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Ein Verbrechen gegen Afrikaner

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Auf der einen Seite die Länder der Dritten Welt mit ihren wirtschaftlichen und finanziellen Problemen. Auf der anderen Seite die Industrieländer, die ihrer Abfälle nicht mehr Herr werden. Entsorgung und Endlagerung gefährlichen Industrieabfalls kosten die europäischen Länder jährlich 1,3 Milliarden Dollar.

Manche Firmen finden Wege für einen Export giftiger Abfälle in Länder des Südens. In den vergangenen 15 Jahren haben Millionen Tonnen von Industriabfall die europäischen Grenzen in

Richtung Dritte Welt passiert. Gleichzeitig ist damit ein reges Geschäft entstanden. Afrika droht zum „Mistkübel“ für übersatte Kontinente zu werden.

Umweltbewußte Abgeordnete der Europäischen Konvention für Umwelt (EEE) in Brüssel haben nun zahlreiche derartige Vorfälle während dieses Dezenniums publik gemacht: 1980 bot eine US-Firma dem Präsidenten von Sierra Leone 25 Millionen Dollar für die Übernahme giftigen Mülls an. Vergangenen Februar entdeckte man auf der Insel Kassa gegenüber Conakry, der Hauptstadt von Guinea, 15.000 Tonnen Müll aus Philadelphia. Dieser Abfall wurde dort heimlich vom norwegischen Frachtschiff „Banya“ deponiert.

Als man die Deponie entdeckte, mußte das Schiff den Müll wieder aufladen — um den Preis der Freiheit des festgenommenen norwegischen provisorischen Honorarkonsuls. Dieser war mit fünf Gui-nesen festgenommen worden, weil er den gefährlichen Abfall auf den Einfuhrpapieren als Hausasche deklarieren ließ, obwohl es sich um Dioxine und giftige Metalle handelte.

Einer der bezeichnendsten Fälle ist der von Koko im Süden Nigerias. Hier waren es die Italiener, die 20.000 Fässer und 25 Container mit giftigem Abfall zurücknehmen mußten. Der Müll war auf dem Feld eines Bauern in unmittelbarer Nähe eines 6.000 Einwohner zählenden Dorfes gelagert. Der Entdeckung der Deponie folgte eine ungewöhnlich rasche und heftige Reaktion der Regierung. Der nigerianische Botschafter in Rom wurde abberufen. Zwei Schiffe wurden im Hafen von Lagos festgehalten. Etwa 15 Personen wurden festgenommen, denen Tod durch Erschießen angedroht wurde.

Nach Aufdeckung durch europäische Umweltschützer der EEE in Brüssel mußte auch ein Vertrag mit Guinea Bissau aufgelöst werden. Die Regierung Bissaus hatte Verträge mit einer Schweizer Firma — Intercontra SA — und zwei britischen Firmen (alles Scheinfirmen der amerikanischen Lin-daco aus Detroit) unterschrieben und sich verpflichtet, um 600 Millionen Dollar jährlich 50.000 Tonnen giftigen Abfall zu übernehmen (das entspricht zweimal der Auslandsverschuldung des kleinen Landes).

Um die Folgen einer Negativwerbung zu vermeiden, hat eine niederländische Gesellschaft einen Vertrag gekündigt, der ihr im Kongo die Deponierung einer Million Tonnen Abfall aus der Bundesrepublik Deutschland und den Benelux-Ländern zusicherte.

Die Aufdeckung dieser Skandale ist Greenpeace und der EEE zu verdanken. Hinter den diversen Machenschaften sitzen Scheinfirmen mit Sitz in Gibraltar, Liechtenstein, Malta und in der Schweiz.

Von seiten der Firmen kommt immer das Argument, daß die Industrierückstände in den meisten Fällen der Entwicklung der Abnehmerländer dienten und daß die Beseitigung des Mülls „strengsten Normen“ unterliege.

Bedroht, zum Mülleimer der Industriestaaten zu werden, haben die Staaten der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) bei ihrer Jahrestagung im Mai in Addis Abeba erklärt, „daß das Abladen industriellen, radioaktiven und nuklearen Mülls in Afrika ein Verbrechen gegen die Afrikaner ist“. Verurteilt wurden verbal Firmen, „die den Mist nach Afrika bringen, wir fordern sie auf, die schon verseuchten Gebiete zu reinigen“.

Welchen Wert diese Aussage auch immer haben mag, sie ist wenigstens unmißverständlich.

Was ist zu tun? Seit 1984 arbeitet die OECD an einer international annehmbaren Definition für gefährlichen Müll. Die UNO ist daran, im Hinblick auf eine weltweite Kontrolle eine entsprechende Konvention auszuarbeiten. Diese internationale Konvention wird wahrscheinlich in Basel im März

1989 zur Unterzeichnung fertig sein.

Bis dahin wird die in afrikanischen Ländern weit verbreitete Korruption die Durchführung skandalösen Handels mit giftigen Abfällen weiterhin ermöglichen; ganz zu schweigen von gewissen politischen Kreisen, die — ständig auf der Suche nach finanzieller Liquidität — nur ihre Parteikassen aufzufüllen trachten.

Es steht viel auf dem Spiel: die Gesundheit der Völker, die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts auf dem Schwarzen Kontinent und der Schutz des touristischen Marktes.

Solange die Afrikaner ihre Verantwortung nicht selbst zu tragen bereit sind, solange wird dieser Kontinent für solche Machenschaften immer durchlässig sein.

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