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Ein Volk sucht sein Gebiet

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Alles deutet darauf hin, daß 1989 das Jahr sein könnte, in dem der Saharakonflikt auf die eine oder andere Weise geregelt werden wird. Die Entspannung zwischen den Supermächten ebenso wie die zwischen Algerien und Marokko sowie der Friedensplan der UNO haben zur Lösung beigetragen. Eine entscheidende psychologi-

sche Schwelle wurde am 4. und 5. Jänner in Marrakkesch mit der Begegnung zwischen den Vertretern der Polisario und König Hassan II. überwunden. Zum ersten Mal haben sich Marokkaner und Saharauis direkt und öffentlich auf höchstem Niveau ausgesprochen. Was steht hinter dem Kon-fUkt?

Westsahara im äußersten Nordwesten Afrikas wird von Marokko als unveräußerlicher Bestandteil des Königreiches betrachtet. Spanien hatte das Land 1936 kolonisiert, bis es 1974 das Gebiet nach einer mißglückten Abstimmung 1973 in der Djemaa. dem Regionalparlament, aufgeben mußte.

Im Mai 1973 entstand aus alten und vielfältigen antikolonialisti-schen Bewegungen die Polisario-Bewegung zur Befreiung von Saguia el Hamra und Rio de Oro. Mit der ALPS, der Befreiimgsarmee des Saharauivolkes, führte die Polisario ab diesem Zieitpunkt den bewaffneten Kampf gegen die Spanier, der mit der marokkanischen Besetzung des Landes im Oktober 1975 nahtlos in den Kampf gegen Marokko überging, sowie gegen Mauretanien, das den Südteil des Landes annektieren wollte.

1975, nach dem Abkommen von Algier mit Spanien, verjagten die Saharauis — die sich keineswegs als Mauretanier oder Marokkaner sahen — die Mauretanier. Der Kampf mit den Marokkanern dauert nun schon 13 Jahre.

Am 27. Februar 1976 proklamierte die Polisario die Unabhängigkeit Westsaharas unter der Bezeichnung „Demokratische Arabische Sahararepublik“ (RASD). 72 Länder haben die RASD anerkannt, darunter 40 afrikanische Regierungen. Paradox: Die RASD nennt sich arabisch, wird aber von der Mehrzahl der arabischen Staaten nicht anerkannt.

Heute kontrolliert Marokko mit Hilfe einer Befestigungsmauer nmd um das von ihm besetzte Gebiet Dreiviertel des Landes, auf der anderen Seite ist das „befreite Gebiet“ der RASD.

Welche Lösung werden die Kriegführenden finden? Eine militärische Lösung kann es nicht geben. Rabat war immer zu jeder Löstmg bereit, die seine Herrschaft über die „Südprovinz“ nicht antastete. Den Dialog mit der Polisario hat es lange verweigert, deren Kämpfer als Söldner Algeriens bezeichnet.

Aber die Politik spart nie mit Überraschungen. Die Begegnung in Marrakkesch läßt annehmen, daß der von UN-Generalsekretär Perez de Cuellar vorgeschlagene „Perez-Plan“—mit einer Abstimmung über Unabhängigkeit oder Eingliederung in Marokko - sich durchsetzen könnte. Was die Saharauis betrifft (74.000-180.000, je nach Quelle), so sind sie in den befreiten Zonen der Meinung, das Volk der Saharauis habe das Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität; die nationale Unabhängigkeit könne nicht zur Diskussion stehen.

Für die Saharauis auf marokkanischer Seite sind die Anhänger der Polisario verlorene Söhne und Kommunisten. Sie erklären, daß die Zugehörigkeit zum marokkanischen Thron etwas Natürliches sei.

Trotzdem - das Gefühl aller Saharauis, zur gleichen Volksgruppe zu gehören, ist über alle Stammes- und Meinungsunterschiede hinaus eine Realität. Wo werden sie ihr Gebiet finden?

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