6859305-1977_29_07.jpg
Digital In Arbeit

Ein Wüstenstaat wagt den Sprung nach vorne

Werbung
Werbung
Werbung

Das Sultanat Oman, flächenmäßig fast so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, ist eines der unbekanntesten, verschlossensten Länder unseres Planeten. Bis zur Erdölkrise wußte kaum jemand, wo Oman lag, geschweige denn, wer es regierte. Unter Nahostkennern galt Sultan Said bin Taimur als ein erzorthodoxer, fort- schritts- und fremdenfeindlicher Autokrat. Nach 38jähriger Alleinherrschaft wurde er im Jahre 1970 von seinem ältesten Sohn in einer unblutigen Palastrevolution vom Thron gestoßen und ins Londoner Exil geschickt. Damals gab es in dem Sultanat nur drei Schulen, keine Elektrizität und kaum Autos. Das Leben richtete sich nach den Vorschriften des Koran. Musik und Rauchen in der Öffentlichkeit waren verboten. Reisen mußten vom Sultan persönlich genehmigt werden. Nach Sonnenuntergang wurden die beiden Stadttore der Hauptstadt Muskat geschlossen. Die Bürger durften dann nur noch mit einer Petroleumla- teme, nicht aber mit einer Taschenlampe ihre Lehmhäuser verlassen.

Nach wie vor nimmt sich Muskat sehr exotisch aus. Hinter der Stadtmauer mit ihren Zinnen und Türmen liegen enge, mit Palmblättern überdeckte Basarstraßen. Man begegnet langbärtigen, spitznasigen Männern mit Dolchen und Patronengurten. Lohnschreiber und Geldwechsler hocken in winzigen Räumen, Neger schleppen für indische Händler schwere Lasten heran. Unversehens steht man vor einem Marmorprachtbau mit Lotuspfeilern und Wasserspielen - dem neuen Sultanspalast Flankiert wird das Städtchen von zwei hochgebauten portugiesischen Festungen, die jetzt als Kaserne und Staatsgefängnis dienen. Man blickt auf Baukräne, auf Lehm- und Wellblechdächer mit Fernsehantennen. Eine vielgewundene Küstenstraße führt von Muskat nach der größeren, moderneren Nachbarstadt Mathra. Viele Frauen tragen noch schnabelförmige Masken vor dem Gesicht, Schulmädchen gehen in knöchellangen Gewändern einher.

Sultan bin Sayid wurde in England erzogen. Binnen weniger Jahre hat er in seinem Land für einen durchgreifenden Wandel gesorgt. 1975 gab es in Oman bereits 175 Schulen mit 40.000 Schülern. Demnächst wird eine 800 Kilometer lange Autostraße die Hauptstadt Muskat mit Abu Dhabi und Dubai verbinden.

Einst reichte der Einfluß Omans bis nach Indien und Sansibar. Omanische Seefahrer unterhielten einen lebhaften Handel zwischen den Häfen der Golfländer. Zum Schutz gegen Perser und Portugiesen schloß der Sultan von Oman im Jahre 1798 mit Großbritannien einen Protektions- und Freundschaftsvertrag. Der Machtbereich des Sultans in Muskat umfaßte den Küstenstreifen, weniger das Hinterland. Das Bergland ist die Heimat strenggläubiger Ibadhiten. An der Küste leben vornehmlich Sunniten. 1957 erfuhr die Welt von einem Wüstenkrieg in Oman. Der Ibadhiten-Iman Ghalib bin Ali versuchte mit saudischer Unterstützung, einen von Muskat unabhängigen Staat zu schaffen. Der Aufstand wurde mit massiver britischer Hilfe niedergeworfen. Danach stritt sich Saudi-Arabien noch jahrelang mit Oman und Abu Dhabi um die Oase Bureimi.

Die strengen Einreisebestimmungen Omans resultieren aus diesen Konflikten, in neuerer Zeit jedoch aus dem Aufruhr in Dhofar. Die Dhofar- Rebellen wurden zuerst vom Irak, später vor allem von der Volksrepublik Jemen unterstützt. China und die Sowjetunion lieferten Waffen an die Volksfront für die Befreiung Omans und des arabischen Golfes, Kuba und die DDR entsandten Berater für subversive Kriegsführung. Auf omanischer Seite beteiligten sich persische Truppen, jordanische Soldaten und britische Offiziere an dem Wüstenkrieg. Dem Schah von Persien ging es weniger um den Schutz der relativ geringen omanischen Ölförderung als um die Sicherung der Straße von Hormuz, der engsten Stelle zwischen dem Persisch-Arabischen Golf und dem Indischen Ozean.

In Muskat heißt es, die Guerilla sei weitgehend unter Kontrolle gebracht worden, dazu habe nicht zuletzt die Verbesserung der Infrastruktur, der Bau von Brunnen, Schulen und Krankenhäusern beigetragen. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, daß es den marxistischen Hintermännern der Dhofar-Rebellion letztlich um die Kontrolle der Ölzufuhren gehe.

Zweifellos hat der von Sultan Qua- bus eingeleitete Reformprozeß die Szene verändert und manchen Stein des Anstoßes weggeräumt. Seine Gegner sind indes nicht nur Sozialrevolutionäre, sondern auch stockkonservativen Beduinenscheichs, die sich allen Neuerungen widersetzen. So ist denn Behutsamkeit bei dem Sprung über die Jahrhunderte angebracht. Noch sind politische Organisationen in Oman verboten, noch herrscht der Sultan absolut durch Dekrete, noch wird Recht nach dem Koran gesprochen. Das Sultanat Oman mit seinen auf 800.000 geschätzten Einwohnern gehört noch nicht zur Welt der reichen Entwicklungsländer, es ist auch nicht Mitglied der OPEC. Oman empfängt Budgethilfe von seinem Nachbarn Saudi-Arabien, mit dem es jetzt bessere Beziehungen unterhält als vor zehn Jahren. Aus innerarabischen Querelen wußte sich Sultan Quabus herauszuhalten. In Muskat hofft man nun, daß Allah die omanischen Ölquellen reichlicher sprudeln lassen werde und daß in dem wenig erforschten Land noch andere Bodenschätze vorhanden seien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung