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Ein wenig einseitig, aber viel besser als nichts

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Freundlich war, wie man hört, die Atmosphäre vor einigen Wochen in Agram bei der routinemäßigen Besprechung zwischen burgenländi-schen und kroatischen Kulturpolitikern. Seit sechs Jahren gibt es auf dem Gebiet der Kultur besondere Verbindungen zwischen der jugoslawischen Teilrepublik und dem österreichischen Bundesland. Mit welchem Ergebnis?

Erfreulich ist es, daß die Begegnungen überhaupt stattfinden. Das Burgenland hat keine Grenze zu Kroatien; die tiefere Ursache der offiziellen Kontakte liegt in der Existenz der burgen-ländischen Kroaten. Sie erfüllen - so-ferne sie sich zu ihrem Kroatentum bekennen - die befruchtende Rolle, die solchen nationalen Minderheiten zukommt: sie vermitteln geistige Werte eines anderen Kulturkreises und bereichern also ihre Heimat.

Freilich: nicht alle Kroaten des Burgenlandes wollen diese schöne Aufgabe mit dem gleichen Eifer wahrnehmen. Die „Bürgermeisterkonferenz“ unter der Führung des Bürgermeisters Robak (SPÖ) hält es für richtiger, eine behutsame Assimilationspolitik zu betreiben und sich letztlich der deutschsprachigen Mehrheit anzupassen. Der Kroatische Kulturverein, der ö VP näherstehend, vertritt unter dem Rechtsanwalt Müller den Standpunkt eines selbstbewußten kroatischen Patriotismus. Der Bund Kroatischer Akademiker in Wien geht denselben Weg, ist zudem bereit, Forderungen mit größerer Schärfe und Prägnanz zu formulieren.

Das besondere Kulturabkommen zwischen Kroatien und dem Burgenland kann also der Linie der „Bürgermeisterkonferenz“ nicht entsprechen.

Acht Persönlichkeiten des politischen Lebens saßen in Agram an einem Tisch. Landesrat Gerald Mader, Hofrat August Ernst und die Herren Tobler und Moritz aus dem Burgenland; der Kulturminister Stipe Suvar, der Universitätsprofessor Igor Kara-man und die beiden Rätinnen an der Kommission für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland, Emiüja Beltram und Dunka Drazic-Cvetkovic aus Kroatien. Man zeigte sich mit den bisherigen Ergebnissen des Kulturaustausches zufrieden und einigte sich darauf, ganz bestimmte Projekte besonders zu unterstützen.

So soll die gemeinsame Arbeit an jenem Wörterbuch nach Kräften gefördert werden, das das burgenländische Kroatisch mit dem heute in Kroatien gesprochenem Kroatisch und mit der deutschen Sprache verbinden soll. Das Wörterbuch dieser drei sprachlichen Einheiten soll mit einer Grammatik und Rechtschreibung des Burgenlän-disch-Kroatischen ergänzt werden.Von österreichischer Seite widmet sich Univ.-Prof. Josef Hamm dieser Aufgabe.

Es sollen außerdem Forscher ausgetauscht werden; auch vergibt Kroatien nach Bedarf Stipendien an Studenten, jüngere Wissenschaftler und Künstler, die die kroatische Sprache und Literatur studieren wollen. Das Burgenland hingegen ist nicht in der Lage, kroatische Forscher und Literaten mit entsprechenden Stipendien nach Österreich einzuladen. Die gleiche Einseitigkeit spiegelt sich auch im an sich erfreulichen Entschluß, die gemeinsame Arbeit am Projekt „Geschichte und Kultur der burgenländischen Kroaten“ fortzusetzen. An Untersuchungen etwa der literarischen Verbindungen zwischen Österreich und Kroatien ist in diesem Rahmen nicht gedacht.

Geplant ist jährlich ein Gast spielaustausch von Musik-, Theater- oder Folkloregruppen; es sollen auch Wanderausstellungen von Kinder- und Jugendbüchern veranstaltet werden, „mit Begleitformen wie Zusammentreffen von Schriftstellern, Illustratoren und Interpreten“. Eine sanfte Verachtung der kreativen Kräfte der Literatur ist in dieser Formulierung nicht zu überhören.

Auf dem Gebiet der außerschulischen Bildung und des Sportes sind gemeinsame Aktionen vorgesehen, auch sollen jugoslawische Filme vorgestellt werden. Eine gewisse Einseitigkeit herrscht auch hier: Kroatien ist ganz offenbar der weitaus aktivere Teil.

Diese Rollenverteilung ist nur teilweise begründet in den Tatsachen, daß Agram natürlich über weitaus größere materielle Mittel verfügt als Eisenstadt, und daß es im Burgenland eine kroatische Volksgruppe, in Kroatien aber keine burgenländisch-deutsch-sprachige Minderheit gibt. Die burgenländischen Kulturpolitiker könnten im Sinne der Gegenseitigkeit mehr Initiative entwickeln, um die burgenländische Kunst und Literatur in Kroatien vorzustellen. Die Ernennung von Bruno Kunz zum neuen Leiter der österreichischen Lesehalle in Agram wird vielleicht auch auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten eröffnen: mit ihm hat ein toleranter, sachkundiger und vielseitig gebildeter Diplomat der Kultur die Szenerie betreten.

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