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Ein Tropfen auf den heißen Stein

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In den letzten Jahren sind die Familien - zumal die kinderreichen - in die Schere zwischen Inflation und stagnierenden Beihilfen gekommen. Eine Wende ist notwendig.

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In den letzten Jahren sind die Familien - zumal die kinderreichen - in die Schere zwischen Inflation und stagnierenden Beihilfen gekommen. Eine Wende ist notwendig.

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Nach einem mehrwöchigen Geplänkel steht nunmehr so gut wie fest, daß die Familienbeihilfe endgültig um 100 Schilling erhöht werden soll. Zu dieser Erhöhung und zu den Wortmeldungen zur Familienbeihilfe — wobei symptomatisch immer wieder von der Kinderbeihilfe gesprochen wird — einige Bemerkungen.

Die letzte allgemeine Beihilfenerhöhung fand per 1. Jänner 1981 statt. Nach dem Motto „Jedes

Kind ist uns gleichviel wert" wurde die einheitliche Familienbeihilfe von 1000 Schilling pro Kind und Monat eingeführt.

Diese Beihilfenerhöhung bedeutete damals für die Familien mit einem Kind eine Erhöhung um 90 Schilling oder um zehn Prozent, für die Familien mit zwei Kindern eine Erhöhung um 140 Schilling oder um 7,5 Prozent, für die Familien mit drei Kindern eine Erhöhung um 70 Schilling oder um 2,4 Prozent, für die Familien mit vier Kindern eine Erhöhung um 100 Schilling oder um 2,5 Prozent, für die mit fünf Kindern eine Erhöhung um 90 Schilling oder um 1,8 Prozent.

Der Index der Verbraucherpreise ist zwischen 1980 und 1983 um 16 Prozent gestiegen. Das Jahr 1984 ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Die angekündigte Erhöhung der Familienbeihilfe deckt also die Indexsteigerung bei weitem nicht ab.

Es soll hier kein Gegensatz zwischen den Familien und Pensionisten konstruiert werden. Es sei aber dennoch angemerkt, daß Familien im Vergleich mit den Pensionisten ungleich behandelt werden. Die Familienbeihilfe wird „gnadenhalber" in großen Abständen erhöht, während die Pensionen jährlich im Regelfall in etwa um den Indexwert ansteigen.

Familien mit drei und mehr Kindern haben heuer eine einmalige Teuerungsabgeltung von 1000 Schilling pro Kind bekommen. Damit sollten die Probleme, die in besonderer Weise in den Familien durch die Mehrwertstouererhö-hung entstanden sind, aufgefangen werden.

Ubereinstimmende Berechnungen des Katholischen Familienverbandes Österreichs und der Katholischen Sozialakademie haben gezeigt, daß allein aus der Mehrwertsteuererhöhung einer Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern Mehrbelastungen von mindestens 3.600 Schilling pro Jahr erwachsen.

Obwohl diese Teuerungen durch die Verteuerung der Grundnahrungsmittel Mitte des heurigen Jahres für die Familien noch verschärft wurden, soll diese Teuerungsabgeltung im kommenden Jahr nicht mehr weiterbezahlt werden.

Wenn gegen eine allgemeine weitere Erhöhung der Familienbeihilfe von Regierungsseite eingewandt wird, daß 100 Schilling Beihilfenerhöhung pro Kind und Monat etwa zwei Milliarden Schilling kosten, kann dies für die Teuerungsabgeltung für die Mehrkindfamilien nicht gelten. Diese kostet nämlich nicht einmal 300 Millionen Schilling im Jahr.

Wenn man noch dazu bedenkt, daß die Familien mit drei und mehr Kindern 14 Prozent aller österreichischen Familien ausmachen, in ihnen aber nach der jüngsten Volkszählung 41 Prozent aller Kinder aufwachsen, entspräche die Weiterführung der Teuerungsabgeltung durchaus auch dem Grundsatz der Gerechtigkeit und des Lastenausgleichs.

Für die Familien mit drei und mehr Kindern wird die Familienbeihilfe im Jahr 1984 somit nicht um 100 Schilling erhöht, sondern lediglich um 16,83 Schilling, denn sie erhielten ja bereits in diesem Jahr eine Beihilfenerhöhung, die zwar nur einmal ausbezahlt wurde, aber monatlich doch 83 Schilling zusätzlich pro Kind bedeutet.

Seit dem 1. Jänner 1978 ist der schon jahrelang unverändert .gebliebene Kinderabsetzbetrag von 4.200 Schilling oder 350 Schilling pro Monat in einen Teil der Familienbeihilfe umgewandelt worden.

Diese Umwandlung brachte unzweifelhaft all jenen Familien einen Vorteil, die keine oder wenig Steuer zahlten und somit diesen Kinderabsetzbetrag nicht oder nur teilweise in Anspruch nehmen konnten.

In den letzten beiden Jahren wurden alle bestehenden Absetzbeträge angehoben, nicht aber der Kinderabsetzbetrag und auch nicht der Teil der Familienbeihilfe, der jenem Absetzbetrag entspricht. Somit hat die Umwandlung des Kinderabsetzbetrages ebenfalls zu einer finanziellen Schlechterstellung der Familien geführt.

Die von der Bundesregierung angekündigte Erhöhung der Familienbeihilfe bestätigt die Kritik an der zu geringen Höhe der Familienbeihilfe, wie sie unter anderem vom Familienverband geübt wurde. Sie ist wichtig, unter Berücksichtigung der genannten Gründe aber ungenügend.

Die Diskussion der letzten Wochen hat aber auch auf ein anderes Problem hingewiesen. Immer wieder wird von verschiedenen Seiten, nicht nur von der Regierung, darauf hingewiesen, daß „die Reichen" die Familienbeihilfe nicht in dem Ausmaß brauchten, daß eigentlich die Familien-beihilf e nur eine Hilfe für „die Armen" sein sollte.

Damit wird aber der Grundsatz des Familienlastenausgleichs totalin Frage gestellt. Der Familien-lastenausgleichsfpnds wurde im Jahre 1954 mit folgender Zielsetzung vom österreichischen Nationalrat beschlossen: „Der Ausgleich der Familienlasten hat zwischen denjenigen zu erfolgen, die die Lasten im Interesse der gesamten Gesellschaft tragen, und jenen, die solche Lasten nicht zu tragen haben, jedoch bewußt oder unbewußt daraus Nutzen ziehen, daß es andere für sie tun." Keine Rede also von einer Hilfe nur für die Armen.

Auf der anderen Seite hat natürlich jeder das Recht, bestehende Systeme in Frage zu stellen, nur sollte er dies ehrlicherweise sagen und nicht zum Beispiel dem Familienlastenausgleich und der Familienbeihilfe einen anderen Sinn geben wollen.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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