6942366-1983_32_05.jpg
Digital In Arbeit

Eine Ära geht zu Ende

Werbung
Werbung
Werbung

Als der Chef der Fürstlichen Regierung Hans Brunhart seine Festansprache im voll besetzten Vaduzer Saal am 1. Juli hielt, nahm er keineswegs darauf Bezug, daß der Regierende Fürst Franz Josef II., dem diese Festakademie galt, am Schluß der Feier ankündigen würde, daß er die Aufgaben des Landesfürsten nunmehr dem 38jährigen Erb-

prinzen Hans Adam übergeben werde.

Damit wurde in feierlicher Form zum Ausdruck gebracht, daß für Liechtenstein eine ganze Ära zu Ende geht. Diese Epoche mit ihren Höhen und Tiefen hat eine außerordentliche Kennzeichnung durch den Fürsten Franz Josef II. erfahren.

Liechtenstein ist eine konstitutionelle Monarchie, ihre Verfassung geht in der heutigen Form auf das Jahr 1921 zurück und wurde seither so gut wie nicht geändert, was mit zur Stabilität des Staatswesens beigetragen hat.

Als konstitutionelle Monarchie unterscheidet sich Liechtenstein aber deutlich von den meisten anderen konstitutionellen Monarchien Europas, in welchen der Monarch mit Ausnahme einiger weniger formeller Kompetenzen (Abolitions- und Begnadigungsrecht, Bestätigung der Ernennung von hohen Beamten und Funktionären, Ratifikation von Staatsverträgen usw.) keine materiellen Befugnisse hat.

Dem Landesfürsten von Liechtenstein steht dagegen ein Notverordnungsrecht zu, er kann ein vom Landtag beschlossenes Gesetz sanktionieren, muß dies aber nicht tun, und ohne seine Mitwirkung kann gar nicht regiert werden.

Franz Josef II. hat sich schon bald nach seiner Thronbesteigung 1938 vor äußerst schwierige Situa tionen gestellt gesehen, die er nicht zuletzt dadurch meisterte, daß er als erster Fürst im Lande selbst auf Schloß Vaduz Wohnsitz nahm und nicht mehr vom fernen Wien aus regierte. Damit erwarb sich der Fürst auch das Vertrauen der Landesbürger, das er so systematisch ausbaute, daß heute Fürst, Fürstliche Regierung und Landesvolk eine geistige Einheit bilden.

Die großen Kraftproben, denen sich der Fürst ausgesetzt sah, waren mit dem Anschluß Österreichs an das Dritte Reich gekommen. Liechtensteinische Nationalsozialisten versuchten gemeinsam mit dem Vorarlberger SA (von Feldkirch aus), mit dem „Marsch auf Vaduz“ das Fürstentum mit Gewalt in das Dritte Reich einzugliedern. Der junge Fürst verhinderte dies durch sein persönliches Einschreiten in Berlin.

Bei Kriegsende traten die in Feldkirch zuletzt zusammengedrängten Soldaten der Ersten Russischen Nationalarmee (die sogenannte Wlassow-Armee, die auf deutscher Seite gekämpft hatte) auf liechtensteinisches Gebiet über. Obwohl die Sowjetunion von Liechtenstein verlangte, daß die Wlassow-Soldaten an die UdSSR auszuliefern seien, lehnte der Fürst dies rundweg ab. Seine schriftliche Erklärung ist heute ein wichtiges Dokument für höchsten Mut im Dienst der Menschenrechte.

Von dem Recht, Gesetzesbeschlüsse des Landtages nicht zu sanktionieren oder vom Notverordnungsrecht Gebrauch zu machen, hat Franz Josef II. nur selten, aber immerhin dann Ge brauch gemacht, wenn sich eine zwingende, vor allem auch humanitäre Notwendigkeit ergab - zuletzt erst vor etwas mehr als einem Jahr.

Liechtenstein ist heute, was nicht zuletzt auch auf den Fürsten zurückgeht, Vollmitglied des Europarates (obwohl leider immer noch das von den männlichen Stimmbürgern bisher verweigerte Frauenstimmrecht fehlt), hat sich bei der KSZE in Helsinki (wozu halb-souveräne Staaten wie Andorra oder Monaco nicht zugelassen wurden) als hervorragend aktiv erwiesen und seine Souveränität immer mehr ausgebaut. (Heute wäre wohl auch ein Ellhorn-Vertrag, wie 1945, seitens der Schweiz nicht mehr erzwingbar.)

Dabei zeigt sich Franz Josef II. als Titularherr von Jägerndorf bei allen Sudetendeutschen Tagen und fürchtet auch die Kritik der CSSR nicht.

Mit Österreich und speziell mit Vorarlberg steht der Fürst übrigens in engster geistiger Verbindung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung