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Ein Zeichen, dem widersprochen wird

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Am 13. Oktober feiert Kardinal Hans Hermann Groer seinen 70. Geburtstag. In der persönlichen Begegnung überrascht er viele, die bis dahin nur aus den Medien ein Bild von ihm hatte.

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Am 13. Oktober feiert Kardinal Hans Hermann Groer seinen 70. Geburtstag. In der persönlichen Begegnung überrascht er viele, die bis dahin nur aus den Medien ein Bild von ihm hatte.

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Wer Christus entschieden zu folgen sucht, der erfährt, daß die Worte, die über Jesus gesagt werden, wenn auch in abgewandelter Form, auch für ihn gelten. So sagt der greise Simeon im Tempel zu Maria über ihren göttlichen Sohn: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34). Es darf nicht verwundern, daß einem Menschen, der im Bemühen um äußerste Treue zu Gott eine hohe Verantwortung für viele trägt, der die ungeschmälerte Ehre des Dreifaltigen sucht und das Heil der Menschen, Widerspruch erfährt. Daß Kardinal Groer hier keine Ausnahme ist, bedarf wohl keiner Beweisführung.

Was den Jubilar prägt, ist ein starker, von Liebe beseelter Glaube an die Gegenwart Gottes in seiner Kir-

che, in jedem Menschen; die tiefe innere Erkenntnis, daß es die letzte und eigentliche Berufung aller ist, eins mit dem dreifaltigen Gott zu sein. Das leuchtet in Maria in einzigartiger Weise auf. Innere Erneuerung, Neuevangelisierung sind für ihn nicht ideologisch gefärbte Schlagworte oder gar Mittel zur Disziplinierung, zur Machtausübung oder Wiederherstellung irgendwelcher früherer Zustände, wie da und dort geargwöhnt wird, sondern zielen darauf ab, daß der Geist wirken kann, der lebendig macht (Joh 6,64).

Zwar verwahrt sich Kardinal Groer. deutlich gegen die (meist abwertend gemeinte) Etikettierung als „konservativ“ bis „reaktionär“, doch muß er sehen, daß es mit der wirklichen Offenheit und Hellhörigkeit, mit der Bereitschaft, liebgewordene Vorurteile und Zuordnungen hinter sich zu lassen, also reife Kritik zu üben, häufig nicht sehr weit her ist. Was den Zugang zum Denken und Wirken Groers erschweren kann, ist die Tatsache, daß Groör nicht der Hirte ist, der in ein bestimmtes, maßgeschneidertes Bischofsbild hineinpaßt, sondern „anders“ ist.

Selber „Zeichen des Widerspruchs“, lebt der Erzbischof in der gläubigen Überzeugung, daß Gott es nicht an Zeichen, an Weisung für uns, für die Kirche heute mangeln läßt. Aus marianischer Offenheit für die Führung Gottes und die in Freiheit darauf antwortende Liebe lebt der Jubilar in einer außerordentlichen Sensibilität für das Wirken der Gnade, für alles Echte. Daraus schöpft er die Gewißheit, selber Zeichen setzen zu müssen. Sein von großer Zuwendung zu den Menschen, besonders den „Kleinen“, gekennzeichnetes Wirken zeugt von einer erstaunlichen Dynamik und Flexibilität, von einem das etablierte, anerkannte und gepriesene Mittelmaß (auch in der Kirche) provozierenden Wagemut. Er weiß, was er unermüdlich kündet, daß „in der Kraft, in der Gnade Gottes“ nichts unmöglich ist (Lk 1,37).

Von den zahlreichen Zeichen, die Kardinal Hans Hermann in seinem priesterlichen und bischöflichen Wirken gesetzt hat, sei hier nur auf einige bedeutsame hingewiesen. „Maria Roggendorf“ kommt dabei ein besonderer Rang zu. Die von Groer durch 17 Jahre geistlich geleitete Legion Mariens Österreichs erfuhr von diesem spirituellen Zentrum her eine Erneuerung, was sich in der Errichtung von über 200 Jugendgruppen dieser laienapostoli-

sehen Vereinigung im gesamten Bundesgebiet auswirkte.

Was Msgr. Groer bewog, das Unternehmen „Roggendorf“ zu starten, war die Überzeugung, daß für die Kirche nicht nur die Aufarbeitung anstehender Schwierigkeiten im Diskussionsprozeß nötig ist, sondern daß die innere Reform des Volkes Gottes Gnadengeschenk ist, um das die Glaubenden - geschart um Maria, wie zum ersten Pfingsten - bitten sollen. Ausdruck der Bereitschaft zur Umkehr ist die Tatsache, daß jeden Monatsdreizehnten Hunderte Pilger das Bußsakrament empfangen; darunter auffallend viele junge Leute.

Aus seiner persönlichen Lebensweise und aus seinem Verkündigungsdienst läßt sich herauslesen, welche Prioritäten Groer setzt. Das „geistliche Leben“ hat Vorrang. Dabei geht es nicht nur um geistliche Übungen wie das Gebet, die Betrachtung, die Anbetung, die Eucharistiefeier, sondern insgesamt das Leben im Bemühen, auf Gottes Liebe zu antworten. Wenn Kardinal Groer das vor sieben Jahren von seinem Vorgänger auf dem erzbischöflichen Stuhl in Wien, Kardinal Franz König, eingeweihte Zisterzienserinnenkloster Marienfeld initiiert und dessen Errichtung unter höchster Anstrengung betrieben hat, so aus der Überzeugung, daß die kontemplative Beruf ung einen zentralen Platz im Leben der Kirche hat.

Vor 15 Jahren ist Groer mit neun anderen Benediktiner des Stiftes Göttweig geworden. Und das nicht nur, weil Maria Roggendorf durch Jahrhunderte schon benediktini-scher Boden ist, sondern weil ihn selber die Regel des heiligen Ordensvaters in ihrer weisen Mäßigung, in der Ausrichtung darauf, in allem Gott zu verherrlichen, angezogen hat. Elf Jahre hindurch, bis zu seiner Bischofsweihe, war er als P. Hermann Oberer unseres Hauses. Menschliche Weite, Humor und Einfühlungsvermögen wie Diskretion ließen die Hausbewohner verspüren, daß der Hausobere unter ihnen war wie einer, der dient (Lk

22,27).

Viele Initiativen in der Wiener Erzdiözese tragen die Handschrift Groörs, der bis zu seiner Bischofsernennung auch Direktor des von ihm 1974 gegründeten erzbischöflichen Aufbaugymnasiums in Hollabrunn war: die Errichtung eines Referates für Heilig- und Seligsprechungen, adventliche „Hirtenwachen“ mit den geistlichen Mitbrüdern, eine Priesterwallfahrt zum Grab des heiligen Klemens M. Hofbauer,

Stationsgottesdienste in der gesamten Diözese, die besondere Sorge um die Erwachsenenbildung, die Hochschulen und die Orden durch die Berufung eigener Bischofsvikare, die Förderung der eucharisti-schen Anbetung, nicht zuletzt auch die intensivierte Renovierung von St. Stephan und die zuletzt erfolgte Neugestaltung des Presbyteriums des Domes nach den Intentionen der erneuerten Liturgie et cetera.

Den innerkirchlichen Spannungen, die in den letzten Jahren nicht nur die Kirche Wiens betrafen, ver-suchteder Kardinal mit Geduld, mit

der Aufforderung zum Gebet und dem wiederholten Appell zu begegnen, das beständige „Hickhack“ zu unterlassen und sich der Verkündigung des Evangeliums zuzuwenden. Angeregt.durch den Priesterrat hat der Erzbischof das „Diözesanfö-rum“ ins Leben gerufen, das am 23. September seine Tätigkeit aufnahm und im besseren Bemühen, auf die anderen zu hören und zuzugehen, zu einem geistlichen Prozeß für das gesamte Erzbistum führen soll. Bewußt wollte Groer keinen „Problemkatalog“ vorlegen, sondern forderte alle Katholiken auf, ihre Anliegen und Sorgen zu artikulieren, j

Sein direktes Zugehen auf den einzelnen, die Anteilnahme am Leben der Menschen in ihren konkreten Nöten, zeichnet den Wiener Erzbischof aus. Nicht selten bekommt man zu hören, daß gerade die persönliche Begegnung mit ihm nicht nur Kirchgänger überrascht.

Hatten sie Medienberichten zufolge einen starren, frömmelnden, auf Macht bedachten Kirchenfunktionär mit weltfremden Ansichten erwartet, bekennen sie nach der Begegnung mit ihm, daß ja genau das Gegenteil der Fall sei. Dabei ist der offenherzige Umgang des Bischofs mit den Leuten keine oberflächliche Geselligkeit oder auf persönliche Anerkennung bedachtes Tun, sondern das christliche, priesterliche Bemühen, den Dienst an der Frömmigkeit der Menschen zu leisten.

Am 13. Oktober blickt nun der im Juni des Vorjahres zum Kardinal Erhobene auf siebzig Lebensjahre zurück. Der Oberhirte des Erzbistums entstammt diesem selbst: In Wien geboren und in einer Offiziersfamilie des alten Österreich aufgewachsen, erhielt er auch hier seine schulische Ausbildung, maturierte als Zögling des erzbischöflichen Seminars in Hollabrunn (1937) und studierte an der Wiener Universität Theologie. Die Begegnung mit Friedrich Wessely, dem Spiritual des Priesterseminars, hatte für ihn tiefgreifende Bedeutung und prägte sein am 12. April 1942 begonnenes priesterliches Leben..

Nach dem Krieg kehrte Groör in das Knabenseminar Hollabrunn zurück und wirkte hier durchfiele Jahre als Beichtvater und Seelenführer, als geschätzter Religionsprofessor am Bundesgymnasium, als Jugendseelsorger in der Pfadfinderbewegung und mehr und mehr als Geistlicher Leiter in der Legion Mariens. 1969 begann er die Monatswallfahrten in Maria Roggendorf, die eine reiche geistliche Fruchtbarkeit zeitigten.

Die Verantwortung des nunmehr 70jährigen ist groß. Als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz (seit März 1989), aber auch als „Knecht Gottes“, der nicht schreit und nicht lärmt und seine Stimme nicht auf der Straße erschallen läßt (Jes 42,2), weiß er um das Geheimnis des Kreuzes, des „Totus tuus“. Im Bewußtsein der eigenen Hinfälligkeit weiß er, daß er jeden Tag im Blick auf den barmherzigen Herrn, den guten Hirten, sagen kann: „Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen“ (Lk 5,5).

Der Autor ist Superior in Maria Roggendorf.

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