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Ein Wirtschaftszweig wird zum Aushungern geführt

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Nimmt Österreich mit 44 Bewaldungsprozenten in Europa (Durchschnitt 25 Prozent) bereits eine Spitzenposition ein, so ist Steiermark mit knapp 57 Prozent bestockter Landfläche das waldreichste Land Österreichs. Mit 948.000 Hektar Waldfläche hegt die Steiermark vor Niederösterreich mit 740.000 Hektar, beim Holzeinschlag übertrifft die Steiermark mit 2,7 Millionen Festmeter (1977) das größte Bundesland.

Der Bauernwaldanteil (Wälder bis zu einem Höchstausmaß von 200 Hektar) liegt mit knapp 59 Prozent an der Spitze, die größeren Forstbetriebe folgen mit knapp 31 Prozent, während die Bundesforste in der Steiermark nur 10 Prozent besitzen.

Der steirische Wald ist ein ausgesprochener Hochgebirgswald. So befinden sich 30 Prozent der Waldfläche in einer Seehöhe zwischen 600 m und 1200 m, 26 Prozent in einer Höhe über 1200 m und knappe 20 Prozent in einer Höhe zwischen 300 m und 600 m. In der Steiermark wachsen jährlich 4,8 Millionen Vorratsfestmeter Holz zu. Die Gesamtmenge der in der Steiermark stockenden Holzvorräte beträgt 191 Millionen Vorratsfestmeter. Die höchsten Holzvorräte pro Hektar weisen die größeren Forstbetriebe mit 298 Vor-ratsfestmetem je Hektar auf, gefolgt von den Wäldern der Bundesforste mit 287 Vorratsfestmetern. Auch der jährliche Zuwachs der größeren Forstbetriebe mit 6,7 Vorratsfestmetern hegt vor dem Kleinwald (6,2 Vorratsfestmeter/Hektar) und den Bundesforsten (5,7 VorratsfeStmeter/Hektar). Die gerade in der Forstwirtschaft so notwendige Stabilität im Eigentum und in der Betriebsführung ist hier am Gedeihen des Waldes geradezu meßbar.

Seit 1945 ist in der Steiermark ein Waldaufschließungsstraßennetz (neben Forststraßen auch Gemeinde- und Bezirksstraßen) in einer Größenordnung von gut 25.000 Kilometer entstanden. Da diese Straßen nicht nur mit Forstschleppern, sondern auch mit Lastkraftwagen oder Kombifahrzeugen befahrbar sind, konnte die Rationalisierung und Mechanisierung auch der Holzernte im Gebirge vorangetrieben werden. Allerdings sind der Mechanisierung im Hochgebirgswald Grenzen gesetzt, weil über 50 Prozent des Wirtschaftswaldes Hangneigungen von mehr als 20 Grad aufweisen.

Im Bereich der Holzernte, des Straßenbaues und der Waldpflege finden sehr viele Bauern außer der Bewirtschaftung des eigenen Waldes einen Nebenerwerb bei den größeren Forstbetrieben, der ihnen vielfach erst eine Existenzsicherung gibt, doch erfolgte zwischen dem Jahre 1950 bis heute ein Rückgang der Forstarbeiter von 8000 auf weniger als 3000.

Während in der Steiermark selbst im Rekordjahr 1976 nur 3,2 Millionen Festmeter genutzt wurden, nehmen die Holzvorräte - wie bereits erwähnt -jährlich um 4,8 Millionen Vorratsfestmeter zu. Selbst wenn man unterstellt, daß der getätigte tatsächliche Einschlag eine höhere biologische Holzmasse aufweist, so bleibt dennoch das Faktum, daß in der Zeitspanne bis zum Jahre 2000 die Forstwirtschaft in der Steiermark ihren Holzeinschlag um gut eine Million Festmeter steigern könnte. Immerhin haben allein die Neuaufforstungen in der Steiermark seit 1950 die 30.000-Hektar-Grenze überschritten und stehen in den nächsten Jahrzehnten noch etwa 70.000 Hektar an landwirtschaftlichen Grenz-ertragsböden für die Aufforstung zur Verfügung. Uber 24 Prozent des gesamten österreichischen Schnittholzes werden in der Steiermark erzeugt.

1977 haben 514 gewerbliche und 50 nichtgewerbliche Sägewerke in der Steiermark 2,285.000 Festmeter Holz eingeschnitten und damit eine Produktionsleistung von 1,498.000 Kubikmeter Schnittholz erbracht. Den Fortschritt der Produktivität und Rationalisierung in der Sägeindustrie zeigt die Tatsache, daß 1964 über 1100 Sägewerke nur 1,2 Millionen Kubikmeter eingeschnitten haben. Im Zusammenhang mit den Sägewerken steht auch eine ganze Reihe von Hobelwerken, Profilzerspanwerken, Zimmereien und Behauanlagen.

Im Bereiche der bedeutenden steirischen Zellstoff-, Papier- und Pappindustrien befindet sich unter anderem der umsatzstärkste Papierhersteller Österreichs (Leykam-Josefsthal AG) und die hochspezialisierte Mayr-Mellnhofsche Kartonfabrik. Der Holzverbrauch dieser Industrien hegt bei weit über einer Million Festmetern. Allerdings ist nur etwa die Hälfte davon Fichtenfaserholz. Die Anteile von Laubholz und Sägerestholz wachsen. Das Laubholz muß zum Großteil importiert werden, da die inländische Rohstoffbasis großteils fehlt.

Die Hauptprodukte der Forstwirtschaft, das Sägeblochholz und das Faserholz, werden zu über 90 Prozent seitens der Forste im Inland verkauft, somit sind die wichtigsten Marktpart-ner die Sägeindustrie, die Zellulose-, Papier- und Plattenindustrie. Der Export ist nur im Rahmen des Globalkon-tingentsvon750.000Festmeternfrei,die Einfuhr ist allerdings unbeschränkt. Die Preisbildung ist im wesentlichen frei auf Grund von Angebot und Nachfrage auf den europäischen und den Weltmärkten. Teilweise erfolgt eine Verzerrung bei der Rundholzpreisbildung durch dirigistische Maßnahmen, wie die vorerwähnte Ausfuhrbeschränkung durch Maßnahmen der Staatshandelsländer oder durch die Uberkapazität im Inland, wie etwa im Falle der Sägeindustrie.

Die großen Konkurrenten für Österreich auf den europäischen und arabischen Schnittholzmärkten sind die Skandinavier, die UdSSR und seit neuestem auch Kanada. Denn trotz einer guten Baukonjunktur in den USA forciert Kanada den Schnittholzabsatz nach Italien, unserem Hauptmarkt.

Ein Zeichen dafür, daß die Kanadier ernstlich an diesem Markt interessiert sind und es für uns höchste Zeit ist, vor allem durch den Aufbau einer schlagkräftigen Werbung den Absatz österreichischen Holzes zu sichern. Im allgemeinen verlaufen die Konjunkturzyklen für Schnittholz und somit Sägerundholz und für Papier und Zellulose und somit für Faserholz nicht parallel.

Derzeit stehen allerdings katastrophalen Verhältnissen auf dem Faserholzmarkt ein flauer Markt mit gedrückten Preisen auf dem Schnittholzsektor gegenüber.

Während wir auf dem italienischen Markt eine leichte Besserung im Laufe des zweiten Halbjahres erwarten können, steht dem ein bereits feststehender starker Absatzrückgang in der Levante gegenüber, sowohl wegen verringerter Nachfrage als auch durch verstärkte Konkurrenz der Oststaaten und sonstiger Exportländer. Beim Export in die Bundesrepublik Deutschland wird sich gegenüber dem vorigen Jahr nicht viel ändern. Durch den Abbau der erhöhten Zellstoffvorräte in

Kanada und Skandinavien darf man erst für das nächste Jahr eine Marktfestigung in Österreich erwarten.

Besondere Belastungen brachte für die steirische Forst- und Holzwirtschaft, die zum größten Teil vom Export lebt, die Annulierung des Systems von Bretton-Woods. Das starre Festhalten am D-Mark-Leitbild und der Verfall des US-Dollars brachten nicht nur einen Preisverfall mit sich, sondern auch eine erhöhte Konkurrenz der traditionellen Holzexportländer, wozu noch neue Lieferanten aus Afrika und Lateinamerika kamen.

Die steirische Forstwirtschaft sowie die von ihr ausgehenden Industrien sind im Grunde ein gesunder Wirtschaftszweig, der in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg einen wesentlichen Teil der in Österreich erwirtschafteten Devisen einbrachte. Er ist allerdings durch die ständig steigenden Belastungen, durch die dirigistischen Maßnahmen des Staates und schließlich durch die veränderte Situation auf dem Weltmarkt in eine zusehends schwierige Lage geraten.

Während im übrigen Europa die Forstwirtschaft in den letzten Jahren entlastet wurde, ist in Österreich eine gegenteilige Politik verfolgt worden. Auch in der Handelspolitik werden lebenswichtige Interessen der Forstwirtschaft zugunsten der Industrie oft zurückgesetzt. Jüngstes Beispiel dafür ist die geplante Errichtung eines Zellstoffwerkes in der Slowakei durch die VÖEST, die mit Zellstofflieferungen bezahlt werden soll. All dies kann dazu führen, daß auch dieser an und für sich kräftige Zweig unserer Volkswirtschaft zum allmählichen Aushungern geführt wird.

Die durch die Natur gegebenen Nachteile des Gebirgswaldes wurden durch die Initiative und das Können. der österreichischen Forstwirte weitgehend ausgeglichen. Darüber hinaus aber muß auf eine gerechte Behandlung auch seitens der öffentlichen Stellen gedrängt werden.

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