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Ein Wort an alle Ö3-Fans

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Eines möchte ich gleich vorausschik-ken: ich bin kein Moralprediger und habe auch nicht vor, ein solcher zu werden. Dennoch möchte ich hier einige Gedanken aufwerfen, die für den einen oder anderen vielleicht gar nicht so uninteressant sind.

Ich nehme an, daß ihr zu jener großen Gruppe von Menschen gehört, welche die moderne Musik bevorzugt. Stimmt doch, oder? Nein! Ich behaupte das Gegenteil. Wenn mich morgens der Ö3-Wecker aus dem Schlaf reißt und ich diese Musik gerne höre, dann darf ich noch lange nicht sagen, daß ich ein Liebhaber moderner Musik bin - denn: diese Musik ist nicht modern!

An diesen Schlagern bzw. Hits ist nur etwas neu, die Komposition. Die „Bauelemente" sind jedoch schon sehr alt. Die meisten Hits basieren auf der gleichen harmonischen Ebene wie z. B. Mozarts „Kleine Nachtmusik".

Ein Vergleich wäre beispielsweise mit einem Auto möglich. Ein modernes Auto der Mittelklasse besitzt heute Scheibenbremsen, Kopfstützen, elektrische Waschanlage, heizbare Heckscheibe, Halogenscheinwerfer und vieles mehr. Wer würde denn ein Auto kaufen, das wohl ganz neu ist und erst 1980 zum erstenmal gebaut wurde, wenn es ohne Heizung, mit Blattfedern, außerhalb des Fahrgastraumes zu bedienender Hupe und ohne Elektrostar-ter ausgestattet ist? Kann man so ein Gefährt als modernes Auto bezeichnen?

Was ich damit ausdrücken will ist, daß die als landläufig „moderne" Musik bezeichnete Musik eigentlich sehr alt ist, wenn man sie vom Aufbau her betrachtet.

Ich will damit nicht sagen, daß Ihr nie wieder 03 hören sollt; ich selber höre sehr oft 03, und was für eine Musik sollte man denn sonst in der Disco oder auf einem Ball bzw. als Back-ground-Musik bei einer Unterhaltung spielen? Nur, als moderner Mensch (und zu solchen hoffe ich jetzt zu sprechen), müßte man sich doch auch mit wirklich moderner Musik beschäftigen.

Jetzt dürft Ihr nicht gleich in den nächsten Plattenladen laufen und nach Schönberg, Webern oder Stockhausen fragen, denn diese Musik ist noch viel zu modern und kompliziert für Euch. Wenn Ihr zur modernen Musik finden wollt (oder seid Ihr wirklich so altmodisch?), dann müßt Ihr das schön langsam anpacken, damit es Euch Freude, und zwar viel Freude bereitet.

Ich weiß, daß Schallplatten sehr teuer sind und deshalb wäre es vielleicht von Vorteil, wenn Ihr ein kleines Team bildet, in welchem Ihr untereinander Platten und Cassetten austauschen könnt.

Nun möchte ich noch einen Tip geben, wie Ihr zur modernen Musik finden könnt:

I. Werk: Les Preludes, Symph. Dichtung Nr. 3 von Franz Liszt (1811-1886)

2.nbsp;Werk: Scheherazade, op. 35, von Rimsky-Korsakov (1844-1908)

3.nbsp;Werk: Rhapsodie Espagnole von Maurice Ravel (1875-1937)

4.nbsp;Werk: Tod und Verklärung von Richard Strauss (1864-1949)

5.nbsp;Werk: Carmina burana von Carl Orff(geb. 1895)

Wer bis hierher gekommen ist, wird es sich nicht nehmen lassen, sich mit „Sacre du Printemps" von Igor Stra-winsky (1882-1971) zu beschäftigen.

Kurz bevor ein Freund oder eine Freundin zu Euch nach Hause kommt,legt doch einmal anstatt Boney M. oderPink Floyd die Scheherazade auf nur versuchsweise

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