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Ein Unbequemer aus Schottland

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Österreichs älteste Diözese rüstet sich zu einem nicht alltäglichen Ereignis. Am 27. November jährt sich zum zwölfhundertsten Mal der Tag, an dem der iroschottische Wandermönch Fergal, den wir als hl. Virgil verehren, in Salzburg starb. Bis an die Tore Wiens finden wir die beiden Patrone des Erzbistums Salzburg, St. Rupert und Virgil, dargestellt. Ja selbst unter dem Stephansplatz ist vor wenigen Jahren erst eines der interessantesten Heiligtümer Wiens, die Virgilkapelle, ergraben worden.

Gewiß gehört dieser Mann zu den imposantesten Gestalten des Missionsgeschehens im 8. Jahrhundert, dessen Schauplatz der Ostalpenraum war. Wer verbirgt sich nun wirklich hinter diesem Wissenschaftler und Bischof, dem letzten bedeutenden Exponenten der iroschottischen Missionswelle, der in eine solche Schlüsselposition kam?

Die neuere Forschung, insbesondere Herwig Wolfram und Heinz Dopsch, konnte bedeutende Aspekte dieser Gestalt beibringen. Um 743 traf am Hof des Bayernherzogs Odilo ein sehr gelehrter irischer Mönch ein, der von seinem Heimatkloster Hy (Io-na) in Schottland nicht in Frieden weggegangen war. Tief beeindruckt von der enormen Bildung dieses Mannes bestellte ihn der Bayernherzog vermutlich 746 zum Vorsteher des Salzburger Bistums, das er fast 40 Jahre innehatte.

Erst 756 zum Bischof geweiht, nahm diese Missionsstation an der „weichen" Südostgrenze des bayerischen Herzogtums einen enormen Aufschwung. Freilich ist es nötig, kurz einen Blick auf die besonderen Verhältnisse zu lenken, die damals kirchliches Geschehen bestimmten. Die irischen Missionare, die in drei großen Wellen in unsäglicher Opferbereitschaft ihre Heimat verließen, um in der „peregrinatio pro Christo" auf den Kontinent zu gehen und hier die Frohbotschaft zu verkünden, hatten ein ganz anders verfaßtes Christentum kennengelernt, als es wir heute annehmen.

Ein stark mönchisch geprägter Zug mit Nachtwachen, Fasten, strengen Selbstkasteiungen, zeichnete dieses irische Christentum aus. Dazu kam eine sehr ausgeprägte Naherwartung der Wiederkunft Christi, die sie beflügelte, alle jetzt lebenden Menschen zu bekehren. Gerade dieser Umstand aber war es, der sie in Widerspruch zu dem römischen System brachte, das damals von der zweiten großen Persönlichkeit der Kirche Germaniens, dem hl. Bonifatius, in Fulda verfochten wurde.

Es muß als die eigentlich tragische Konstellation der Kirchenpolitik des 8. Jahrhunderts bezeichnet werden, daß die beiden führenden Persönlichkeiten, Virgil in Salzburg und Bonifatius in Fulda, nicht harmoniert haben. Gewiß war einer der Gründe, die den Angelsachsen Winfried (Bonifatius) auch dem Iren gegenüber mißtrauisch werden ließen, daß dieser auch die Kugelgestalt der Erde lehrte und damit die Existenz von Antipoden annahm.

Diese Theorie hat offenbar das Weltbild des 8. Jahrhunderts so verletzt, daß man einen Glaubensstreit daraus machte. Man konnte sich nicht erklären, wie denn die Einheit des Menschengeschlechtes (die Abstammung von einem Menschenpaar) gewährleistet bleiben konnte, wenn es auch getrennt durch unüberwindliche Weltenmeere auf der anderen Erdhälfte Menschen geben sollte.

Die 40 Jahre, da St. Virgil in Salzburg dieses iroschottische Kirchensystem etablierte, waren eine Periode großartigen Aufschwungs. Mangelte bei seinem Regierungsantritt fast jede Form von Infrastruktur, so konnte 788, also nur vier Jahre nach seinem Tod, sein Nachfolger Arn ein Güterverzeichnis anlegen, das 64 Kirchen samt dazugehörigem Grundbesitz als Eigentum des Bistums Salzburg auswies.

Mit gutem Grund besinnt sich also Österreichs Kirche auf diesen Mann, der in großartiger Pionierleistung Wege in die Zukunft eröffnen konnte. In Salzburg gründete er die Domschule, das erste Bildungsinstitut auf heutigem österreichischen Boden, und in seine Bischofskirche übertrug er am 24. September 774 die Gebeine des Bistumsgründers St. Rupert (vermutlich aus Worms) und ließ den Dom in einer prächtigen Weise ausgestalten. Auch für die Bekehrung der Alpenslaven und Karantanen legte Virgil den Grundstein. Er entsandte seinen Chorbischof Modestus nach Karantanien (Kärnten), der zahlreiche Kirchen, vor allem jene in Maria Saal und St. Peter in Holz (dem alten Teurnia), errichtet.

Als Virgil 784 starb, wurde er in der Unterkirche des Domes bestattet. Jahrhundertelang aber blieb sein Grab verschollen. Niemand sprach von ihni. Es gibt kaum alte Kirchen, die ihm geweiht sind. Der „Regierungsumschwung" ließ unter Karl dem Großen all von den Agilolfingern favorisierten Persönlichkeiten in Vergessenheit geraten. Erst 1233 gewährte Papst Gregor IX. Virgil die Ehre der Altäre.

Zahlreiche Aktivitäten, etwa ein bedeutendes wissenschaftliches Symposion (22.-24. 9.), eine Gedächtnisausstellung und eine pastorale Welle der Evangelisierung werden das Virgiljahr hindurch Salzburg seine Prägung geben.

Prälat Dr. Johannes Neuhardt ist Konservator der Erzdiözese Salzburg.

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