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Ein ungarischer Josef Roth

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Im Hoffmann & Campe-Verlag in Hamburg, der auch die bekannten Merianhefte herausgibt, ist der Roman des ungarischen Romanciers Franz Körmendi „Die Verschwörung von Sebes“ vor kurzem in deutscher Übersetzung erscheinen. Franz Körmendi, Jahrgang 1900, emigrierte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika, wo er seither ständig lebt. Er gehört zu den jüngeren Mitgliedern jener ungarischen Schriftstellergeneration, die zwischen den beiden Weltkriegen einen internationalen Ruf erlangen konnten. In dem vorliegenden Roman erweist sich Körmendi als eine Art ungarischer Josef Roth. Der eigentliche Held des Romans ist ein großes Schloß in Siebenbürgen namens Sebes, das ein verarmter Aristokrat gegen Ende des 19. Jahrhunderts an eine reiche jüdische Familie verkauft. Zum erstenmal wird in der ungarischen Öffentlichkeit von diesem Schloß geredet als in seiner Umgebung, nahe der rumänischen Grenze, große Manöver der k. u. k. Armee veranstaltet werden sollen, die nichts anderes bezwecken, als von Rumänien den Beitritt zum Dreibund zu erzwingen. Bereits ein halbes Jahr vor Beginn der Manöver wird den neuen Schloßbesitzern angekündigt, daß Kaiser Franz Joseph oder, wie Körmendi als Ungar immer sagt, der König selbst den Manövern beiwohnen werde und beabsichtige, seinen Sitz im Schloß

Sebes aufzuschlagen. Unendlich viele Kommissionen kommen aus Wien, um das Schloß für den hohen Gast empfangsbereit zu machen, andere Kommissionen wieder stellen die Tafel zusammen, weitere Kommissionen sorgen für den Pflan-zenschmuck. Schließlich kommt es zu dem Besuch, der fast unterblieben wäre, denn ein riesiges Unwetter bringt den Anmarsch der Manövertruppen völlig durcheinander. Die Manöver selbst scheinen nicht nach Wunsch voranzugehen, wovon allerdings in der Presse nichts stehen wird. Dagegen läuft der Besuch des Königs im Schloß programmgemäß ab und beim Galadiner hebt der König nicht nur das Glas auf den Herrn des Hauses, sondern teilt ihm gleichzeitig mit, daß er ihn in den Adelsstand erhoben habe.

Diesen glanzvollen Tagen folgen aber nach einiger Zeit recht düstere. Die armen Hirten und Bauern und Angestellten des Gutsbesitzers fordern eine bescheidene Lohnerhöhung, die ihnen aber verweigert wird, es kommt zu einem Streik der armen Hirten, der in einen kleinen Aufruhr ausartet, wobei ein Angehöriger des Schloßbesitzers, der besonders hartherzig zu den Hirten und den Bauern ist, erschlagen wird. Militär greift ein und ein verrückter Hauptmann, der bisher seine Soldatenzeit nur hinter Schreibtischen verbrachte, tobt seinen Machtrausch aus und läßt auf die aufgeregten Bauern und Hirten schießen, wobei es viele Tote gibt. Militär wird gegen ihn und seine Aktion eingesetzt, er kommt vors Kriegsgericht, wird degradiert, aus der Armee ausgeschlossen und schließlich in ein Irrenhaus gesteckt. Die ungarische Justiz be-

nützt aber den ganzen Aufstand, um eine Aktion gegen die Rumänen dieses Gebietes ins Rollen zu bringen. Die Auflehnung gegen soziale Mißstände benützt sie, um die sogenannten Rädelsführer wegen Hochverrates und nationaler Aufwiegelung hinter Schloß und Riegel zu setzen. Und so tritt wieder Ruhe in Sebes ein. Allerdings nur eine Friedhofsruhe. Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Siebenbürgen zu Rumänien, die magyarischen Herren spielen nur mehr die zweite Geige und die sozialen Verhältnisse werden völlig umgeändert.

Es ist eine harte und bittere Kritik, oft verkleidet in humorvoll und charmante Worte, die der Ungar Körmendi an den Zuständen seiner Heimat um die Jahrhundertwende mit diesem Roman übt. Eine harte Kritik, die allerdings ihre Berechtigung hat. Hätte das Reich der Ste-

phanskrone rechtzeitig nationale und soziale Reformen/ eingeführt, dann wäre ihm nicht ein so trauriges Schicksal 1919 bis 1945 beschieden gewesen. Nach 1919 wurden Ungarn die von nicht-magyarischen Völkern bewohnten Gebiete genommen und nach 1945 verlor die besitzende Schicht ihren Reichtum. Das Buch, das völlig richtig ist, birgt allerdings die Gefahr in sich, daß deutschsprachige Leser die Zustände in Ungarn mit jenen in der gesamten Monarchie gleichsetzen. Aber der Kenner weiß, daß sowohl die nationalen, wie die -sozialen Verhältnisse in der österreichischen Reichshälfte unvergleichlich besser, demokratischer und menschlicher waren.

Willy Lorenz DIE VERSCHWÖRUNG VON SEBES. Roman von Franz Körmendi. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg, Leinen. 263 Seiten.

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