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Ein Wiener Affentheater

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Einst wurde Österreichs Parade-Pharmakonzern für seine Verdienste um die leidende Menschheit belobigt, nun bekommt er Prügel wegen (angeblich) leidender Schimpansen.

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Einst wurde Österreichs Parade-Pharmakonzern für seine Verdienste um die leidende Menschheit belobigt, nun bekommt er Prügel wegen (angeblich) leidender Schimpansen.

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Der Wiener Schimpansenkrieg schwelt weiter, auch nach einer vom österreichischen Pharma-Konzern Immuno abgehaltenen Pressekonferenz, bei der ein Abgesandter des WWF, des World Wildlife Fund, unvermutet auftauchte und den Standpunkt seiner Organisation präzisierte.

Immuno bleibt dabei, daß es ohne die Versuchsschimpansen nicht geht, und daß der Import der für die Prüfung von Impfstoffen gegen die gefürchtete Hepatitis B und für die Aids-Forschung benötigten Affen aus Sierra Leone ordnungsgemäß erfolgt sei.

Die Tier schützer bleiben dabei, daß beim Fang wilder Jungschimpansen so viele Muttertiere draufgehen, daß das Uberleben der auf den Listen gefährdeter Arten aufscheinenden Primaten gefährdet werden kann. Zuchttiere, meinen sie, müßten es auch tun.

Die Pharma-Manager wenden ein, mit gezüchteten Tieren sei meist schon Unkontrollierbares geschehen. Der Laie fragt sich, ob man über Bakterien, Viren und Antikörper im Blut gefangener Wüdtiere so genau Bescheid weiß und warum es nicht möglich sein sollte, gezüchtete Tiere einwandfreier Herkunft zu erhalten. Was aberin diesem Konflikt um

Versuchstiere, wie er seit einiger Zeit in den Medien ausgetragen wird, am meisten irritiert, ist die Bereitschaft, mit der - je nach der ideologischen Position, die der einzelne vertritt - die Motive der jeweils „anderen Seite“ in Zweifel gezogen und in ein schiefes Licht gerückt werden.

Auf Pharma-freundlicher Seite wird unter der Hand die Vermutung (halb-)laut, WWF und andere Tierschützer könnten am Ende irgendwelche dunkle Interessen vertreten, die sich hinter idealistischen Zielsetzungen verbergen. Wolle da jemand die Konkurrenz des österreichischen Pharmakon-zerns aus dem Feld schlagen? Gar die Entwicklung eines gegen Aids wirksamen Impfstoffs blockieren?

Auf der anderen Seite ist man schon gar nicht zimperlich. Seit einiger Zeit kann das Immuno-Management regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften nachlesen, das Unternehmen, das als erstes ein Mittel gegen Aids auf den Markt bringe, werde das große, weltweite Milliardengeschäft machen, so, als sei mit dieser Feststellung alles klar. Wo es um Milliarden geht, gibt's keine ethischen Schranken, solchen Leuten ist alles zuzutrauen, für die ist ein ülegaler Affenimport doch nur ein kleiner Fisch: Das wird da dem Leser subkutan untergejubelt

Auch Zeitungen, die sich noch vor wenigen Jahren zu gut dafür gewesen wären, schwenken sacht auf diese Linie ein. Ganz so, als wäre, abgesehen vom Geld, das man damit vielleicht einmal verdienen wird, die Entwicklung eines Anti-Aids-Wirkstoffes nicht auch im Interesse der Menschlichkeit, wenn nicht mittlerweüe der Menschheit, von höchster Dringlichkeit. Würde man die Motive solcher Art des Kommentierens auf gleichem Niveau untersuchen, könnte man sie nur auf den Nenner bringen, daß die meisten Leser noch nicht Aids-positiv sind und ein Teil von denen, die es sind, ohnehin nicht mehr lang die Zeitung wird lesen können.

Was in diesem ganzen Wiener Schimpansenkrifg, in dem unleugbar auch vorwahltaktisch-parteipolitische Erwägungen mitgespielt haben können, völlig unterging, ist die Arbeit, die der einzige in Österreich beheimatete Pharma-Weltkonzern leistet.

Ein Teil dieser Arbeit gilt der Erforschung der Hepatitis B, der gefürchtetsten „Gelbsuchf-Spiel-art. In Österreich sind immerhin von 1.000 Menschen fünf Träger dieser Viren, die auch bei der Entstehung der Krebserkrankung der Leber beteiligt zu sein scheinen. Seit Einführung der Impfak-tion ist die Krankheit deutlich zurückgegangen.

Die Impfstoffe müssen laufend auf Wirksamkeit und Unschädlichkeit überprüft werden. Als menschenähnliche Tiere eignen sich dafür nur Schimpansen. Man kann sie außerdem ohne Gefährdung den Viren aussetzen, ohne daß sie klinisch krank werden. Die Tiere werden regelmäßig in Vollnarkose Blutentnahmen und Leberbiopsien unterzogen.

Ein Durchbruch von größter Tragweite gelang der Immuno mit der Entwicklung eines Impfstoffes gegen die beim Zeckenbiß vor allem im Frühsommer übertragene Frühsommer-Meningo-Ence-phalitis (FSME). Sicher wird damit auch viel Geld verdient, aber ein erheblicher Teil davon landet in diesem forschungsintensiven Wirtschaftszweig wohl dort, wo die Immuno AG heute ein Gebiet von größter Wichtigkeit (und sicher auch Expansionschancen) erblickt: Im internationalen Wettrennen um den Aids-Impfstoff.

Robert Gallo, der 1983 als erster das Aids-Virus isolieren und züchten konnte, arbeitet mit Immuno zusammen, worin man nicht nur eine Chancenverbesserung, sondern auch ein Kompliment für die österreichische Forschung sehen darf. Wer wann den Sieg erringt, wer seine riesigen Forschungs-Aufwendungen schließlich „in den Rauchfang schreiben“ muß, steht in den Sternen. In den Sternen steht auch, ob die 20 Schimpansen aus Sierra Leone in den Immuno-Käfigen die große Ehre erleben werden, als Tester des ersten brauchbaren Impfstoffes in die Geschichte der 1 Medizin einzugehen. Daß es dann auch noch wild lebende Schimpansen gibt, kann man nur hoffen.

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