sollte in die Konservative Partei eintreten, wenn er meint, in einer Zeit, in der 800.000 Arbeiter ohne Arbeit sind, gehe es uns wirklich so gut.”

Womit er sich auf eine Feststellung bezog, die für Heath Wasser auf dessen Mühlen war, vor allem in Gewerkschaftskreisen jedoch wie eine Bombe eingeschlagen hat.

Brown hatte nämlich geschrieben: „Um ehrlich zu sein, ich habe niemals eine Zeit erlebt, in der die meisten von uns fanden, es gehe uns so gut, wie es uns Ende des Jahres 1970 tatsächlich ging.”

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